Ihr Patient ist deutlich unter 60 und spricht auf Glukokortikoide nicht an? Dann ist es sehr wahrscheinlich keine Polymyalgia rheumatica.

Polymyalgia rheumatica (PMR) lässt sich nur klinisch diagnostizieren, beweisende serologische Marker gibt es nicht. Der Münchner Rheumatologe Prof. Klaus Krüger warnte vor falschen Interpretationen PMR-ähnlicher Krankheitsbilder und Befunde: "Hinter Verlegenheitsdiagnosen wie 'V. a. atypische Polymyalgia rheumatica' steckt meist eine Fehldiagnose."

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© Biagenturfotografin, Stock Adobe (Symbolbild mit Fotomodellen)

Stimmt die Diagnose PMR?

EULAR-Kriterien mit Schwächen

Dass etwas nicht stimmt, kann der Arzt an konkreten Hinweisen erkennen, z. B. wenn der Patient zu jung für eine PMR ist. "Unter 60 Jahren kommt sie eigentlich nicht vor", so Krüger. Weitere Verdachtsmomente ergeben sich bei asymmetrischem Auftreten der Beschwerden sowie eher zögerlichem Ansprechen auf die in der S3-Leitlinie [1] empfohlene Therapie. Krüger: "Wenn sich auf die Gabe von Glukokortikoiden nichts tut, steckt eine andere Diagnose dahinter." Die gravierendste Differenzialdiagnose sei das paraneoplastische Syndrom, aber auch eine Endocarditis lenta könne vom klinischen Bild her der PMR ähneln. Weniger relevant ist nach Krüger die Verwechslung mit der - wesentlich häufigeren - "polymyalgiformen" Altersform der rheumatoiden Arthritis. Wie bei der PMR seien auch hier Glukokortikoide und Methotrexat wirksam. Die Abgrenzung gelinge ohnehin meist erst im Verlauf.

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Aktuelle Berichte vom Ortho Trauma Update, 4.-5. März 2022, Berlin/online

Die Kriterien der Fachgesellschaften EULAR und ACR zur Klassifikation der PMR stammen aus dem Jahr 2012 [2]. Sie sind zwar noch gültig, Krüger zufolge aber "nicht ohne Schwächen". Dazu gehöre die Vorbedingung, dass bei PMR erhöhte CRP- und BSG-Werte vorliegen müssen (Tab. 1). Bei 5-10 % der Patienten sei das nicht der Fall, so der Rheumaexperte.

Tab. 1 Kriterien für das Vorliegen einer Polymyalgia rheumatica (PMR)*

Hier muss der Spezialist ran

Fallstricke gibt es auch beim Management der PMR. So entwickelt etwa jeder fünfte Patient im Verlauf der Erkrankung eine Arteriitis. Um drohende Gefäßverschlüsse zu vermeiden, müsse man "aggressiver" therapieren, so Krüger, denn: "Arteriitis bedeutet Risiko einer plötzlichen Erblindung." Daran denken sollte man, wenn sich plötzlich die Symptomatik verändert, z. B. Entzündungszeichen wieder deutlich zunehmen.

In den folgenden Fällen rät Krüger, einen Spezialisten hinzuzuziehen:

  • atypische Zeichen und Symptome (z. B. periphere Arthritis, systemische Symptome, BSG/CRP niedrig, Alter < 60),

  • hohes Risiko für glukokortikoidbezogene Nebenwirkungen,

  • refraktärer Verlauf unter Glukokortikoidtherapie,

  • häufige Rezidive,

  • sehr langer Verlauf trotz Therapie.

Startdosis nicht zu hoch wählen

Patienten mit unkomplizierter PMR können in der primärärztlichen Praxis behandelt werden. Laut Leitlinie reicht eine Prednisolondosis von 15-25 mg als Startdosis fast immer aus. Krüger zufolge sollte man diesen Bereich tatsächlich nicht überschreiten: "Je höher Sie die Startdosis wählen, desto schwieriger wird es, von diesen Dosen wieder runterzukommen." Bei hohem Kortikoidbedarf könne man Methotrexat dazugeben, riet der Experte. Allerdings: "MTX wirkt nicht in der Monotherapie, sondern nur zur Glukokortikoideinsparung." Biologika sind für die PMR weder untersucht noch zugelassen.