Während das Next-Generation-Sequencing Wege für eine individualisierte Krebstherapie eröffnet hat, ist diese hinsichtlich der Unterschiede von Mann und Frau immer noch kein bisschen personalisiert.

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© Klaus Rose / picture alliance (Symbolbild mit Fotomodellen)

Chemotherapie: Männer und Frauen reagieren darauf unterschiedlich.

Gender und biologisches Geschlecht finden in der onkologischen Forschung noch wenig Beachtung, sagte Dr. Céline Lugnier, Bochum, auf dem Symposium "Close the Care Gap" in Wien. Viele Medikamente wurden nur unzureichend an Frauen getestet. Der Bias beginne schon in der Präklinik: In Tierversuchen werden v. a. Männchen verwendet, so Lugnier.

Dabei hat das Geschlecht einen erheblichen Einfluss auf Pharmakokinetik und -dynamik. Männer und Frauen weisen unterschiedliche genetische Polymorphismen z. B. der Cytochrom-P-Enzyme in der Leber auf, unterschiedliche Hormone, einen unterschiedlichen Körperfettanteil und auch Unterschiede im Immunsystem. Die Effekte wirken sich auf die Häufigkeit von Nebenwirkungen aus. 1997-2000 wurden in den USA 8 von 10 Medikamenten wegen Nebenwirkungen ausschließlich oder vorrangig bei Frauen vom Markt genommen. Bei neu eingeführten Medikamenten in Großbritannien war das relative Risiko für Frauen, eine unerwünschte Reaktion zu entwickeln, um 43-69% erhöht [1]. Das findet sich auch in der Krebstherapie wieder.

Bei der adjuvanten Chemotherapie des kolorektalen Karzinoms weisen Frauen nach der ACCENT-Studie unter verschiedenen Regimen höhere Nebenwirkungsraten auf als Männer. Das gilt für hämatologische Toxizitäten ebenso wie Nausea und Erbrechen, Stomatitis oder auch das Hand-Fuß-Syndrom [2]. Frauen entwickeln aufgrund einer unterschiedlichen Metabolisierung viel öfter toxische Spiegel von 5-Fluorouracil als Männer.

Auch Überlebensvorteile können bei Männern und Frauen unterschiedlich sein. In der XELAVIRI-Studie profitierten Männer mit metastasiertem kolorektalem Karzinom klar von der initialen Gabe von Irinotecan in Kombination mit Fluoropyrimidinen und Bevacizumab, die Frauen nicht [3]. Es gibt also Daten zur Relevanz der Frage Gender und Sex, es fehlt aber an der prospektiven Erhebung und Umsetzung solcher Erkenntnisse in die klinische Praxis, be-klagte Lugnier.

Quelle: Symposium "Close the Care Gap" zur Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie, 7.-10.10.2022, Wien