Die Röntgen-Thorax-Aufnahme wird oft zur ersten Abklärung von Beschwerden im Brustraum herangezogen. Um akute, möglicherweise lebensbedrohliche Befunde zu erkennen, müssen die Aufnahmen systematisch beschrieben und interpretiert werden. Die Limitationen dieser Technik zu kennen hilft, über weiterführende Untersuchungen zu entscheiden. Der folgende Beitrag führt wesentliche Aspekte der Befundung und relevante radiologische Diagnosen auf.

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© gorodenkoff / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

In Deutschland ist die Anwendung von Röntgenstrahlen am Menschen durch das Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) geregelt. Demnach benötigen alle Personen eine Fachkunde im Strahlenschutz, die eine Röntgeneinrichtung betreiben, selbstständig Strahlen anwenden oder die rechtfertigende Indikation stellen. In Minimalform ist diese als "Fachkunde Strahlenschutz Notfalldiagnostik" zu erwerben und spätestens nach 5 Jahren zu aktualisieren [1, 2].

Indikation

Zu Beginn steht die Anamneseerhebung und körperliche Untersuchung des Thorax. Häufige Symptome, die eine Röntgen-Thorax-Aufnahme rechtfertigen, sind Schmerzen im Brustraum, Husten, Dyspnoe, B-Symptomatik, Entzündungszeichen, reduzierter Allgemeinzustand oder Dysphagie [2]. Bei passender Klinik kann die rechtfertigende Indikation zur Durchführung einer Röntgenaufnahme gestellt werden.

Nutzen-Risiko-Abwägung

Die Indikationsstellung zur Röntgen-Thorax-Aufnahme erfolgt individuell. Die Untersuchung des Thorax ist im Vergleich zu anderen Röntgenaufnahmen (z. B. der Lendenwirbelsäule (LWS): 5,0 mSv) und der natürlichen jährlichen Strahlenexposition (2,4 mSv) mit einer geringeren Gewebsabsorption und einer geringeren Strahlenbelastung (0,2 mSv) verbunden. Daher wird bei passender Symptomatik früh auf diese Methodik zurückgegriffen [2, 3]. Neben der Symptomatik sind für die Risiko-Nutzen-Abwägung auch weitere Faktoren wie das Alter oder die Vorgeschichte des Patienten entscheidend [2].

Bildinterpretation

Röntgenanatomie

Bei der Projektionsaufnahme des Thorax kommt es zur Überlagerung wichtiger Strukturen. Um eine Röntgen-Thorax-Aufnahme richtig zu befunden, sind anatomische Grundkenntnisse von essenzieller Bedeutung. Das Wissen über randbildende Strukturen in der Aufnahme erleichtert die Zuordnung pathologischer Befunde zu den jeweiligen Organen. In p.a.-Projektion wird der rechte Mediastinalrand von kranial nach kaudal von der Vena cava superior, der Vena azygos, dem rechten Vorhof und gelegentlich von der Vena cava inferior begrenzt. Den linken Mediastinalrand bilden Aortenbogen, Truncus pulmonalis, das linke Herzohr und der linke Ventrikel [4].

Strukturierte Befundung

Die Befundung von Röntgenaufnahmen sollte stets nach einem festgelegten Schema erfolgen. Dadurch kann verhindert werden, dass durch einen auffälligen Nebenbefund ein weniger auffälliger, dafür therapieentscheidender Hauptbefund übersehen wird. Das Schema sollte alle Bildabschnitte beinhalten. Ein grobes Befundungsschema könnte wie folgt aussehen [4]:

  1. 1.

    Technik und Aufnahmequalität:

  2. Bestimmung der Projektion

  3. Ausschluss einer Rotationsfehlstellung

  4. Adäquate Inspirationstiefe

  5. Angemessene Belichtung

  6. 2.

    Mediastinum:

  7. Größe, Lage und Konfiguration des Herzens

  8. Breite und Lage von Trachea und oberem Mediastinum

  9. Konfiguration der Hili

  10. 3.

    Zwerchfell:

  11. Glatte Kontur der Zwerchfellkuppeln

  12. Scharf abgrenzbare und spitzwinklige Randwinkel

  13. 4.

    Lunge und Pleura:

  14. Weite der Lungengefäße

  15. Freie Belüftung der Lungen vs. fokale/diffuse Transparenzänderungen

  16. Verlauf der Interlobärspalten

  17. Dicke, Verkalkungen oder Doppelkontur der Pleura

  18. 5.

    Weichteilmantel und Skelett:

  19. Symmetrie der Mammaschatten mit abgrenzbaren Mamillen

  20. Homogener Thoraxmantel

  21. Ausschluss freier Luft im Abdomen sowie von dilatierten Darmschlingen

  22. Kontinuierlich abgrenzbare Rippen

  23. Korrekte Herausdrehung des Schultergürtels

  24. Brustwirbelsäule (BWS)

  25. 6.

    Fremdmaterial:

  26. Korrekte Lage von Tubus, Drainagen, Schrittmacher, Port, zentralen Venenkatheter etc.

Dichteunterschiede

Röntgenstrahlen bilden Objekte anhand ihrer Dichte ab. Insgesamt kann man vier grundlegende Dichten voneinander unterscheiden. Luft erscheint schwarz und lässt sich meistens in apikalen Bildabschnitten darstellen. Knochen oder Metall hingegen erscheinen weiß. Wasser oder Weichgewebe erscheinen weiß bis grau, wohingegen sich Fett grau darstellt [6].

Pathologische Befunde werden sichtbar, wenn sich die Dichtewerte der Strukturen verändern. So ist die Transparenz bei einem Pneumothorax, einer Kaverne, einem Lungenemphysem oder einer Lungenbullae erhöht. Eine herabgesetzte Transparenz kann z. B. auf eine Pneumonie, eine Atelektase, einen Tumor, eine Fibrose oder auf einen Pleuraerguss hinweisen [2].

Wichtige Befunde

Kardiomegalie

Der häufigste Grund für eine Kardiomegalie ist eine Dilation der Vorhöfe oder Ventrikel. In der Röntgendiagnostik wird diese durch die sogenannte kardiothorakale Relation abgeschätzt. Hierbei wird der maximale horizontale Durchmesser der Herzbreite mit dem breitesten inneren Lungendurchmesser ins Verhältnis gesetzt (Abb. 1). Misst die Herzbreite mehr als die Hälfte des Thoraxdurchmessers (Quotient > 0,5), gilt das Herz als pathologisch vergrößert [4]. Spezifische kardiale Pathologien sollten allerdings echokardiografisch oder mittels kardialer Schnittbildverfahren z. B. Kardio-MRT oder -Computertomografie (CT) beurteilt werden [2].

Abb. 1
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Abschätzung der kardiothorakalen Relation: Herz-Thorax-Quotient. a) Normalbefund. b) Kardiomegalie mit Stauungsödem.

Pulmonalvenöse Stauung

Eine pulmonalvenöse Stauung tritt häufig als Folge einer Linksherzinsuffizienz z. B. bei Mitralklappenvitien auf. Durch einen Rückstau in die Lungenvenen mit konsekutiver Druckerhöhung resultiert ein Flüssigkeitsaustritt ins pulmonale Interstitium und in die Alveolen. Zunächst zeigt sich eine vermehrte Lungengefäßzeichnung mit basoapikaler Umverteilung bei vermehrter Perfusion der apikalen Lungenabschnitte. Bei einer a.p.-Aufnahme am liegenden Patienten ist dieses Phänomen aufgrund der hydrostatischen Druckverhaltnisse allerdings nicht zu werten. Bei fortschreitender venöser Stauung bilden sich die hilären Gefäße unscharf ab. Tritt intravasale Flüssigkeit ins Interstitium aus, sind auch Zwerchfellkuppeln und Herzränder betroffen. Häufig führt die interstitielle Flüssigkeitsansammlung im Röntgen zu einer Verdickung der Interlobärsepten.

Als Kerley-B-Linien lassen sich diese 1-2 cm messenden, horizontalen Verdichtungslinien im Lungenmittel- oder Unterfeld nahe der lateralen Thoraxwand abgrenzen [4]. Seltener befinden diese sich apikal (Kerley-A-Linien) oder zentral (Kerley-C-Linien) [2]. Weitere Hinweise sind das Schmetterlingsödem im Bereich der Hili und im späten Stadium, durch Austritt des Ödems in die Alveolen, konfluierende Fleckschatten. Weitere Zeichen wie eine Kardiomegalie oder pleurale Ergüsse, die auf eine Herzinsuffizienz hinweisen können oder auf eine unter Umständen schnelle Verlaufsdynamik, z. B. nach Medikamentengabe, helfen bei der Diagnosefindung [4].

Pleuraerguss

Pleuraergüsse beschreiben eine pathologische Flüssigkeitsansammlung zwischen viszeraler und parietaler Pleura [2]. Häufig entstehen diese aufgrund einer Nieren- oder Herzinsuffizienz, gelegentlich auch bei entzündlichen oder malignen Prozessen. Da sich Flüssigkeitsansammlungen ungehindert im Pleuraspalt ausbreiten können, zeigen sich oft flächige, homogene Transparenzminderungen bis hin zu einer Mediastinalverschiebung zur Gegenseite [4]. Abhängig von der Körperposition des Patienten kann sich die Röntgenmorphologie jedoch unterscheiden [2].

Bei Aufnahmen in p.a.-Projektion zeigen sich zunächst Verschattungen der Randsinus, bei ausgedehnten Ergüssen lassen sich laterale, meniskusartige Transparenzminderungen abgrenzen [4]. Schwieriger ist es, einen Pleuraerguss in a.p.-Projektion zu identifizieren, in der der Erguss zunächst ein gewisses Ausmaß erreicht haben muss, um zu einer Auslöschung der Zwerchfell- bzw. Herzkontur zu führen. Die Ergussmenge ist im Röntgenthorax nicht sicher zu quantifizieren. Allerdings sind eine Verlaufsbeurteilung und die Bewertung des restlichen ventilierten Lungenparenchyms möglich [2]. Als ergänzendes Diagnostikum kann zur Bestimmung der Ergussmenge und für eine Verlaufskontrolle ebenfalls eine Sonografie durchgeführt werden [4].

Pneumonie

Bei der Pneumonie handelt es sich um entzündliche, alveoläre oder interstitielle Flüssigkeitsansammlungen, die meist Folge von infektiösen, seltener allergischen, physikalischen oder chemischen Noxen sind [2, 5]. Die Korrelation mit klinischen Symptomen und Laborparametern hilft häufig bei der Diagnosefindung. Typischerweise lässt sich ein positives Bronchopneumogramm abgrenzen, dass durch einen Dichteunterschied der belüfteten Bronchien im Bereich des Infiltrats entsteht. Eine meist durch Pneumokokken oder Klebsiellen verursachte Lobärpneumonie geht mit einer flächigen Transparenzminderung eines Lungenlappens einher (Abb. 2a). Meist zeigen sich interstitielle oder Bronchopneumonien mit einem streifig-retikulären Infiltrationsmuster und fleckigen, zum Teil konfluierenden Verschattungen (Abb. 2b) [4]. Eine durch COVID-19 bedingte Pneumonie zeigt Abb. 2c, die sich typischerweise mit in Mittel- und Unterfeldern bevorzugten, peripher betonten, fleckigen, zum Teil konfluierenden Verdichtungen darstellt.

Abb. 2
figure 3

Ausprägungen im Röntgenbild a) einer Lobärpneumonie im rechten Oberlappen, b) einer Bronchopneumonie und c) einer COVID-19-Pneumonie.

Die Röntgen-Thorax-Aufnahme dient in erster Linie zur Verlaufskontrolle und Abschätzung des Schweregrads anhand des Parenchymbefalls [7]. Insbesondere bei immunsupprimierten Patienten können als mögliche Komplikation Abszesse auftreten, die als zentrale Einschmelzungen (ggf. mit Spiegelbildung) von Verdichtungen sichtbar werden [4]. Verlaufskontrollen nach 6 Wochen sollten bei chronischer Lungenerkrankung, bei Rauchern oder einem Alter über 50 Jahren durchgeführt werden [8].

Atelektase

Eine Atelektase bezeichnet die fehlende Belüftung von Lungenabschnitten. Sie führt zu einer Volumenreduktion des betroffenen Areals und zeigt sich als flächenhafte Transparenzminderung im Röntgen. Davon abzugrenzen sind Dystelektasen, die eine Minderbelüftung der Lungenabschnitte beschreiben und häufiger als noch inkomplette, streifige Transparenzminderung abzugrenzen sind. Je nach Lokalisation stellen sich Atelektasen unterschiedlich dar. Typischerweise kommt es zu einer Volumenreduktion, wodurch benachbarte Strukturen zu den unbelüfteten Lungenabschnitten hingezogen werden können. Davon abzugrenzen sind Pleuraergüsse, die sich ebenfalls homogen transparenzgemindert, jedoch raumfordernd darstellen [4].

Tumor

Die häufigsten tumorösen Transparenzminderungen bei Erwachsenen basieren meist auf einem Bronchialkarzinom. Neben der Raumforderung können auch Komplikationen im Röntgen sichtbar werden. Infiltriert der Tumor z. B. den Hauptbronchus, kann es zur Ausbildung einer Atelektase mit Mediastinalverschiebung zur betroffenen Seite und ipsilateralem Zwerchfellhochstand kommen. Kleine Metastasen werden häufig übersehen. Abb. 3 zeigt bereits fortgeschrittene pulmonale Metastasen im Röntgenthorax. Bei bekannter maligner Grunderkrankung oder Detektion eines unklaren Rundherdes erfolgt eine ergänzende CT des Thorax. Häufige Primärtumoren bei Lungenmetastasen finden sich in den Mammae, den Nieren, im HNO-Bereich, im kleinem Becken oder im Darm. Bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen lassen sich ebenfalls Knochenmetastasen oder maligne Pleuraergüsse im Röntgenthorax darstellen [4].

Abb. 3
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Bronchialkarzinom im Röntgen-Thorax. a) Bronchialkarzinom (x) mit pulmonalen Metastasen (→). b) Pulmonal metastasiertes Kolonkarzinom mit malignem Begleiterguss links.

Pneumothorax

Gelangt Inspirationsluft in den Pleuraspalt und hebt das Vakuum zwischen der parietalen und viszeralen Pleura auf, liegt ein Pneumothorax vor. Folglich kollabiert der Lungenflügel der betroffenen Seite aufgrund seiner Eigenelastizität und wird in Richtung des Hilus gezogen. Ursächlich dafür sind häufig kleinere Emphysembullae im Bereich der apikalen Oberlappensegmente, aufgrund dessen bei der Befundung eines Röntgenthorax v. a. diese Abschnitte durchgemustert werden sollten. Daneben kann ein Pneumothorax aber auch iatrogen, z. B. nach Pleurapunktion oder traumatisch bedingt sein.

Typischerweise resultiert bei einem Mantelpneumothorax eine feine Haarlinie mit lateral davon fehlender Lungengefäßzeichnung (Abb. 4c). Als mögliche Komplikation kann durch einen Ventilmechanismus bei Inspiration Luft in den Pleuraspalt gelangen, bei Exspiration jedoch nicht mehr entweichen. Dadurch kann es zur Überblähung der betroffenen Seite und zu einer Behinderung des venösen Rückstroms zum Herzen kommen, wodurch die notfallmäßige Anlage einer Drainage notwendig wird (Abb. 4b). Im Röntgenbild zeigt sich ein sogenannter Spannungspneumothorax durch eine Volumenzunahme der betroffenen Lunge, einen ipsilateralen Zwerchfelltiefstand und eine Mediastinalverlagerung zur Gegenseite (Abb. 4a) [4].

Abb. 4
figure 5

a) Spannungspneumothorax bei einem Patienten mit Atemnotsyndrom bei COVID-19-Pneumonie. b) Patient aus Abb. 4a mit Weichteilemphysem nach Drainagenanlage. c) Mantelpneumothorax bei Lungenfibrose.

Limitationen

Die Röntgenaufnahme des Thorax ist eine Projektionsaufnahme, mit deren Hilfe dreidimensionale Strukturen auf einer zweidimensionalen Ebene visualisiert werden. Infolge dessen kommt es allerdings zu einer Überlappung der verschiedenen Strukturen, weshalb wichtige Pathologien übersehen werden können. Des Weiteren gilt für die konventionelle Thoraxaufnahme, dass kleinere Läsionen mit einer Größe von bis zu 1 cm oftmals nicht sichtbar gemacht werden können. Außerdem können mittig gelegene oder vaskuläre Strukturen nicht hinreichend dargestellt werden [4, 9].

Weiterführende Diagnostik mittels CT

Wurde durch den Röntgenthorax eine Pathologie entdeckt, ist der Krankheitsverlauf länger als gewöhnlich oder möchte man Strukturen untersuchen, die anhand des Röntgenbilds nicht sicher identifiziert werden können, wird häufig eine CT des Thorax durchgeführt. Diese dient v. a. zur Einordnung maligner Erkrankungen, Darstellung benachbarter Strukturen und zur Beurteilung pleuraler Erkrankungen. Nach der Gabe von Kontrastmittel können v. a. vaskuläre Strukturen gut dargestellt werden. Bei Patienten mit bekannter Kontrastmittelallergie oder eingeschränkter Nierenfunktion ist dies jedoch nur eingeschränkt möglich. Darüber hinaus stellt die Strahlenbelastung eine weitere Limitation dieser Methode dar [8].

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Dr. med. Elena Nelles

Zentrum für Radiologie HELIOS Universitätsklinikum Wuppertal