Das Commitment des Bundesgesundheitsministers zum Beschluss einer GOÄ-Reform noch in dieser Legislaturperiode erscheint allenfalls lauwarm. Aber es gibt ja noch die alte GOÄ - und Instrumente, mit denen man sie "einsatzfähig" machen kann.

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Als Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf dem Neujahrsempfang der Deutschen Ärzteschaft von Ärztepräsident Klaus Reinhardt die GOÄ-Reform übergeben wurde, kam es zu einer bemerkenswerten Szene. Beide drehten sich zur Kamera, Reinhardt hielt lächelnd den Daumen hoch - und der Minister senkte seinen demonstrativ nach unten. Kein gutes Omen für die neue GOÄ!

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© Georg J. Lopata / axentis.de

Minister Lauterbach mit einem Exemplar der neuen GOÄ.

Eine Möglichkeit, die alte GOÄ effektiv zu nutzen, ist die Nr. 3, eine hausärztliche Standardleistung, deren Wert man über den Multiplikator in einer Weise gestalten kann, die eine neue GOÄ nicht zulassen wird. Vor der notwendigen Begründung beim Ansatz eines höheren Multiplikators sollte man nicht zurückschrecken. Die Nr. 3 kann auch telefonisch erbracht werden, und auch eine indirekte Beratung des Kranken über eine Bezugsperson (Familienangehörige, Pflegekräfte) ist nicht ausgeschlossen.

Wichtig ist auch, dass man bei der mitunter nicht vermeidbaren Kombination mit technischen Leistungen die jeweils höherwertige Abrechnungsvariante wählt. Eine Ergometrie z. B. ist mit 59,66 Euro (2,3-facher Satz) höher bewertet als die Nr. 3 mit 20,10 Euro (2,3-fach). In diesem Fall käme der Ansatz der niedriger bewerteten Nr. 1 (ggf. auch z. B. 3,5-fach gesteigert) mit der Begründung "zeitlich aufwändige Beratung" in Betracht (Tab. 1).

Tab. 1 Fallbeispiel: Abklärung einer Belastungsdyspnoe

Eine weitere Möglichkeit in der alten GOÄ, die wegfallen soll, ist die Abrechnung neu aufgekommener medizinischer Leistungen im Analogverfahren nach § 6 Abs. 2. Problematisch ist dabei allenfalls, dass private Krankenversicherungen die Berechnung solcher Analogziffern mitunter infrage stellen. Beihilfestellen erkennen sie oft sogar grundsätzlich nicht an. Es ist deshalb wichtig, hier sorgfältig vorzugehen und ggf. bereits vorhandene Vorschläge anzuwenden, z. B. solche von Gerichten.

Die Bundesärztekammer führt sogar ein hilfreiches Analogverzeichnis, dessen Einträge in der Regel vor Veröffentlichung mit den Bundesministerien für Gesundheit und Inneres sowie dem PKV-Verband abgestimmt werden (Tab. 2). Beispiele sind die Nr. A659 zur Abrechnung der kontinuierlichen Blutzuckermessung über mindestens 18 Stunden oder die Nr. A4648 für den SARS-CoV-2-Antigentest.

Tab. 2 Wichtige von der Bundesärztekammer empfohlene Analogziffern

Beim Hautkrebsscreening wiederum kann nicht nur die Nr. 750 für die Auflichtmikroskopie zum Ansatz kommen, sondern auch die Nr. 29 mit einem höheren Multiplikator - wegen der "Doppelberatung" (Check-up plus Hautkrebsscreening). Gleiches gilt, wenn bei einem Privatpatienten ein Hepatitis-Screening durchgeführt wird.

Verzeichnis der analogen Bewertungen der Bundesärztekammer: https://go.sn.pub/analogziffern

MMW-Kommentar

Eine solche Vorgehensweise hat aktuell auch politischen Charakter! Die Bundesärztekammer will sich dem Vernehmen nach schnell mit der PKV über die Bewertungen der neuen GOÄ-Leistungen einigen und dem Bundesgesundheitsministerium einen Entwurf vorlegen. Wenn das Ministerium nicht reagiert, soll Druck aufgebaut werden. Die Kammer erwägt zu empfehlen, hochpersönliche Leistungen wie Gespräche oder Untersuchungen nur noch mit einer grundsätzlichen Abweichung von den GOÄ-Regeln anzubieten - z. B. nur noch zum Höchstsatz. Auch könnte man mit der PKV schon jetzt Verträge schließen, die bereits auf der Reform aufbauen.

Das klingt entschlossen, wird aber nur erfolgreich sein, wenn die Ärzteschaft solchen Empfehlungen auch folgt. Ein "Kuscheln" mit dem Bundesminister wie beim Neujahrsempfang in der Nobeletage des KaDeWe in Berlin wird jedenfalls nicht zum Ziel führen.

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Dr. med. Gerd W. Zimmermann

Facharzt für Allgemeinmedizin Kapellenstr. 9 D-65719 Hofheim