Im Panorama der letzten Ausgabe berichteten wir von einem Kommentar im Fachjournal JAMA, in dem unter anderem bemängelt wird, dass selbstberichtete Betalaktamantibiotika-Allergien nicht hinterfragt würden [1]. Der von den Autoren postulierten Hypothese, dass bei einem nach zehn Jahren negativen gewordenen Hauttest eine Reexposition mit dem ursprünglichen Betalaktam ungefährlich sei, wird in folgendem Leserbrief widersprochen.
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Leserbrief
Es wird in der Kurzdarstellung auf die sehr bedeutende Thematik hingewiesen, dass anamnestische Penicillin- beziehungsweise Betalaktamantibiotika-Allergien zu einem großen Teil nicht fachkundig allergologisch abgeklärt und hinterfragt werden, was zu einer erheblichen Einschränkung der therapeutischen Möglichkeiten im Falle einer behandlungsbedürftigen bakteriellen Infektion führt. Zudem werden Betalaktamantibiotika-Allergien bis zu zehnfach häufiger angeschuldigt als durch allergologische Testung bestätigt.
Es kommt im Verlauf der Zeit in individuell unterschiedlichem Maße zu einem Abfall des spezifischen IgEs bei Soforttypallergikern, zudem kann es insbesondere im Falle einer Sofortreaktion zu einem Verlust der Hauttestreaktivität kommen.
Wir möchten jedoch darauf hinweisen, dass eine Negativierung der diagnostischen allergologischen Parameter insbesondere nach längerem Zeitabstand zur Indexreaktion auf keinen Fall mit einer Toleranz gegenüber dem entsprechenden Arzneimittel gleichzusetzen ist, diese Schlussfolgerung kann vielmehr infauste Konsequenzen für den Patienten bergen — siehe hierzu auch [2]. Eine Provokationstestung ist zum Ausschluss einer Betalaktamantibiotika-Allergie auch bei negativem Hauttest und Bluttest indiziert. Darüber hinaus möchten wir anmerken, dass — wie in der Darstellung aufgeführt — einem nachgewiesenen Penicillinallergiker keineswegs grundsätzlich die gesamte Gruppe der Betalaktamantibiotika für weitere Behandlungen verschlossen bleibt. Eine Allergie gegenüber dem Betalaktamring, welche zu einer Allergie auf alle Betalaktamantibiotika führt, besteht aus heutiger Sicht nur in Einzelfällen [3]. Ziel der allergologischen Diagnostik ist es vielmehr ein individuelles Sensibilisierungsmuster zu erarbeiten um konkrete Empfehlungen zur Meidung beziehungsweise zur möglichen Gabe von Präparaten aus der Gruppe der Betalaktamantibiotika zu geben.
Wir stimmen mit der Darstellung überein, dass anamnestische Betalaktamantibiotika-Allergien diagnostisch abgeklärt werden sollen und möchten diesbezüglich auch auf die nachgewiesenen Folgen nicht abgeklärter Penicillinallergien hinweisen: mehr Krankenhaustage, höhere Behandlungskosten und häufigere Besiedlungen mit multiresistenten Keimen im Kollektiv der anamnestischen Penicillinallergiker im Vergleich zu den Nicht-Penicillinallergikern [4, 5, 6]. Sollte eine allergologische Abklärung in einem dringenden Behandlungsfall nicht möglich sein, muss eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung bezüglich der Gabe eines Betalaktamantibiotikums erfolgen. Ein wichtiges Entscheidungskriterium ist, ob aufgrund der Vorgeschichte das Risiko einer erneuten schweren allergischen Reaktion oder einer voraussichtlich gut beherrschbaren milden Spätreaktion besteht und wie das Risiko einer Kreuzreaktion aufgrund von strukturellen Verwandtschaften der Betalaktamantibiotika einzuschätzen ist.
Derzeit wird von einem Expertenteam eine Leitlinie zur Diagnostik bei Verdacht auf eine Betalaktamantibiotika-Überempfindlichkeit erstellt, welche hier detailliertere Empfehlungen beinhaltet. Mit dem Druck der neuen Leitlinie ist Anfang 2018 zu rechnen.
Literatur
Trubiano JA, Adkinson NF, Phillips EJ. JAMA 2017; 318:82–83
Hjortlund J, Mortz CG, Stage TB, Skov PS, Dahl R, Bindslev-Jensen C. Positive serum specific IgE has a short half-life in patients with penicillin allergy and reversal does not always indicate tolerance. Clin Transl Allergy 2014;4:34
Romano A, Guéant-Rodriguez RM, Viola M, Pettinato R, Guéant JL. Cross-reactivity and tolerability of cephalosporins in patients with immediate hypersensitivity to penicillins. Ann Intern Med 2004;141:16–22
Macy E, Contreras R. Health care use and serious infection prevalence associated with penicillin „allergy“ in hospitalized patients: A cohort study. J Allergy Clin Immunol 2014;133:790–6
MacLaughlin EJ, Saseen JJ, Malone DC. Costs of beta-lactam allergies: selection and costs of antibiotics for patients with a reported beta-lactam allergy. Arch Fam Med 2000;9:722–6
Li M, Krishna MT, Razaq S, Pillay D. A real-time prospective evaluation of clinical pharmaco-economic impact of diagnostic label of ‚penicillin allergy‘ in a UK teaching hospital. J Clin Pathol 2014;67:1088–92
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Wurpts, G., Merk, H.F. & Brockow, K. Negativer Hauttest ≠ Antibiotikatoleranz. Allergo J 26, 12 (2017). https://doi.org/10.1007/s15007-017-1427-4
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