Inadäquate Medikation -- Die Reduktion der Medikamentenlast ist eine wichtige ärztliche Aufgabe in späten Lebensphasen. Zumal die Polypharmazie massiv zugenommen hat. Doch die Datenlage zum De-Prescribing ist dürftig. Höchste Zeit, dass sich das ändert.

Bei älteren Hypertonikern ist Polypharmazie häufig. Zur Blutdruckkontrolle benötigen viele drei Medikamente oder mehr. Aufgrund von Multimorbidität nehmen sie oft weitere Arzneien. Darunter befinden sich bei jedem fünften auch solche, die den Blutdruck erhöhen, etwa Antidepressiva, nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), Steroide, Östrogene und Antipsychotika, berichtete Prof. Ulrich Kintscher, Institut für Pharmakologie der Berliner Charité, Universitätsmedizin, auf den diesjährigen Herztagen.

Sinnvolle Medikamentenlisten

Mit der Anzahl der Medikamente steigen die Risiken für Nebenwirkungen und Arzneimittelaktionen. Medikamentenlisten wie PRISCUS oder FORTA können helfen, potenziell inadäquate Medikationen bei Älteren zu identifizieren.

Auf diesen Listen stehen auch einige Antihypertensiva der Reserve wie Methyldopa, Clonidin, Moxonidin, Doxazosin, Dihydralazin oder Minoxidil. Ihr gemeinsames Problem sind Interaktionen mit ACE-Hemmern. Angesichts fehlender Daten zur Prognoseverbesserung sollte man sich laut Kintscher gut überlegen, ob man diese Substanzen bei alten Menschen wirklich einsetzen möchte.

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Dünne Datenlage

Leider gibt es nur sehr wenig Daten zum De-Prescribing bei Hypertonie im Alter. Kintscher berichtete über die Ergebnisse einer Cochrane-Analyse [1] von sechs Studien mit etwas mehr als 1.000 Hypertonie-Patienten, die ein komplettes Absetzen mit Weiterbehandlung und Blick auf die Sterblichkeit untersucht hatte. Das ist nicht ideal, so Kintscher. Sinnvoll wäre eher eine Reduktion der Antihypertensiva. Bei insgesamt wenigen Ereignissen zeigt die Analyse einen Vorteil für die Weiterbehandlung. In der Absetzgruppe war der systolische Blutdruck um rund 10 mmHg angestiegen.

Mit den Studien COFRAIL [2] und RIME [3] berichtete Kintscher über die Ergebnisse zweier Interventionsstudien in Primärversorger-Praxen, bei denen mit verschiedenen Interventionen versucht wurde, durch De-Prescribing einen Effekt auf die Häufigkeit von Krankenhauseinweisungen (COFRAIL) bzw. auf die Häufigkeit inadäquater Medikationen (RIME) bei betagten Patienten zu erreichen.

Die Resultate sind ernüchternd. In COFRAIL erreichte man eine gewisse Reduktion inadäquater Medikation, aber nicht nachhaltig. RIME führte zu keinem signifikanten Ergebnis. Eine Nebenbeobachtung dieser deutschen Studie war, dass auf der Liste der potenziell inadäquaten Medikamente mit Abstand an erster Stelle Acetyldigoxin stand - ein Medikament, welches die wenigsten Patienten benötigen. Dennoch ist es nicht gelungen, es abzusetzen.

Quelle: DGK Herztage, Bonn, 04.-06. Oktober 2023; Symposium "Herausforderungen im Hypertoniemanagement", Vortrag "De-prescribing - wann Antihypertensiva absetzen?"