Bei der Therapie des Lymphödems kommt es häufig zu Versäumnissen. Welche wichtigen Aspekte nicht ausreichend beachtet werden, fasste Dr. Katja Mühlberg aus Leipzig in einem Vortrag auf dem Internisten-Update zusammen.

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Selten verordnet, selten getragen: Kompressionsstrümpfe bei Lymphödemen.

Eine aktuelle Befragung der Charité-Universitätsmedizin Berlin kommt zu dem Ergebnis, dass viele Patientinnen und Patienten mit einem Lymphödem während der COVID-19-Pandemie nicht adäquat versorgt waren: Die Lebenszufriedenheit nahm ab, wichtige Therapieziele wurden bei 23% der Teilnehmenden nicht erreicht, bei 40% verschlechterten sich die Befunde [1]. Doch nicht nur während der Pandemie waren viele Betroffene unterversorgt.

In puncto manuelle Kompressionstherapie - einer der unverzichtbaren Therapiekomponenten beim Lymph-ödem - liegt vieles im Argen: Beispielsweise wird die manuelle Lymphdrainage nicht immer mit flachgestrickten medizinischen Kompressionsstrümpfen kombiniert. "Viele Patientinnen und Patienten bekommen zwar eine Lymphdrainage verordnet, jedoch häufig ohne Kompression oder aber sie tragen die Strümpfe nicht", bemängelte die Fachärztin für Angiologie. In diesen Fällen sei es "komplett sinnlos", die Lymphe herauszumassieren, denn sobald die Patientinnen und Patienten von der Behandlungsliege aufstünden, sacke die Lymphe wieder nach unten.

Ganz wichtig bei der Therapie ist deshalb auch eine Anleitung zur Durchführung der Selbstbehandlung. "Bitte verordnen Sie, wenn Sie ein Lymphdrainage-Rezept ausstellen, auch eine Anleitung zum Selbstmanagement", appellierte Mühlberg. Denn das Lymph-ödem bestünde sieben Tage die Woche, Lymphdrainagen fänden jedoch meist nur zwei- bis dreimal pro Woche statt. Für die restlichen Tage müssten die Patienten Techniken erlernen, um sich zumindest bis zu einem gewissen Grad selbst zu therapieren. Eine weitere wichtige Komponente, die ebenfalls in den Händen der Erkrankten liegt, ist die Hautpflege bzw. Wundbehandlung zur Prophylaxe eines Erysipels.

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Aktuelle Berichte vom 17. DGIM - Internisten-Update-Seminar, 2.-3.12.2022, Berlin/Livestream

Die nächten Internisten-Updates finden statt am 10.-11.11.2023 in Wiesbaden und Hamburg, am 17.-18.11.2023 in München und Köln sowie am 1.-2.12.2023 in Berlin

Bewegungstherapie kommt häufig zu wenig zum Einsatz

Die zweite große Säule der Lymphödemtherapie kommt laut Mühlberg ebenfalls häufig zu kurz: die Bewegung. Denn Sport und Bewegung unter Kompression sind ein ganz wesentlicher Aspekt der Behandlung und sollten allen Erkrankten verordnet werden. Wie wenig dabei schon hilft, zeigt eine Studie von Kiriko Abe et al. [2]. Darin wendeten Frauen mit tumorassoziierten Lymphödemen der unteren Extremität drei verschiedene Therapien an: 15 Minuten lang in sitzender Position bzw. in liegender Position ein Fahrradergometer betätigen oder lediglich die Beine für 15 Minuten hochlegen. Die Frauen der Cross-over-Studie trugen jeweils elastische Bandagen und wurden den drei Therapien in unterschiedlicher Reihenfolge zugelost mit mindestens einer Woche Pause zwischen den Übungen. Radfahren im Liegen war dem Hochlegen der Beine signifikant überlegen. Das Volumen der Beine sowie Schmerzen und Schweregefühl in den Beinen hatten sich deutlich gebessert. "Diese kurze Therapie war schon extrem effektiv", kommentierte Mühlberg die Ergebnisse. Fahrradfahren in sitzender Position zeigte zwar auch Effekte im Vergleich zum Hochlegen der Beine, diese waren jedoch statistisch nicht signifikant.

In einem systematischen Review mit Metaanalyse von Sandra Hayes et al. [3] konnte dargestellt werden, dass auch kombiniertes Kraft- und Ausdauertraining sowohl zur Prävention als auch zur Therapie tumorassoziierter Lymphödeme gut wirksam ist. Der Effekt fiel besonders stark aus, wenn mehr als fünf Lymphknotenstationen reseziert worden waren. Nach der Intervention wurden Verbesserungen in den Parametern Schmerz, Funktionalität, Kraft, Fatigue und Lebensqualität der Teilnehmenden der Sportgruppen beobachtet. Mühlberg betonte, dass körperliche Betätigung möglichst strukturiert und verordnet angewendet werden sollte, aber auch in Eigeninitiative betriebener Sport zeige Erfolge.

Innovation bei der Kompressionstherapie

Zum Schluss stellte Mühlberg noch eine vielversprechende Therapieoption vor: die apparative Kompression. Lymphentstauungsgeräte können supportiv zur manuellen Lymphdrainage verordnet werden. Bisher mussten die Patientinnen und Patienten für diese Art von Therapie jedoch über mehrere Stunden liegen, etwa bei Anwendung einer Lymphhose. In den USA wurden aktuell tragbare pneumatische Kompressionssysteme getestet, die auch im Alltag, etwa beim Spazierengehen, getragen werden können. "Eine Pilotstudie hat gezeigt, dass diese apparative Kompression unglaublich effektiv ist und die damit behandelten Patienten sehr davon profitieren - nicht nur hinsichtlich der Symptomregredienz, sondern auch hinsichtlich der Lebensqualität", so Mühlberg.