a Überarbeitete, aktualisierte und inhaltlich auf die Situation in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg adaptierte Fassung des EAACI-Positionspapiers: Vultaggio et al. Considerations on Biologicals for Patients with allergic disease in times of the COVID-2 19 pandemic: an EAACI Statement. Allergy (submitted). bDie ersten fünf Autoren sind gemeinsame Erstautoren. cDie letzten vier Autoren sind gemeinsame Letztautoren.

Zusammenfassung

Hintergrund: Die Behandlung von Patienten mit Allergien und Atopie-assoziierten Erkrankungen wurde seit Beginn der Covid-19-Pandemie vor große Herausforderungen gestellt. Empfehlungen zum "social distancing" und die Angst der Patienten vor einer Infektion in medizinischen Einrichtungen haben zu einer drastischen Abnahme der persönlichen Arzt-Patienten-Kontakte geführt. Hiervon sind Akutversorgung und Behandlung chronisch Kranker gleichermaßen betroffen.

Die Immunantwort nach SARS-CoV-2-Infektion ist bislang nur unzureichend bekannt und könnte durch eine Therapie mit monoklonalen Antikörpern günstig, aber auch ungünstig verändert werden. Zum jetzigen Zeitpunkt bestehen keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko von Allergikern für einen schwereren Covid-19-Krankheitsverlauf. Zahlreiche Patientinnen und Patienten befinden sich unter laufender Therapie mit Biologika, die über verschiedene Ansätze Typ-2-Immunantworten inhibieren. Es besteht Unklarheit über mögliche immunologische Interaktionen und potenzielle Risiken dieser Biologika im Falle einer Infektion mit SARS-CoV-2.

Methodik: Für die vorliegende Publikation wurde eine selektive Literaturrecherche in Pubmed, Livivo und im World Wide Web für die zurückliegenden zehn Jahre (Zeitraum Mai 2010 bis April 2020) durchgeführt. Darüber hinaus wurden hier die aktuellen, dort nicht enthaltenen deutschsprachigen Publikationen analysiert. Auf Grundlage dieser Daten gibt dieses Positionspapier Empfehlungen für die Behandlung mit Biologika bei Patienten mit allergischen und Atopie-assoziierten Erkrankungen in der Covid-19-Pandemie.

Ergebnisse: Zur Aufrechterhaltung von Präsenzsprechstunden muss eine sichere und an die Pandemiesituation adaptierte Behandlungsumgebung geschaffen werden. Verlässliche Studiendaten zur Versorgung komplex erkrankter Atemwegs-, Atopie- und Allergiepatienten in Zeiten imminenter Infektionsgefahr durch SARS-CoV-2 fehlen bis dato. Typ-2-geprägte Immunreaktionen, wie sie bei Allergiepatienten oft vorliegen, könnten auf die verschiedenen Phasen von Covid-19 Einfluss nehmen, indem sie beispielsweise Immunreaktionen bremsen. Das könnte sich theoretisch in der frühen Phase der SARS-Cov-2-Infektion ungünstig, in der späten Phase schwerer Verläufe während eines Zytokinsturms günstig auswirken. Da es dafür bisher aber keine Belege gibt, sollten alle Daten von Patienten unter einem gegen Typ-2-Immunreaktionen gerichteten Biologikum, die an Covid-19 erkranken, in Registern gesammelt und ihre Krankheitsverläufe dokumentiert werden, um in Zukunft erfahrungsasierte Handlungsanweisungen geben zu können.

Schlussfolgerung: Die Therapie mit Biologika zur Behandlung von Asthma bronchiale, atopischer Dermatitis, chronischer Rhinosinusitis mit Nasenpolypen und spontaner Urtikaria sollte in der aktuellen Covid-19-Pandemie bei Patienten ohne Infektionsverdacht oder nachgewiesener SARS-CoV-2-Infektion unverändert fortgesetzt werden. Falls verfügbar ist es empfehlenswert, eine Formulierung zur Eigenapplikation zu bevorzugen und ein telemedizinisches Monitoring anzubieten.

Behandlungsziel sollte sein, schwer kontrollierbare allergische und atopische Erkrankungen durch angemessene Bedarfs- und Add-on-Therapie bestmöglich einzustellen und die Notwendigkeit systemischer Glukokortikoide zu vermeiden. Im Falle eines begründeten Verdachts oder einer nachgewiesenen Infektion mit SARS-CoV-2 sollte die Therapie individuell durch Abwägung von Nutzen und Risiken als Einzelfallentscheidung unter Einbeziehung des Patienten bestimmt werden. Hierbei ist zu bedenken, dass mögliche Einflüsse von Biologika auf die Immunantwort bei Covid-19 aktuell nicht genau bekannt sind. Telemedizinische Angebote sind insbesondere für akuten Beratungsbedarf bei geeigneten Patienten wünschenswert.

Einleitung

Die klinische Symptomatik der Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 ("severe acute respiratory syndrome-Coronavirus 2") wurde am 11. Februar 2020 als "Coronavirus-Krankheit 2019" (Covid-19) bekannt [1]. Das Internationale Komitee für die Taxonomie von Viren (ICTV) bezeichnete diese neuen humanpathologischen Viren als SARS-CoV-2 [1]. Die globale Ausweitung der SARS-CoV-2-Pandemie und Patienten mit schweren klinischen Verlaufsformen von Covid-19 stellen die Gesundheitssysteme weltweit vor große Herausforderungen.

Das Coronavirus SARS-CoV, das in den Jahren 2002/2003 das schwere akute Atemwegssyndrom SARS ausgelöst hatte, weist eine circa 80 %-ige Nukleotidsequenzidentität mit SARS-CoV-2 auf [1]. SARS-CoV-2 ist ein Betacoronavirus der Untergattung Sarbecovirus und der Unterfamilie Orthocorona viridae und das siebte Mitglied der Familie der Coronaviridae, das den Menschen infizieren kann. Es kann aus menschlichen Proben isoliert werden, die aus Atemwegssekreten, Nasen- und Rachenabstrichen gewonnen und auf Zellkulturen isoliert werden [1, 2, 3].

Es ist umhüllt von einer Lipidmembran, die durch Detergenzien zerstört werden kann, und unterscheidet sich vom Coronavirus des Nahen Ostens (MERS-CoV), vom Coronavirus des schweren akuten Atemwegssyndroms (SARS-CoV) und von den für die viralen "Erkältungskrankheiten" verantwortlichen Viren (229E, OC43, NL63 und HKU1) [1].

Nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 kann es zu einer bis zu 14-tägigen Inkubationszeit kommen, in der die erkrankten Personen asymptomatische (Über)Träger des Virus sein können.

Bei einer großen Zahl von Patienten führt die Infektion nach der Inkubationszeit zu einer Erkrankung der oberen und unteren Atemwege, seltener auch anderer Organsysteme (Nervensystem, Gastrointestinaltrakt, Nieren, Blutgefäße), die im ungünstigen Fall zum Multiorganversagen und respiratorischer Insuffizienz führt, wie dies auch für andere Coronavirus-Infektionen (SARS-CoV-1, MERS-CoV) beschrieben wurde [4, 5, 6]. In schwereren Fällen kann eine Infektion mit SARS-CoV-2 zu Pneumonie, schwerem akutem Atemwegssyndrom, Nierenversagen und zum Tod führen [4, 7, 8, 9, 10]. In der veröffentlichten wissenschaftlichen Literatur zu Covid-19 werden ein höheres Alter und Komorbiditäten wie chronische Atemwegserkrankungen (insbesondere COPD), Diabetes mellitus, kardiovaskuläre Erkrankungen, Adipositas und Immunschwäche unterschiedlichen Ursprungs als Risikofaktoren für einen schweren Verlauf aufgeführt [4, 7, 8, 9]. Die Notwendigkeit von intensivmedizinischen Maßnahmen und invasiver Beatmung geht mit einer hohen Mortalität einher.

Wir stellen nachfolgend klinische und immunologische Aspekte vor, die bei Patienten unter Therapie mit Biologika gegen IgE und Typ-2-Entzündungsmediatoren im Kontext der Covid-19-Pandemie zu bedenken sind (Tab. 1).

Tab. 1 : Immunphänomene bei AIT und Covid-19 (nach [35])

Immunantwort bei SARS-CoV-2- und anderen Coronavirus-Infektionen

Die Charakteristika der Immunantwort nach Infektion mit SARS-CoV-2 sind noch unzureichend verstanden. Während verschiedene Verlaufsformen der Covid-19-Erkrankung und der Infektion mit dem Virus beschrieben sind, ist bislang unklar, welche immunologischen Hintergründe den Verlauf der Erkrankung beeinflussen. Dies gilt auch für die Bedeutung von angeborenem und adaptivem Immunsystem im Zusammenhang mit der Infektion. Während in der frühen Phase von Virusinfektionen klassischerweise natürliche Killer-Zellen (NK-Zellen) eine wesentliche Rolle spielen, greifen CD8+-T-Helfer-Zellen in der nachfolgenden Phase ein [11]. Die frühe Antikörpersekretion und -produktion im Mukosa-assoziierten lymphatischen Gewebe umfasst zunächst antigenspezifische Antikörper vom Typ IgM und IgA und später IgG und ist von zentraler Rolle für die Immunantwort [12, 13, 14]. Makrophagen werden aktiviert und sezernieren inflammatorische Zytokine, hierbei nehmen vor allem Typ-1-Interferone (Typ-1-IFN) eine Schlüsselposition ein. Bei Infektionen mit anderen Coronaviren (u. a. SARS-CoV-1) ist Typ-1-IFN für die adäquate Einleitung der Immunreaktion verantwortlich und Patienten mit verspäteter oder unzureichender IFN-Produktion zeigen einen schwereren Krankheitsverlauf [6].

Die Aktivierung von Apoptose oder Pyroptose in Epithelzellen dient der Virusabwehr, überschießende Immunreaktionen können durch synergistische Effekte, aber auch zur lokalen Gewebeschädigung beitragen [15]. Eine überschießende Produktion proinflammatorischer Zytokine wurde bereits bei SARS-CoV-1-, MERS-CoV- und kürzlich auch bei SARS-CoV-2-Infektionen beobachtet und als Zytokinsturm beschrieben [4, 5]. Natürliches IgM und wahrscheinlich Mannose-bindendes Lektin (MBL) werden als erste Verteidigungslinie gegen SARS-CoV-2 vermutet [16]. Diese Antikörper und MBL erkennen Glykane und sind bei Kindern und jungen Erwachsenen reichlich vorhanden, nehmen jedoch mit zunehmendem Alter dramatisch ab und sind im Alter von 60+ über 50-mal niedriger als im Alter von 20-30 Jahren [16]. Da sie Teil der angeborenen Immunität sind, sind sie die einzigen Antikörper, die SARS-CoV-2 vor Einleitung einer adaptiven Immunantwort erkennen [16]. Wenn das Virus die Lunge früh genug erreicht, kann es sich ungehindert vermehren, da keine oder nur geringe Resistenz vorliegt. Eine resultierende Entzündung mit massiver Aktivierung lokaler Mediatoren (Komplement- und Gerinnungskaskaden, Interleukin-6 [IL-6], Zytokinsturm) kann Schäden hervorrufen, die zu Komplikationen und bei einigen Patienten zum Tod führen [16].

Auch die Eigenschaft der SARS-CoV-2-Viren, über Rezeptoren wie ACE2 und TMPRRSS2 in die Zelle einzudringen, könnte unterschiedliche Ausprägungen von Covid-19 bei verschiedenen Patientengruppen erklären [17].

Ausgedehnte Schäden an der Lunge führen zu einer rapiden klinischen Verschlechterung und meistens zur Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Behandlung, die typischerweise 7-14 Tage nach Infektion zu beobachten ist. Die Gefahr von Nieren-, Leber- und/oder anderer Organschädigungen sowie einer Verbrauchskoagulopathie ist hierbei stark erhöht. Betroffene Patientinnen und Patienten weisen in der Regel stark erhöhte Spiegel von IL-1-α, IL-6, IL-8 und TNF-α auf (Abb. 1) [18]. Die therapeutische Blockade von einem oder mehreren dieser Zytokine wird als potenzielle zukünftige Therapieoption für schwer betroffene Patienten diskutiert, bei denen das IL-6 massiv erhöht sein kann [19]. IL-6 spielt eine zentrale Rolle im Zytokinsturm und Tozilizumab wurde als Biologikum mit Anti-IL-6-Wirkung bereits bei Covid-19 eingesetzt [20, 21].

Abb. 1
figure 1

ACE2, angiotensin-converting enzyme 2; ADE, antibody-dependent enhancement; DAMP, damage-associated molecular pattern; G-CSF, granulocyte colony-stimulating factor; IFN, Interferon; IL, Interleukin; MIP1α, macrophage inflammatory protein 1α; SARS-CoV-2, severe acute respiratory syndrome coronavirus 2; TNF, tumour necrosis factor

: Abfolge von immunologischen Ereignissen bei einer Infektion mit SARS-CoV-2: Wenn SARS-CoV-2 Zellen über die Oberflächenrezeptoren ACE2 und TMPRSS2 infiziert, führt dies zu aktiver Replikation und Freisetzung des Virus, die Zellen gehen durch Pyroptose zugrunde. Hierbei werden unter anderem DAMPs freigesetzt, die durch benachbarte Epithelien, Endothelien und Alveolarmakrophagen erkannt werden und die Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine wie IL-6, IP-10, MIP1α, MIP1β und MCP1 triggern. Hierdurch werden Monozyten, Makrophagen und T-Zellen angelockt, die unter Zugabe von IFN-γ eine weitere entzündliche, sich selbstverstärkende Kaskade aktivieren.

Bei defekten Immunantworten (links) kann dieses zur Akkumulation von Immunzellen sowie Überproduktion von proinflammatorischen Zytokinen führen, die im Verlauf die Lunge schädigen und in einem Zytokinsturm mit Multiorganversagen münden können.

Zusätzlich können nicht neutralisierende, durch B-Zellen produzierte Antikörper die Infektion durch ADE verstärken und zu weiteren Organschäden führen.

Bei gesunder Immunantwort (rechts) lockt die initiale Entzündung virusspezifische T-Zellen zum Ort der Infektion, wo diese die infizierten Zellen vor weiterer Ausbreitung des Virus eliminieren können. Neutralisierende Antikörper blockieren selektiv das Virus in betroffenen Individuen, Alveolarmakrophagen erkennen und phagozytieren befallene Zellen und neutralisierte Viren. Diese ineinandergreifenden Prozesse beseitigen die Virusinfektion bei minimalem Gewebeschaden in den Atemwegen und führen zur Ausheilung.

Nach Tay MZ et al.[65]

Zugelassene Indikationen von anti-IL-6 oder anti-IL-6R AK (wie Tocilizumab, Sarilumab) sind zurzeit zum Beispiel die rheumatoide Arthritis, die juvenile rheumatoide Arthritis (M. Still) und das Castleman-Syndrom. Die hier beschriebenen Immunreaktionen vom Typ-1 und Typ-3 werden durch andere Zytokine, wie zum Beispiel IL-10 und TGF-β eingedämmt, und auch Typ-2-Entzündungen könnten eventuell als Gegenspieler eines Zytokinsturms agieren. Erhöhten Werten von eosinophilen Granulozyten als einer der Schlüsselzellen der Typ-2-Inflammation wurde eine protektive Wirkung bei schweren Virusinfektionen zugeschrieben, wobei der Wirkungsmechanismus bislang nicht identifiziert werden konnte [22]. Andererseits können niedrige Eosinophilenzahlen im Blut auch schlicht nur die Schwere der Infektion abbilden. Weit besser untersucht ist die Interaktion von SARS-CoV-2 mit seinem Rezeptor auf den Zellen des respiratorischen Systems, dem membranständigen Angiotensin-Converting-Enzym-2 (ACE-2), die für seinen Eintritt in die Wirtszelle verantwortlich ist [17]. Daher wird eine reduzierte Expression von ACE-2 in Atemwegsepithelzellen von Patienten mit allergischem Asthma als möglicher schützender Faktor vor einer SARS-CoV-2-Infektion diskutiert [23]. Es ist anzunehmen, dass erst das Zusammenspiel der einzelnen Zytokinantworten zu einer adäquaten und effektiven Immunantwort bei Coronavirusinfektionen führt. Dysbalancen zwischen den Typ-1-, Typ-2- und Typ-3-Reaktionen sind aber wahrscheinlich in der Lage, den Verlauf einer Virusinfektion maßgeblich negativ oder positiv zu beeinflussen (Abb. 1).

Erfahrungen mit Covid-19 bei Erkrankungen mit Typ-2-Inflammation

Bislang gibt es nur unzureichende Hinweise darauf, welche Risikofaktoren bei SARS-CoV-2-Infizierten einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung bedingen. Vorerkrankungen der Lunge gelten bislang als potenzieller Risikofaktor für eine Covid-19-Erkrankung und möglicherweise auch für einen schwereren Verlauf. Das Asthma bronchiale als wichtigste Indikation für anti-IgE und anti-Typ-2 gerichtete Biologika in der Allergologie zählt potenziell zu diesen Erkrankungen. Da aber viele Lungenerkrankte auch andere Komorbiditäten aufweisen, könnten sich im langfristigen Verlauf und im Zuge weiterer Studien einige der vermuteten Faktoren als Confounder herausstellen. Somit ist es bisher ungeklärt, ob Patienten mit einem Typ-2-assoziierten Asthma bronchiale in Abwesenheit weiterer möglicher Risikofaktoren als Risikopatienten für einen schweren Covid-19-Verlauf einzustufen sind. die aktuelle Datenlage spricht eher dagegen. Es existieren nur wenige und hinsichtlich ihrer prognostischen Aussagekraft eng limitierte Daten zu Covid-19 im Kontext einer Typ-2-assoziierten Erkrankung. Die zum aktuellen Zeitpunkt verfügbaren Studien geben keinen Anhalt für ein erhöhtes Risiko für Patienten mit Allergien, Asthma oder anderen Atopie-assoziierten Erkrankungen [8, 24, 25, 26, 27, 28, 29] (Tab. 2). Der Anteil der schwer erkrankten oder verstorbenen Covid-19-Patienten mit bekanntem Asthma bronchiale lag zum Beispiel in Wuhan und Italien weit unter der dortigen Prävalenz für Asthma [18]. Bisher ungeklärt ist auch, warum bei vielen Patienten neben einer Lymphopenie eine Eosinopenie zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme festgestellt wurde [8]. Weder erniedrigte noch erhöhte Werte von Eosinophilen konnten bislang eindeutig mit bestimmten klinischen Verläufen einer SARS-CoV-2-Infektion in Verbindung gebracht werden.

Tab. 2 : Studien mit Covid-19-Patienten und Allergien, Asthma oder anderen Atopie-assoziierten Erkrankungen in der Vorgeschichte

Zulassungssituation für Biologika bei Typ-2- Entzündungen im deutschsprachigen Raum

In den vergangenen Jahren wurden in Europa mehrere Biologika zugelassen, die IgE-Antikörper oder die für eine Typ-2-Entzündung relevanten Interleukine IL-4, IL-5 und IL-13 beziehungsweise deren Rezeptoren blockieren [30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39].

Omalizumab ist für die Behandlung des schweren allergischen Asthma bronchiale bei Erwachsenen und Kindern ab sechs Jahren zugelassen, wenn eine nachgewiesene Sensibilisierung gegenüber einem ganzjährig auftretenden Aeroallergen und eine reduzierte Lungenfunktion vorliegen. Eine weitere Indikation liegt bei Jugendlichen ab zwölf Jahren und Erwachsenen für die Antihistaminika-resistente, chronische spontane Urtikaria vor. Mit Mepolizumab, Benralizumab und Reslizumab stehen mehrere Vertreter der IL-5- beziehungsweise IL-5-Rezeptor-Blockade für Erwachsene und teilweise auch für Kinder für die Behandlung des Asthmas zur Verfügung.

Dupilumab ist für die Behandlung der atopischen Dermatitis für Jugendliche ab zwölf Jahren, für Erwachsene zur Behandlung des schweren, Typ-2-dominierten Asthmas und für die Behandlung Erwachsener mit chronischer Rhinosinusitis mit nasalen Polypen (CRSwNP) zugelassen.

Tab. 3 stellt einen Überblick zur Zulassungssituation im deutschsprachigen Raum dar. Die Selbstverabreichung durch den Patienten ist gesondert aufgeführt, da sie eine wesentliche Erleichterung zur Versorgung geeigneter Patienten während der SARS-CoV-2-Pandemie ist.

Tab. 3 : Biologika-Zulassungen für Erkrankungen aus dem allergologischen Formenkreis in Deutschland, Österreich, Luxemburg und der Schweiz

Typ-2-Blockade und Virusinfektionen

Virusinfektionen der oberen und unteren Atemwege wurden mit der Entstehung und Exazerbation allergischer Erkrankungen in Verbindung gebracht [40, 41, 42]. Die Infektion und Persistenz von Viruspartikeln in der Mukosa könnte das lokale, angeborene Immunsystem in seiner Effektivität hemmen und die Typ-2-Inflammation fördern. Die Blockade der Typ-2-Inflammation durch therapeutische Antikörper gegen IgE, IL-5 beziehungsweise den IL-5-Rezeptor oder den IL-4/-13-Rezeptor steht bisher nicht im Verdacht, das Risiko von Virusinfektionen zu erhöhen. IL-4 nimmt jedoch durch zwei unterschiedliche Haplotypen im IL-4-Gen eine duale Rolle bei Virusinfektionen ein und kann Infektionen mit Herpesvirus und Norovirus [43] sowie mit dem Corona-verwandten Ebolavirus [44] begünstigen. Andererseits kann IL-4 auch Virusinfektionen durch Promotion der angeborenen Immunität inhibieren [45, 46, 47].

Daher braucht es mehr Evidenz aus klinischen Beobachtungen, um klare Empfehlungen konkret in Hinblick auf Covid-19 geben zu können. Tab. 4 gibt eine Übersicht über die Häufigkeit von Virusinfektionen als unerwünschte Ereignisse im Rahmen von Studien mit diesen monoklonalen Antikörpern. Es existieren Berichte über ein selteneres Auftreten von Virusinfekten unter anti-IgE-Behandlung mit Omalizumab, da möglicherweise durch die Therapie die Funktion und Produktion von IFN-α durch die plasmozytoiden dendritischen Zellen (pDC) gestärkt wird. Dies führte zu einer gesteigerten Virusabwehr und zur Reduktion von Virus-induzierten Asthma-Exazerbationen [40, 48]. Auch für die Typ-2-Blockade mit anti- IL-5-Antikörpern (Mepolizumab, Reslizumab) beziehungsweise anti-IL-5-Rezeptor-Antikörpern (Benralizumab) lag das Risiko viraler Atemwegsinfektionen in den Studien-Verumgruppen gleich oder niedriger im Vergleich zur Placebogruppe (Tab. 4).

Tab. 4 : Atemwegsinfektionen als adverse event (AE) in Phase-3-Studien, Metaanalysen und Langzeitstudien [nach Vultaggio A et al. Allergy 2020 (submitted)]

Typ-2-Blockade bei SARS-CoV-2

Bislang ist nicht geklärt, ob die Blockade der Typ-2-Inflammation oder von IgE mit einem veränderten Risiko für eine Erkrankung oder den Verlauf von Covid-19 einhergeht. Im Falle eines Zytokinsturms sind mögliche nachteilige Effekte durch eine Blockade der Typ-2-Immunreaktionslage denkbar, die es jedoch zu untersuchen gilt. Erste Berichte zeigen zumindest keinen schlechteren Krankheitsverlauf bei Covid-19-Patienten mit eosinophilen Erkrankungen unter Biologikatherapie [24, 49], weitere Studienergebnisse sollten jedoch abgewartet werden, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass sich SARS-CoV-2 mittels Mutationen rasch weiterentwickelt [50].

In Metaanalysen von Agache et al. [51, 52, 53] wurde eine geringfügig erhöhte Rate (niedriges bis mittleres Risiko einer Assoziation) von unerwünschten Wirkungen beim Einsatz von anti-IL-5/5R, anti-IL-4/13R und anti-IgE bei schwerem Asthma unabhängig von Covid-19 gezeigt. Daher besteht keine eindeutige Empfehlung hinsichtlich der Entscheidungsfindung, eine Biologikatherapie während einer Infektion mit SARS-CoV-2 fortzuführen oder vorübergehend zu unterbrechen. Eine Therapieunterbrechung könnte mit dem Nachteil verbunden sein, keine optimale Kontrolle der allergischen Erkrankung gewährleisten zu können oder bei Exazerbationen systemische Glukokortikoide einsetzen zu müssen, für die ein erhöhtes Risiko für einen möglicherweise schwereren Verlauf von Covid-19 beschrieben wurde [54].

Empfehlungen zum Management allergischer/Atopie-assoziierter Erkrankungen unter anti-Typ-2-Therapie während der Covid-19-Pandemie

Zur Sicherstellung einer indikationsgerechten, qualitativ hochwertigen und akkuraten Versorgung von Patienten unter anti-Typ-2-Therapie bei zugrundeliegender atopisch-eosinophiler oder -allergischer Erkrankung sollte die Antikörpertherapie bei Patienten ohne Hinweis auf eine SARS-CoV-2-Infektion auch während der andauernden Pandemie unverändert fortgesetzt werden (Tab. 1). Um aktuellen Versorgungsengpässen im Krankenhaus und den erschwerten Hygienebedingungen gerecht zu werden, sollte das Follow-Up bei geeigneten Patienten und gegebenen technischen und medizinischen Voraussetzungen auch telemedizinisch oder telefonisch stattfinden. Eine umfassende Schulung der Patienten in Bezug auf Dokumentation der Krankheitsaktivität und gegebenenfalls Selbstverabreichung der Medikation ist hierfür wünschenswert. Dies wird durch die teilweise Verfügbarkeit von anwendungsfreundlichen Pen-Systemen zur Selbstapplikation erleichtert.

Generell gilt in Ländern mit niedrigen Infektionszahlen und einer damit verbundenen Lockerung der Covid-19-assoziierten Restriktionen keine Kontraindikation zum Beginn einer Biologikatherapie bei Patienten ohne Hinweis auf eine aktuelle SARS-CoV-2 Infektion.

Bei nachgewiesener SARS-CoV2-Infektion/Covid-19-Erkrankung mit leichtem bis mittelschwerem Verlauf kann nach derzeitiger Einschätzung die Biologikatherapie in den hier besprochenen Indikationen fortgeführt werden, insofern eine individuelle Abwägung von Risiken und Vorteilen für den Patienten hierfür spricht. Dies hat durch einen Spezialisten zu erfolgen und eine entsprechende Aufklärung der Patienten zur eingeschränkten Datenlage wird empfohlen.

Bei schwerem Verlauf der Covid-19-Erkrankung sollte eine Verlängerung des Dosierungsintervalls oder eine Therapiepause in Erwägung gezogen werden. Bei dieser Abwägung ist auch das Risiko einer potenziell erforderlichen systemischen Glukokortikoidtherapie zu berücksichtigen. Im Rahmen einer Quarantänesituation kann die medizinische Begleitung gegebenenfalls telemedizinisch erfolgen, insbesondere auch mit dem Ziel, die Basistherapie mit topischen Glukokortikoiden, inhalativen Bronchodilatatoren, Antihistaminika et cetera gemäß entsprechender Leitlinienempfehlungen fortzusetzen oder bedarfsgerecht auszuweiten [36, 37, 54, 55, 56, 57, 58, 59].

Sollten Krankenhausaufenthalte wegen Exazerbation von Asthma- oder anderer Typ-2-assoziierter Erkrankungen nötig sein, sind aktuelle Leitlinien hinsichtlich Diagnostik und Therapie zu befolgen. Operationen an den Nasennebenhöhlen für CRSwNP sollten bei Patienten mit Verdacht auf oder bestätigter Covid-19-Erkrankung möglichst aufgeschoben werden.

Bei dringend indizierter Systemtherapie für eine schwere atopische Dermatitis ist eine Abwägung zur Therapie mit Biologika, klassischen Immunsuppressiva oder systemischen Glukokortikoiden zu treffen, wobei systemische Glukokortikoide aufgrund ihrer breiten immunsupprimierenden Wirkung nicht empfehlenswert sind (siehe oben). Für Cyclosporin A (CyA) als zugelassene Therapieoption für die atopische Dermatitis (AD) haben In-vitro-Untersuchungen antivirale Eigenschaften nahegelegt [60]. Eine nach Organtransplantation durchgeführte T-Zell-gerichtete Immunsuppression (CyA, Tacrolimus) wird als möglicher protektiver Faktor vor schweren klinischen Komplikationen einer SAS-CoV-2 Infektion diskutiert [61] und CyA für eine Anwendung bei Covid-19 diskutiert [62, 63], belastbare klinische Daten sind bislang allerdings nicht publiziert. Zu beachten sind mögliche metabolische Interaktionen zwischen CyA und Lopinavir/Ritonavir (CYP3-Inhibitoren). Berichtet wurde über zwei Patienten mit AD, bei denen es unter der Therapie mit Dupilumab nicht zu einem schwereren Verlauf von Covid-19 kam [64].

Schlussfolgerung

Die derzeit verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass wahrscheinlich kein erhöhtes Risiko eines schweren Covid-19-Verlaufs für Patienten mit Allergien und Atopie-assoziierten Erkrankungen vorliegt. Studienergebnisse mit speziellen Subgruppenanalysen zu besonders schwer erkrankten Atopiepatienten oder ihrer Therapie fehlen jedoch bisher. Die Auswirkungen einer Typ-2- oder IgE-Blockade auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 sind bisher unklar.

Bei leichtem bis mittelschwerem Verlauf einer Covid-19-Erkrankung raten wir zur Fortführung der Biologikatherapie in den hier angesprochenen Indikationen, wenn eine individuelle Abwägung von Nutzen und Risiken für den Patienten hierfür spricht und der Patient - nach sachgerechter Aufklärung über die eingeschränkte Datenlage - zustimmt.

Bei schwerem Verlauf der Covid-19-Erkrankung sollte in den hier angesprochenen Indikationen eine Verlängerung des Dosierungsintervalls oder eine Therapiepause in Erwägung gezogen werden. Diese Abschätzung sollte individuell getroffen werden und das Risiko einer potenziell erforderlichen systemischen Glukokortikoidtherapie einschließen.

Bei allen anderen Patienten, bei denen weder der Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Infektion noch eine nachgewiesene SARS-CoV-2-Infektion vorliegen, kann die Therapie mit Biologika zur Behandlung von Asthma bronchiale, AD, CRSwNP und spontaner Urtikaria in der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie unverändert fortgesetzt oder auch neu begonnen werden.

Der Einsatz von Telemedizin für die Therapiebegleitung und für Schulungen ist empfehlenswert und kann eine Fortsetzung der Biologikatherapie durch Selbstadministration von Injektionen erleichtern.