Menschen mit HIV-Infektion haben ein besonders hohes Risiko nach einer Infektion mit Hepatitis-B-Viren (HBV) und insbesondere bei einer Koinfektion mit Hepatits-D-Viren (HDV) eine Leberzirrhose oder ein hepatozelluläres Karzinom (HCC) zu entwickeln. Hierfür werden neue Therapien erforscht - die am weitesten fortgeschrittenen stellen wir in diesem Beitrag vor. Für HDV steht mit Bulevirtide bereits eine neue Therapiemöglichkeit zur Verfügung.

Zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der HBV-Infektion stehen laut der S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) zwei unterschiedliche Therapiekonzepte mit pegyliertem Interferon alfa (PEG-IFN) und Nukleosid- bzw. Nukleotidanaloga (NA) zur Verfügung. Was dabei beachtet werden sollte, stellte Dr. Lisa Sandmann, Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, lnfektiologie und Endokrinologie, Medizinische Hochschule Hannover, vor:

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Hepatitis-Symptom: Gelbes Auge

Bei der Therapieauswahl sollte geprüft werden, ob eine Therapie mit PEG-IFN möglich und sinnvoll ist (LL-Empfehlung 3.2.1.)

  • Bei der Therapie mit NA sollen Entecavir oder Tenofovir bevorzugt werden. Bei der Auswahl von NA sollen das Stadium der Lebererkrankung, Komorbiditäten (v. a. Niereninsuffizienz und Knochendichteminderung) und Begleitumstände (z. B. Schwangerschaft, Kinderwunsch, Transplanta- tion), die Höhe der HBV-DNA sowie eventuelle Vortherapien berücksichtigt werden (LL-Empfehlung 3.2.2.).

Mit den bisherigen Therapiemethoden ist jedoch lediglich eine funktionelle und partielle Heilung möglich, aber keine vollständige. Neue Therapien sind daher in Arbeit. Am weitesten sind dabei bereits der Capsid assembly modulator (CAM) JNJ-6379 und das Antisense-Oligonucleotid Bepirovirsen, das an den Messenger-RNAs des HBV angreift und so die Produktion von viralen Proteinen senkt. In den REEF-2-Studien erhielten unter einem Nuke supprimierte HBeAg-Negative zusätzlich Placebo oder JNJ-3989 (siRNA) plus JNJ-6379 (CAM)[1]. Nach 48 Wochen wurde das Nukleosid abgesetzt. Nach 24 Wochen war der HBsAg-Spiegel häufiger unter 100 IU/ml abgefallen als in der Placebogruppe. In der Phase-2b-Studie mit Bepirovirsen erhielten Patienten mit chronischer HBV, von denen etwa die Hälfte bereits mit NA wie Tenofovir oder Entecavir vorbehandelt waren, Bepirovirsen in verschiedenen Therapieregimes [2]. Am effektivsten war die Therapie mit Bepirovirsen 300 mg für 24 Wochen. Unabhängig von der Vorbehandlung erreichten knapp 10% der Patienten eine anhaltende Absenkung der HBsAg- und DNA-Level unterhalb der Nachweisgrenze. Weitere Studien in Phase 3 laufen bereits.

Quelle: Vortrag "Hepatitis C und D: Wann ist die Heilung möglich?" Dr. Lisa Sandmann, Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, lnfektiologie und Endokrinologie, MH Hannover, im Rahmen des DÖAK 2023 am 24.März 2023 in Bonn

HBV/HDV-Koinfektion

Die Koinfektion von HBV mit HDV gilt als die schwerwiegendste chronische Hepatitis mit Progress zu Leberzirrhose, HCC-Risiko und erhöhter Gesamtmortalität. 12-25 Millionen Menschen sind weltweit HBV/HDV koinfiziert (4,5% aller HBsAg pos.). Jeder HBsAg-positive Patient sollte auf anti-HDV getestet werden, so Sandmann. Mit Bulevirtide (Hepcludex®) eröffnet sich nun eine Therapiemöglichkeit der HBV/HDV-Infektion auch bei Menschen mit HIV. Bulevirtide ist in der EU seit Juli 2020 bei Patienten mit chronischer HDV-Infektion, nachgewiesen durch HDV-RNA in Plasma oder Serum, und kompensierter Lebererkrankung, zugelassen. Bulevirtide blockiert den Gallensalz-Transporter Natrium-taurocholate cotransporting polypeptide (NTCP), der als wesentlicher Eintrittsrezeptor für HBV und HDV fungiert. Die Bindung von Bulevirtide an den NTCP-Rezeptor blockiert dagegen den Eintritt von HBV und HDV in die Hepatozyten und damit deren Replikation.