Bei schwerem Post-Covid-Syndrom stößt die hausärztliche Versorgung an ihre Grenzen. Meist stehen pulmonale, hämatologische, neurologische, kardiologische sowie neuropsychiatrische Komplikationen im Vordergrund. In der Post-Covid-Ambulanz des LMU-Klinikums werden Patientinnen und Patienten interdisziplinär unter Einbezug zahlreicher Fachkliniken des LMU-Klinikums behandelt.

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Die COVID-19-Pandemie hatte nicht nur kurzfristige akute Erkrankungen zur Folge, sondern auch Langzeitfolgen. Aus verschiedenen Quellen wurde gemeldet, dass es trotz Heilung der akuten Erkrankung zu dauerhaften Schädigungen v. a. der Lunge und zu atembedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen kommen kann. Der Begriff Post-Covid wurde geprägt und spielt seitdem in der Gesundheitsversorgung eine wichtige Rolle. Unter der Bezeichnung versammelt sich mittlerweile eine bunte Vielzahl an somatischen Symptomen wie z. B. Fatigue, Husten, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Myalgien, Geschmacks- und Geruchsverlust oder Kurzatmigkeit [1]. Zu diesen vorrangig physischen Krankheitsbildern gesellen sich nicht selten psychische Beschwerden wie Angststörungen, akute Belastungsreaktionen, Anpassungsstörungen, Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen [2]. Selbst am Herzen, an der Lunge oder an der Leber auftretende Organschäden sind mittlerweile bekannt geworden [3]. Abb. 1 zeigt die häufigsten Post-Covid-Symptome.

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© Eigene Daten der Post-COVID-Care-Studie des LMU Klinikums

Die 20 häufigsten Post-Covid-Beschwerden und -Symptome

Hinzu kommt, dass die von Post-Covid Betroffenen z. T. nicht nur an einem einzigen Krankheitssymptom leiden, sondern gleichzeitig an mehreren Symptomen, von denen einige sich sogar permanent weiterentwickeln. Während die Ärzteschaft in den ersten Monaten nach der Entdeckung und Identifikation der SARS-CoV-2-Infektion davon ausgegangen war, dass vor allem ältere Menschen betroffen sein würden, zeigt sich heute, dass davon alle Altersgruppen berührt sein können, und dass selbst ein geringer Schweregrad der Infektion eine langanhaltende ernsthafte Einschränkung der Lebensqualität nach sich ziehen kann [4].

Menschen mit einem komplexen Post-Covid-Syndrom können wie folgt charakterisiert werden:

  • Im Alltag mäßige bis schwere Funktionseinschränkung,

  • reduzierter Allgemeinzustand, deutliche Gewichtsabnahme,

  • unerklärliche oder neu aufgetretene neurologische Defizite,

  • ausgeprägte Schmerzsymptomatik,

  • schlechte oder sich verschlechternde somatische oder psychische Befunde sowie

  • unerklärliche Symptome in der Basisdiagnostik.

Bei dieser Patientengruppe ist eine diagnostische und therapeutische Intervention notwendig, die die Möglichkeiten der hausärztlichen Versorgung übersteigt und deren Behandlung die Expertise mehrerer Fachrichtungen sowie spezielle diagnostische und therapeutische Maßnahmen erfordert.

DANKSAGUNG: Das Forschungsprojekt Post- COVIDLMU wird vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege unterstützt und vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) finanziell gefördert. Es besteht eine enge Verknüpfung zu dem bundesweiten Forschungsprojekt "Netzwerk Universitätsmedizin" (NUM), gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (Förderkennzeichen: 01KX2021).

Internistische Komplikationen

Die akute SARS-CoV-2-Infektion verläuft sehr heterogen und kann multiple Organsysteme betreffen. Anhaltende Beschwerden nach Abklingen der akuten Infektion sind häufig und oft ebenso vielfältig. Zu den häufigsten Beschwerden gehören Fatigue, Husten, Dyspnoe und Brustschmerzen. Regelmäßig kommt es zu weiteren Beschwerden wie Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, Hypogeusie, Hyposmie, Palpitationen, oder Schwindel [5]. Anhaltende funktionelle Einschränkungen im Alltag und eine verminderte Lebensqualität sind die Folge. Oft halten die oben genannten Beschwerden drei bis sechs Monate lang an. Aber auch eine längere Dauer ist möglich.

Nach einer akuten COVID-19-Erkrankung ist insbesondere das Risiko für persistierende oder neu auftretende respiratorische Symptome und Komplikationen erhöht. Hierzu zählen Husten, Dyspnoe oder Thoraxschmerzen, welche oft noch nach zwei bis drei Monaten bestehen und einer pneumologischen Abklärung bedürfen. Insgesamt sind bis zu 71% der Patienten betroffen [6, 7, 8]. Die Ursachen und Dauer variieren nach Schwere und Verlauf der akuten Erkrankung, sowie Auftreten respiratorischer Komplikationen im post-akuten Verlauf. Bei schweren Akutverläufen können beispielsweise postinfektiöse Lungengerüstveränderungen auftreten. Aber auch nach leichten Akutverläufen lassen sich zuweilen geringgradige Auffälligkeiten in der Lungenfunktion wie eine erhöhte bronchiale Hyperreagibilität nachweisen [5, 9]. Oft zeigen sich in der pneumologischen Abklärung mit Lungenfunktion und Spiroergometrie unspezifische Befunde wie Dekonditionierung und Hyperventilation [10, 11]. In einer Untersuchung von 73.435 nicht hospitalisierten COVID-19-Patienten war in diesem Zusammenhang die Einnahme von inhalativen Antiasthmatika wie Bronchodilatatoren oder inhalativen Glukokortikoiden sowie von Antitussiva und Expektoranzien deutlich häufiger als in der Non-COVID-19-Kontrollkohorte. Zu den wichtigen Komplikationen im post-akuten Verlauf gehört die Lungenarterienembolie. Insgesamt ist das Risiko für thromboembolische Ereignisse nach COVID-19 signifikant erhöht. [8]. Eine hohe Vigilanz für entsprechende Komplikationen und eine konsequente Abklärung bei klinischem Verdacht sind daher unbedingt erforderlich [9].

Häufig treten kardiovaskuläre Beschwerden während oder nach einer akuten COVID-19-Erkrankung auf. Diese halten in der Regel zwei bis drei Monate lang an und betreffen 10-71% der Fälle [6, 7, 8]. Viele Patienten klagen über anhaltende und häufig leistungsabhängige thorakale Beschwerden, Dyspnoe, Palpitationen oder Tachykardien. Auch hier steigt das Risiko mit dem Schweregrad der akuten COVID-19-Erkrankung. Insbesondere konnte ein vermehrtes Auftreten von kardialen Komplikationen wie Myokarditis, Perikarditis, Myokardinfarkt, Herzrhythmusstörungen oder Herzinsuffizienz gezeigt werden [7, 8, 12]. Häufig lassen sich in der kardiologischen Abklärung nach COVID-19 jedoch keine spezifischen Ursachen für kardiale Symptome eruieren. Aufgrund des erhöhten Auftretens der oben genannten Komplikationen sollte dennoch die entsprechende Wachsamkeit hoch sein und bei Bestehen entsprechender Beschwerden eine Abklärung eingeleitet werden [9].

Gastrointestinale, hämatologische, nephrologische, rheumatologische oder endokrinologische Beschwerdekomplexe im post-akuten Verlauf von COVID-19 sind weniger häufig als pneumologische oder kardiologische Beschwerden. Sie treten in ca. 10% aller Fälle auf und halten in der Regel einige Wochen bis Monate an [7, 8]. Zu diesen Beschwerden zählen beispielsweise Gelenk- und Muskelschmerzen, Appetitlosigkeit, Diarrhoe, Dyslipidämien, Blutbildveränderungen oder auffällige Nieren- und Leberwertveränderungen. Kommt es während der akuten COVID-19-Erkrankung zu einem akuten Nierenversagen, erholen sich die Nierenwerte in der Regel. Dennoch sollte eine Kontrolle der Nierenwerte oder anderer auffälliger Parameter in der Rekonvaleszenz erfolgen [9].

Therapeutische Implikationen bei internistischen Folgebeschwerden

Aktuell existieren keine spezifischen Biomarker zum Nachweis eines Post-Covid-Syndroms. Die Diagnose erfolgt daher klinisch anhand der Diagnosekriterien der WHO oder der Deutschen S1-Leitlinie [9]. Bei Auftreten Post-Covid-assoziierter Beschwerden sollte eine Basisdiagnostik erfolgen (z. B. mit klinischer Untersuchung, Labor und EKG). Je nach Beschwerdebild wird eine symptomorientierte Abklärung empfohlen. Insbesondere bei schwer betroffenen Patienten sollte ein interdisziplinäres Vorgehen mit Einbeziehen der relevanten Fachdisziplinen erfolgen [9].

Bisher sind keine medikamentösen oder interventionellen Therapien gegen das Post-Covid-Syndrom bekannt. Verschiedene Therapieansätze werden derzeit evaluiert. Beispielsweise liegen zur Immunadsorption, die bei einigen Autoimmunerkrankungen eingesetzt wird, keine schlüssigen Daten hinsichtlich des Post-Covid-Syndroms vor. Diese und andere teilweise teure oder sogar nebenwirkungsträchtige Therapien sollten daher derzeit nur im Rahmen von Studien und nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen.

Organkomplikationen werden in der Regel wie bei Patienten ohne Post-Covid-Syndrom behandelt. Zur Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit spielen insbesondere rehabilitative und physiotherapeutische Maßnahmen eine Rolle. Im Rahmen rehabilitativer Therapiekonzepte konnte neben einer Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit auch eine Verbesserung neurokognitiver Beschwerden wie Fatigue und Konzentrationsstörungen gezeigt werden. Die effektivste Maßnahme zur Prävention eines Post-Covid-Syndroms ist die Verhinderung einer COVID-19-Erkrankung durch Hygienemaßnahmen und Impfungen. Auch konnte gezeigt werden, dass das Risiko für das Auftreten langanhaltender Beschwerden nach COVID-19 durch Impfungen reduziert werden kann [13, 14]. Die Rolle von antiviralen Substanzen in der Prävention von Post-Covid ist aufgrund fehlender Daten noch unklar.

Viele neuropsychiatrische Symptome

SARS-CoV-2 verfügt über ein neuroinvasives Potenzial: Durch eine direkte virale Infektion des zentralen Nervensystems (ZNS) oder indirekt in Form einer überschießenden Immunreaktion können neuropsychiatrische Komplikationen entstehen [15]. Neben diesen neuroinflammatorischen Vorgängen können auch psychosoziale Belastungsfaktoren wie soziale Isolation, Einsamkeit, Ungewissheit bezüglich des Krankheitsverlaufs u. a. zur Entwicklung psychischer Symptome und zur Entstehung neuropsychiatrischer Komplikationen beitragen.

Die psychische Manifestation von Post-Covid ist vielfältig. Häufige Symptome sind Müdigkeit, Ängste, depressive Verstimmungen, kognitive Störungen wie Aufmerksamkeitsstörungen, Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, "Nebel im Kopf" ("brain fog"), Kopfschmerzen und Schlafstörungen [16]. Auch somatoforme Störungen, z. B. das Gefühl von Luftnot ohne organisches Korrelat werden berichtet. Zudem können auch Anpassungsstörungen und posttraumatische Belastungsstörungen auftreten. Symptomatisch äußeren sich letztere in einer erhöhten Erregbarkeit aber auch in Intrusionen und Flashbacks.

Depressionen und Angststörungen zählen zu den häufigsten psychiatrischen Komplikationen: Vier Monate nach der Erkrankung leiden 20,6% der Patientinnen und Patienten unter Depressionen und 31,4% unter Angstzuständen [17]. Bei der Entstehung von Angststörungen können die pandemiebedingten Belastungen und die direkten Auswirkungen der COVID-19-Erkrankung eine Rolle spielen. Diffuse Angst mit Anspannung, Besorgnis und Befürchtungen über alltägliche Ereignisse und Probleme begleitet von weiteren psychischen und körperlichen Symptomen sind dabei die führenden Symptome. Depressive Störungen gehören ebenfalls zu den häufigsten psychiatrischen Komplikationen. Sie können sich durch Symptome wie Antriebsarmut und erhöhte Erschöpfbarkeit, Hoffnungslosigkeit, Grübelneigung, Wahnvorstellungen oder Schlafstörungen bemerkbar machen. Auch zur Entstehung einer depressiven Störungen kann neben der COVID-19-Erkrankung die erhöhte psychosoziale Belastung beitragen [18]. Deshalb ist es wichtig, Post-Covid im Sinne von direkten neurobiologischen Folgen der Infektion mit SARS-CoV-2 differenzialdiagnostisch von psychischen Syndromen abgrenzen, die in erster Linie Ausdruck eigenständiger psychischer Erkrankungen, Folgen der Maßnahmen gegen die Pandemie oder einer intensivmedizinischen Behandlung sind. Ein Post-Covid-Syndrom sowie die postvirale Fatigue-Symptomatik gehen mit verminderter Aktivität, Erschöpfung, Schlafstörungen, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Aufmerksamkeitsdefizit und Schwindel einher [19]. Diese Symptome ähneln einer depressiven Symptomatik, sodass eine Abgrenzung oft schwierig ist. Hier können Fragebögen wie Patient Health Questionaire (PHQ), State and Trait Anxiety Index (STAI), PTBS-Checkliste (PCLC) oder Fatigue-Severity-Scale (FSC) hilfreich sein.

Schlafstörungen können als eigenständige Komplikation oder als Hinweis auf Angst- oder depressive Störung auftreten [20]. Auch somatoforme Störungen werden berichtet [21]. Die anhaltenden Beschwerden, die Sorge vor erneuter Verschlechterung und die Ungewissheit über den langen Krankheitsverlauf können verstärkend wirken. Zudem können auch Anpassungsstörungen und posttraumatische Belastungsstörungen auftreten. Insbesondere nach einem Aufenthalt auf der Intensivstation kann von einem erhöhten Risiko für das Auftreten von Anpassungs- und Belastungsstörungen ausgegangen werden [22].

Therapiemöglichkeiten neuropsychiatrischer Symptome

Es existieren derzeit keine spezifischen Empfehlungen zur Behandlung psychiatrischer Komplikationen des Post-Covid-Syndroms. Das therapeutische Vorgehen sollte daher den existierenden S1-Leitlinien folgen. Neben einer symptomorientierten PsychopharmakoTherapie sollten insbesondere psychotherapeutische Interventionen zur Anwendung kommen. Es wird eine frühzeitige Zusammenarbeit mit Psychiatern und Psychotherapeuten empfohlen. Erste Post-Covid-spezifische Psychotherapieangebote sind bereits entwickelt. Sie greifen die vielfältigen Beschwerden der Betroffenen auf und bieten eine Möglichkeit zur gezielten Behandlung der neurokognitiven und psychiatrischen Beschwerden. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass die Betroffenen vom Austausch mit anderen Erkrankten profitieren. Die meisten Teilnehmenden verfügen nicht über Psychotherapievorerfahrungen und erleben dadurch die Psychoedukation sowie Strategien der kognitiven Verhaltenstherapie als gewinnbringend und hilfreich in der Bewältigung der Alltagsanforderungen. Durch ein gezieltes neurokognitives Training ist im Verlauf in der Regel eine gesteigerte Belastbarkeit zu beobachten. Geplante Evaluationen werden weiteren Aufschluss über den Erfolg solcher Konzepte geben und darüber, wie diese in Zukunft weiterentwickelt werden können.

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PD Dr. med. Kristina Adorjan

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU München

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Dr. med. Hans Christian Stubbe

Medizinische Klinik und Poliklinik II, LMU Klinikum München