Bei der ambulant erworbenen Pneumonie nehmen Hausärztinnen und Hausärzte eine Schlüsselstellung ein: Wann liegt eine solche Erkrankung der Atemwege vor? Mit welchen Antibiotika muss sie behandelt werden? Wann sollte eine Einweisung ins Krankenhaus erfolgen? Welche Besonderheiten gelten für Pflegeheimpatienten?

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Atemwegsinfektionen gehören zu den meist verbreitesten Gründen für Konsultationen in der Hausarztpraxis. Darüber hinaus sind sie eine der wichtigsten und häufigsten Indikationen für eine Antibiotikaverschreibung im ambulanten Bereich.

Die ambulant erworbene Pneumonie (community acquired pneumonia, CAP) ist die häufigste durch eine Infektion bedingte Todesursache in Deutschland. Schätzungswiese 600.000 Menschen erkranken im Jahr an einer CAP, und etwa 300.000 werden im Krankenhaus behandelt. Etwa 80% der Letzteren haben einen leichtgradigen Verlauf, 20% sind vital bedroht. Die Sterblichkeit im Krankenhaus beträgt unverändert über alle Schweregrade hinweg etwa 13%, im ambulanten Bereich < 1%. In ca. der Hälfte der Fälle ist die Pneumonie allerdings bei deutlich eingeschränkter Funktionalität, hohem Lebensalter bzw. Komorbiditäten ein terminales Ereignis.

Der Hausarzt kennt die Gesamtsituation

Der Hausärztin und dem Hausarzt kommt daher mehrfach eine Schlüsselfunktion zu. Zunächst gilt es, die Arbeitsdiagnose "ambulant erworbene Pneumonie" zu sichern, da in diesem Fall eine rasche kalkulierte Antibiotikatherapie erforderlich ist, welche bei viralen oberen Atemwegsinfekten unterbleiben sollte. Daneben ist die Identifizierung von Patienten, die ambulant behandelt werden können und denjenigen, die im Sinne einer Risikoevaluation stationär eingewiesen und behandelt werden sollten, von hoher prognostischer Bedeutung.

In diesem Zusammenhang bedarf die Gruppe der Patienten mit deutlich eingeschränkter Funktionalität bzw. Pflegebedürftigkeit einer besonderen Betrachtung: Der Hausarzt sollte die Gesamtsituation der Patientin/des Patienten kennen, um das Therapieziel - kurativer Ansatz oder eine primär palliativmedizinische Begleitung - festlegen zu können. Die für die Hausarztpraxis praktisch relevanten Gesichtspunkte im Management dieser Patienten werden im Folgenden erörtert. Grundlage ist die kürzlich aktualisierte S3-Leitlinie zur ambulant erworbenen Pneumonie [1].

20% der im Krankenhaus behandelten ambulant erworbenen Pneumonien verlaufen vital bedrohlich.

Begriffsbestimmung und Abgrenzung

Die ambulant erworbene Pneumonie ist einerseits über den Ort des Erwerbs (außerhalb des Krankenhauses) definiert, andererseits über die Immunität des Patienten (immunkompetent). Diese Kriterien ziehen entsprechende prognostische und therapeutische Implikationen aufgrund des zu berücksichtigenden Erregerspektrums nach sich.

Patienten, die innerhalb der letzten sechs Monate vor dem aktuellen Pneumonieereignis hospitalisiert waren, haben ein gewisses Risiko für nosokomiale bzw. multiresistente Erreger (MRE), ähnlich wie Dialysepatienten und Patienten mit häufigeren Antibiotikatherapien. Diese werden jedoch aufgrund fehlender Trennschärfen nicht grundsätzlich anders eingeordnet.

Die Inzidenz der CAP steigt mit jeder Lebensdekade, und ab 65 Jahren steigt auch das Sterberisiko deutlich an. Patienten, die im Senioren- bzw. Pflegeheim betreut werden, stellen eine besondere prognostische Subgruppe dar, weniger aufgrund des Erregerspektrums, sondern in Bezug auf Alter, Komorbiditäten und funktionellem Status (von weitgehender Selbstständigkeit über Notwendigkeit der pflegerischen Unterstützung bis zur permanenten Bettlägerigkeit) mit entsprechend hohem Letalitätsrisiko [2]. Wichtig ist daher bei dieser Gruppe, die hausärztlichen Therapieziele im Einklang mit dem Patienten bzw. den Angehörigen im Sinne eines kurativ intendierten Ansatzes inklusive Krankenhauseinweisung oder eines palliativ symptomorientierten Vorgehens, ggf. Krankenhausbehandlung aus pflegerischen Gründen, festzulegen (Tab. 1).

Tab. 1 Gruppierungen der ambulant erworbenen Pneumonie [mod. nach 1]

Grundsätzlich abzugrenzen und gesondert zu betrachten ist die Pneumonie bei schwerer Immunsuppression. Hierzu zählen beispielsweise Patienten mit aktiver hämato-onkologischer Erkrankung und Neutropenie (< 1.000 Neutrophile/μl), Organ- bzw. Stammzelltransplantation, angeborene oder erworbene Immundefekte, bei iatrogener medikamentöser Immunsuppression wie systemische Steroide ≥ 20 mg Prednisolonäquivalent/d über > 14 Tage.

Klinik und Diagnostik der Pneumonie: Was ist erforderlich?

Zu den klinischen Symptomen, die differenzialdiagnostisch an eine Pneumonie denken lassen, gehören Atemwegssymptome wie Husten und Auswurf, ggf. Luftnot. Daneben zählen Allgemeinsymptome wie Fieber, Abgeschlagenheit, Myalgien und Cephalgien, sog. "grippale Symptome", manchmal auch atemabhängige thorakale Schmerzen oder Durchfall dazu. Gerade bei älteren Patienten kann Fieber fehlen, und im Vordergrund steht eine Bewusstseinstrübung oder Desorientiertheit (engl.: confusion).

Da die beschriebenen Symptome nicht spezifisch sind, besteht die Herausforderung darin, einen in der Regel viral bedingten oberen oder unteren Atemwegsinfekt von einer bakteriell verursachten Pneumonie, die einer zeitgerechten Antibiotikatherapie bedarf, abzugrenzen bzw. unnötige Antibiotikaverschreibungen zu vermeiden. Nach einer aktuellen Metaanalyse ist der "klinische Eindruck" weiterhin der beste Prädiktor einer Pneumonie [3]. Hierzu gehören auch die körperlichen Untersuchungsbefunde mit Auskultation sowie das Fehlen von Vitalparametereinschränkungen (normale Atemfrequenz und Sauerstoffsättigung).

Die in den letzten drei Jahren häufigste Atemwegsinfektion mit dem COVID-19-Virus zeigt eine ähnliche Symptomatik mit Husten, Fieber und Allgemeinsymptomen. Der nahezu pathognomonische Geruchs- und Geschmackssinnverlust wird in etwa 20% der Fälle beobachtet. Bei einem geringeren Teil der Patienten tritt eine COVID-19-Pneumonie erst in der zweiten Krankheitswoche nach Symptombeginn mit einer deutlichen klinischen Verschlechterung im Rahmen der pulmonalen bzw. inflammatorischen Phase ein.

Durch die weitgehende Immunisierung der Bevölkerung und der vorherrschenden, häufig weniger schwer verlaufenden Omikron-Variante ist die Fallschwere erheblich reduziert worden [4]. Ein solcher pneumonischer Verlauf ist aktuell bei ungeimpften Risikopersonen oder solchen mit schwerer Immunsuppression in Betracht zu ziehen bzw. als bakterielle Superinfektion bei COVID-19-Infektion.

Untersuchungsbefunde, die auf eine Pneumonie hinweisen

  • Inspiratorische Rasselgeräusche bzw. Bronchialatmen

  • Abgeschwächtes Atemgeräusch bzw. Klopfschalldämfung bei parapneumonischer Ergussbildung.

  • Weitere Merkmale sind als Risikoparameter weiter unten aufgeführt.

Röntgenaufnahme des Thorax anstreben

Wenngleich die klinische Untersuchung mit Inspektion, Perkussion und Auskultation erforderlich ist und wegweisend sein kann, sollte auch im ambulanten Bereich eine Röntgenthorax-Aufnahme in zwei Ebenen wo immer möglich angestrebt werden. Doch auch diese Untersuchung hat beim Infiltratnachweis gerade bei leichtem Verlauf bzw. im Initialstadium ihre Limitationen und ist somit ggf. bei jüngeren Patienten ohne Risikofaktoren verzichtbar. Die Röntgenthorax-Aufnahme liefert wichtige Informationen über die pulmonalen Ausbreitung (mono- bzw. multilobulär, uni- bzw. bilateral) (Abb. 1) und mögliche Komplikationen wie Pleuraerguss- oder Abszessbildung. Mit ihr kann das Risiko im Verlauf abgeschätzt und entschieden werden, ob eine Klinikeinweisung notwendig ist. Daneben gibt sie Hinweise zu Differenzialdiagnosen bzw. Begleitumständen wie einer Herzinsuffizienz mit Stauung oder einem Malignom (Lungenkrebs). Sie dient als Ausgangsbefund, falls eine Verlaufskontrolle indiziert ist, z. B. bei Rauchern (nach ca. 4-6 Wochen).

Abb. 1
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© SHG-Kliniken Völklingen

Röntgenthorax-Aufnahme einer 54-jährigen Patientin mit Adipositas, Diabetes mellitus und ambulant erworbener Pneumonie mit umfangreicher (multilobulärer) Ausbreitung rechts.

Eine Sputummikrobiologie hat keinen diagnostischen Zugewinn und sollte unterbleiben.

Der Stellenwert von Entzündungsparametern wie C-reaktives Protein (CRP) oder Point-of-care-Polymerase-Kettenreaktion (PCT) in der Primärdiagnostik, insbesondere zur Entscheidung eines Antibiotikaeinsatzes, ist nach wie vor nicht geklärt und kann nicht generell empfohlen werden [5].

Risikoeinschätzung zum Management ist obligat

Neben der ärztlichen Einschätzung des Patienten hat sich der einfach zu erhebende Risikoscore CRB-65 auch in der Praxis bewährt, um Patienten mit einem niedrigen Letalitätsrisiko zu identifizieren sowie die Entscheidung für eine ambulante Behandlung zu treffen (Tab. 2).

Tab. 2 CRB-65-Score zur Risikoevaluation im ambulanten Bereich

Aufgrund einer gewissen Limitation des Scores bei älteren Patienten und Pflegeheimbewohnern sollte bei diesen die Funktionalität im Alltag berücksichtigt werden. Ist der Patient nicht bettlägerig, fehlen etwaige instabile Begleiterkrankungen und liegt keines der Schweregradkriterien Atemfrequenz ≥ 30/min., Blutdruck < 90 mmHg systolisch bzw. ≤ 60 mmHg diastolisch, Sauerstoffsättigung ≤ 92% oder neue Bewusstseinsstörung vor, kann eine ambulante Behandlung erfolgen. Weitere Voraussetzungen sind jedoch auch die soziale Situation des Patienten und eine verlässliche Tabletteneinnahme.

Das Alter ist zwar ein Risikofaktor, sollte für sich genommen jedoch nicht als Kriterium für oder gegen eine ambulante Behandlung herangezogen werden. Eine ärztliche Re-Evaluation mittels o. g. klinischer Kriterien und des Fieberverlaufs sollte nach 48- 72 Stunden erfolgen, um eine mögliche Verschlechterung des Patienten und erforderliche sekundäre Klinikeinweisung nicht zu verpassen.

Antibiotikatherapie im ambulanten Bereich

Standard ist weiterhin eine pneumokokkenwirksame Substanz, Therapie der Wahl bei Fehlen von relevanten Begleiterkrankungen Amoxicillin (Tab. 3). Als Alternative, z. B. bei Penicillinallergie, sind Doxycyclin oder ein Makrolid möglich. Bei letzterer Substanzgruppe ist aufgrund medikamentöser Interaktionsrisiken bei Clarithromycin, insbesondere mit Statinen und Antikoagulanzien, Azithromycin zu bevorzugen. Fluorchinolone wie Levofloxacin und Moxifloxacin sind in dieser Indikation aufgrund ihres Nebenwirkungsspektrums zurückhaltend einzusetzen und nicht erste Wahl.

Tab. 3 Antibiotikatherapieoptionen der ambulant erworbenen Pneumonie in der Praxis (Erläuterungen im Text) (mod. nach [1])

Ganz verzichtet werden sollte auf orale Cephalosporine aufgrund ihrer geringen Bioverfügbarkeit, des Selektionspotenzials von Extended-Spectrum-Betalaktamasen(ESBL)-Keimen sowie einer Clostridium-difficile-assoziierten Diarrhö.

Eine Therapiedauer von fünf Tagen ist bei klinischer Stabilität ausreichend.

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Prof. Dr. med. Harald Schäfer

Chefarzt, Innere Medizin - Pneumologie, Thorakale Onkologie, Palliativmedizin, Infektiologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin, Lungenzentrum Saar, SHG Kliniken Völklingen