Das Fachgebiet der Kardiologie hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Dies betrifft auch die Diagnose und Therapie der chronischen koronaren Herzkrankheit mit stabiler Angina pectoris (AP), die im Jahr 2019 von der European Society of Cardiology (ESC) als chronisches Koronarsyndrom (chronic coronary syndrome, CCS) neu definiert wurde [1].

In vielen Aspekten zeigt sich das CCS-Patientenkollektiv* mittlerweile als sehr heterogen. Auf pathophysiologischer Ebene spielen neben der klassischen epikardialen Stenosierung mikrovaskuläre oder endotheliale Dysfunktionen eine wichtige Rolle [2]. Die Lebensqualität der Patienten wird besonders durch die Symptome des CCS bestimmt. Hier spielt neben der AP besonders die Belastungsdyspnoe eine wichtige Rolle. In der aktuellen ESC-Leitlinie zu Diagnose und Management des CCS wird die Dyspnoe aufgrund ihrer Bedeutung als AP-Äquivalent entsprechend hervorgehoben [1]. Unterschiedliche Symptommanifestationen bei Patienten mit CCS sind vor allem im Kontext geschlechterspezifischer Unterschiede relevant [3]. Hinzu kommt, dass CCS-Patienten eine breite Frequenz von AP-Attacken beschreiben - von weniger als einmal monatlich bis täglich [4].

Dieses hohe Maß an Heterogenität wird noch dadurch erweitert, dass Brustschmerz in hausärztlichen Praxen in weniger als 20% der Fälle kardial bedingt ist [5]. Die Unterscheidung zwischen kardialem und nicht-kardialem Brustschmerz erweist sich vor dem Hintergrund der Vielzahl an Differenzialdiagnosen mit gastroenterologischer, muskuloskelettaler oder psychosomatischer Ursache nach wie vor in der hausärztlichen Praxis als herausfordernd.

Für Patienten mit CCS spielt die Symptomkontrolle eine wichtige Rolle, um eine gute Lebensqualität zu erhalten [6], wenngleich die behandelnden Ärzte die Auswirkungen von CCS-Symptomen auf die Lebensqualität häufig geringer einschätzen als die Patienten selbst [7]. Im Gegensatz zur prognostischen Therapie des CCS ist die symptomatische medikamentöse Therapie in den letzten 50 Jahren kardiovaskulärer Forschung wenig untersucht worden und es mangelt an großen Interventionsstudien und an direkten Vergleichsstudien zwischen den einzelnen Antianginosa.

Entsprechend geben die Autoren der aktuellen "Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) Chronische KHK" an, dass es derzeit keinen Nachweis der Über- oder Unterlegenheit einer bestimmten antianginösen Therapie bezüglich ihrer symptomatischen Wirkung gibt und sich die Therapiewahl an den Komorbiditäten des Patienten und möglichen Nebenwirkungen orientieren soll [8].

Vor diesem Hintergrund war das Ziel der vorliegenden Versorgungsstudie ALTHEA (SymptomAtische Therapie der stabiLen Angina pecToris - Prinzipien in der täglicHEn PrAxis), ein bundesweites Bild der Diagnostik und Behandlung von Männern und Frauen mit CCS in der Praxis niedergelassener Hausärzte zu gewinnen. Daraus könnten Optimierungsmaßnahmen für die Behandlung von Patienten beim Hausarzt und beim niedergelassenen Kardiologen generiert werden. Ein inhaltlicher Schwerpunkt lag auch auf der Erhebung der Bedeutung der Lebensqualität im Praxisalltag.

Methode

ALTHEA ist eine bundesweite Querschnittstudie, die vom Autor in Zusammenarbeit mit der Berlin-Chemie AG mitinitiiert und unter seiner wissenschaftlichen Leitung in Form einer Umfrage unter Zuhilfenahme eines strukturierten Fragebogens durchgeführt wurde.

Für die einmalige Teilnahme vorgesehen waren Hausärzte bzw. Internisten im niedergelassenen Bereich. Die Rekrutierung und Durchführung der Umfrage erfolgten durch Außendienstmitarbeiter der Berlin-Chemie AG. Da im Befragungszeitraum COVID-19-bedingte Restriktionen einen direkten Kontakt zu den Ärzten erschwerten, wurde die Versorgungsstudie als Interview per Videocall durchgeführt.

Aufgrund der Anzahl und bundesweiten Verteilung der befragten Ärzte kann davon ausgegangen werden, dass die Stichprobe repräsentativ für Deutschland ist. Das Verordnungsverhalten der Ärzte hatte keinen Einfluss auf die Auswahl der Befragten, insbesondere hinsichtlich Ranolazin. Um eine hinreichend repräsentative Stichprobe zu erhalten, wurden 1.050 Personen ausgewählt und kontaktiert, die von Mitarbeitern der Berlin-Chemie AG im Rahmen ihrer Außendiensttätigkeit besucht werden. Die Auswertung aller Dokumentationsbögen erfolgte mit deskriptiven statistischen Methoden. Ankreuzfelder wurden mittels absoluter und relativer Häufigkeitsverteilungen ausgewertet.

Fragebogen

Der nicht-validierte Fragebogen berücksichtigte zehn geschlossene, Single- bzw. Multiple-Choice-Fragen zu neun Themenkomplexen in den Bereichen Diagnostik, symptomatische Therapie und Lebensqualität (siehe Zusatzmaterial online: Abb. X5). Die Fragen und Antworten wurden von dem wissenschaftlichen Leiter der Versorgungsstudie initiiert.

Ergebnisse

Charakteristika der befragten Ärzte

Die Befragung fand über einen Zeitraum von fünf Monaten (26. April bis 30. September 2021) statt. Die Charakteristika der Befragten sind in Tab. 1 angegeben.

Tab. 1: Charakteristika der Befragten

Selbstauskunft bei Verdacht auf CCS in der hausärztlichen Praxis

Die Frage, wie viele CCS-Patienten von sich aus in der hausärztlichen Praxis von zunehmender körperlicher Beeinträchtigung im Alltag berichten, beantworteten 1.008 Teilnehmer. Die Mehrheit von ihnen (719/1.008; 71,3%) nannte einen Patientenanteil von höchstens 50%. Etwa ein Drittel der Befragten (344/1.008; 34,1%) nannte einen Patientenanteil von 11-25% und ca. ein weiteres Drittel (323/1.008; 32,0%) gab einen Patientenanteil von 26-50% an. 6,6% der Befragten (67/1.008) schätzten den Anteil der Patienten auf ≥ 76%.

Zur näheren Bestimmung der von den männlichen (m) bzw. weiblichen (w) CCS-Patienten mit AP beschriebenen Symptome nannten die Befragten am häufigsten retrosternalen Brustdruck (m: 96,7%, w: 68,3%), Dyspnoe (m: 91,8%, w: 76,9%) und Beklemmungsgefühl/Angst (m: 84,9%, w: 81,7%). Retrosternaler Brustdruck wurde somit für männliche Patienten am häufigsten genannt, für weibliche Patienten an dritter Stelle. Bei weiblichen Patienten überwog Beklemmungsgefühl/Angst als Symptom.

Wichtige Aspekte der CCS-Diagnostik

Zur besseren Charakterisierung und Differenzialdiagnose der AP bei Patienten mit Verdacht auf CCS wurde die Relevanz folgender Aspekte abgefragt:

  1. a

    die Unterscheidung zwischen stabiler und instabiler AP,

  2. b

    die Unterscheidung zwischen typischer AP, atypischer AP und nicht-kardialem Brustschmerz,

  3. c

    die Beeinträchtigung der Lebensqualität und

  4. d

    die Unterscheidung des Schweregrades nach Klassifikation der Canadian Cardiovascular Society (Grade I-IV).

Die Anteile der Teilnehmer, die die ersten drei genannten Aspekte bei allen Patienten mit Verdacht auf CCS als wichtig erachten, betrugen 74,8% (760/1.016), 78,8% (804/1.020) und 73,4% (746/1.017) und besaßen somit einen vergleichbar hohen Stellenwert. Im Vergleich dazu war der Anteil der Befragten, die die Unterscheidung des Schweregrades gemäß Klassifikation der Canadian Cardiovascular Society als wichtig bei allen CCS-Patienten einordnen, mit 51,9% (525/1.011) geringer.

Durchführung der apparativen Diagnostik bei Verdacht auf CCS

Aussagen zur apparativen Diagnostik des CCS, wenn ein Hausarzt einen symptomatischen Patienten mit Brustschmerz behandelt, trafen 1.020 Hausärzte. Von ihnen gaben fast alle Befragten (98,9%; 1.009/1.020) an, selbstständig eine apparative Diagnostik durchzuführen, wenn sie bei einem symptomatischen Patienten den Verdacht auf ein CCS haben (Abb. 1). Lediglich zehn Teilnehmer gaben an, die Patienten zu diesem Zweck an einen Kardiologen zu überweisen (Anteil 1,0%).

Abb. 1
figure 1

© R. Dechend

: Selbstständige apparative CCS-Diagnostik durch den Hausarzt (n = 1.020).

Befragt danach, welche apparative Diagnostik sie durchführen, nannten fast alle der 1.009 Befragten, die die vorherige Frage mit "ja" beantwortet hatten, das Ruhe-EKG (97,8%; 987/1.009; Abb. 1). Laboruntersuchungen auf relevante kardiologische Risikoparameter oder Laboruntersuchungen hinsichtlich einer möglichen Herzschädigung (BNP, Troponin) gaben 89,8% (906/1.009) bzw. 86,6% (874/1.009) der Befragten an. Den Einsatz des Belastungs-EKGs nannten 56,9% (574/1.009) der Befragten. Dabei zeigte sich in einer Subgruppenanalyse stratifiziert nach Geschlecht der Befragten, dass männliche Ärzte häufiger als weibliche Ärzte ein Belastungs-EKG durchführten (Anteil: 63,1% bzw. 47,6% der insgesamt befragten männlichen bzw. weiblichen Ärzte). Bei Stratifizierung nach Praxistyp ergab sich, dass Befragte aus Gemeinschaftspraxen häufiger ein Belastungs-EKG durchführten als die Befragten aus einer Einzelpraxis (Nennungen: 66,1% bzw. 48,6%).

Stellenwert der Lebensqualität in der Therapie des CCS

Eine zentrale Frage der Versorgungsstudie war, welchen Stellenwert die krankheitsbezogene Lebensqualität im Vergleich zur Prognose für die Befragten in der Behandlung des CCS hat. Dazu gaben 1.013 von ihnen Auskunft. Für mehr als die Hälfte der Befragten ist die krankheitsbezogene Lebensqualität eher übergeordnet (36,1%; 366/1.013) oder absolut übergeordnet (22,0%; 223/1.013). Für 40% der Befragten (405/1.013) ist sie gleichwertig mit der Prognose. Lediglich 1,9% der Teilnehmer (19/1.013) gaben an, dass die krankheitsbezogene Lebensqualität gegenüber der Prognose für sie eher untergeordnet ist.

Auf die Frage, wie die Hausärzte in diesem Punkt die Patientensicht einschätzen, gaben über drei Viertel an, dass die krankheitsbezogene Lebensqualität im Vergleich zur Prognose von den Patienten eher übergeordnet oder absolut übergeordnet wird (41,2%; 417/1.011 bzw. 38,1%; 385/1.011). 19,0% der Befragten (192/1.011) schätzen die krankheitsbezogene Lebensqualität aus Patientensicht als gleichwertig und 1,7% (17/1.011) als eher untergeordnet ein.

Symptomatische Therapie bei Verdacht auf CCS

Von den 1.021 teilnehmenden Hausärzten gaben 1.010 Befragte Auskunft zur Einleitung der initialen symptomatischen Therapie bei Verdacht auf CCS. Mehr als die Hälfte von ihnen (54,4%; 549/1.010) gab an, bei einem Patienten mit stabiler AP oder Luftnot und nicht gesicherter Diagnose eines CCS selbst die symptomatische medikamentöse Therapie zu initiieren und anschließend den Patienten an den Kardiologen zu überweisen (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

© R. Dechend

: Verhalten der Hausärzte im Hinblick auf die Einleitung der symptomatischen Therapie bei Verdacht auf CCS (n = 1.010).

Etwa ein Fünftel der Befragten gab an, in diesem Fall die symptomatische Therapie zu initiierten, nachdem der Patient beim Kardiologen vorstellig geworden ist (20,6%; 208/1.010). Die Anteile der Befragten, die bei diesen Patienten nicht selbst die symptomatische medikamentöse Therapie beginnen, sondern an die kardiologische Ambulanz oder die klinische Kardiologie bzw. das Katheterlabor überweisen, waren mit 12,4% (125/1.010) bzw. 7,7% (78/1.010) im Vergleich geringer. Sehr wenige Hausärzte gaben an, die symptomatische medikamentöse Therapie zu initiieren, ohne den Patienten vorher oder nachher an einen Kardiologen zu überweisen (3,6%; 36/1.010).

Kontrolle der medikamentösen Therapie einer AP

Von 1.013 der 1.021 Studienteilnehmer liegen Antworten zur Frage vor, wer den Erfolg einer medikamentösen Therapie einer stabilen AP kontrolliert. Die überwiegende Mehrheit der Befragten gab an, selbst die Therapiekontrolle durchzuführen (65,4%; 663/1.013; Abb. 3). 25,7% (260/1.013) der Befragten schalten einen Kardiologen nur ein, wenn die Kombination mehrerer Antianginosa nicht wirksam ist. 6,6% der Befragten (67/1.013) gaben an, dem Kardiologen die Erfolgskontrolle der medikamentösen Therapie zu überlassen.

Abb. 3
figure 3

© R. Dechend

: Erfolgskontrolle der medikamentösen Therapie einer stabilen AP (n = 1.013).

Die Befragten gaben im Weiteren Auskunft darüber, wie sie den medikamentösen Behandlungserfolg einer stabilen AP erfassen. Mehrheitlich nannten sie in diesem Zusammenhang den mündlichen Patientenbericht (980 Nennungen).

Darüber hinaus spielen für die Befragten die Klassifikation der Canadian Cardiovascular Society (535 Nennungen), der Verbrauch an Bedarfsmedikation (465 Nennungen) sowie ein Belastungstest (326 Nennungen) eine wichtige Rolle bei der Erfassung des medikamentösen Therapieerfolgs. Seltener ausgewählt wurden Eintragungen im Patiententagebuch (111 Nennungen) und Sonstiges (71 Nennungen).

Bewertung der symptomatischen Therapieoptionen bei CCS

Bei der Bewertung verschiedener Substanzen bzw. Substanzklassen zur symptomatischen Behandlung der AP schätzte ein sehr geringer Anteil der Befragten den Einfluss der genannten Antianginosa (Betablocker, Kalziumantagonisten, langwirksame Nitrate, Molsidomin, Ivabradin, Ranolazin) hinsichtlich Wirksamkeit, Verträglichkeit und Einfluss auf die Lebensqualität ähnlich ein (3,2%, 6,6%, 5,1%).

Abb. 4 zeigt die Ergebnisse einer Rangvergabe (Rang 1-3) der verschiedenen Antianginosa. Daraus geht hervor, dass in Bezug auf die Wirksamkeit den Betablockern am häufigsten Rang 1 zugeteilt wurde (503 Nennungen). Auf Rang 2 nannten die Befragten am häufigsten Kalziumantagonisten (260 Nennungen). Rang 3 teilten die Befragten mehrheitlich Ranolazin zu (306 Nennungen). In Bezug auf die Verträglichkeit vergaben die Befragten Rang 1 vorwiegend an Ranolazin (447 Nennungen).

Abb. 4
figure 4

© R. Dechend

: Bewertung antianginöser Therapieoptionen hinsichtlich Wirksamkeit, Verträglichkeit und Verbesserung der Lebensqualität.

Die Ränge 2 und 3 wurden am häufigsten an Betablocker vergeben (218 bzw. 238 Nennungen). In Bezug auf die Verbesserung der Lebensqualität wiesen die meisten Befragten Ranolazin Rang 1 zu (447 Nennungen). Auf Rang 2 wurden mehrheitlich Betablocker genannt (223 Nennungen). Rang 3 teilten die Befragten am häufigsten den Kalziumantagonisten zu (213 Nennungen).

Diskussion

Die Ergebnisse der Versorgungsstudie zeigen, dass Patienten mit CCS bei ihrem Hausarzt eher seltener eigenständig von zunehmender körperlicher Beeinträchtigung und Symptomen wie AP oder Belastungsdyspnoe berichten. Die Gründe dafür können unterschiedlich sein. So ist bekannt, dass CCS-Patienten mit stabiler AP ihre Symptome zum Teil eher untypisch beschreiben, wodurch diese für Hausärzte schwieriger einzuordnen sind [9]. Dies können ungewöhnliche Symptome wie Übelkeit, Schwindel, Schwitzen, Rückenschmerzen, Magenschmerzen oder Verspannung sein.

Hinzu kommt, dass einige Patienten derartige Symptome möglicherweise nicht als kardial-bedingte Beeinträchtigungen einordnen und sie deshalb gegenüber dem Hausarzt nicht als erwähnenswert erachten. Zudem bagatellisieren manche Patienten AP und deren Äquivalente [9], was ebenfalls dazu beitragen kann, dass Hausärzte den Anteil der Patienten, die von sich aus über zunehmende körperliche Beeinträchtigung berichten, als eher gering einschätzen. Eine geringe Selbstauskunft der Patienten könnte auch dazu beitragen, dass Ärzte die Symptomlast ihrer Patienten, z. B. die Häufigkeit von AP-Attacken, eher unterschätzen. Zu diesem Ergebnis waren bereits mehrere Umfragen mit niedergelassenen Kardiologen gekommen [10, 11, 12].

Hinsichtlich der geschlechterspezifischen Symptombeschreibung bestätigt die Versorgungsstudie bisherige Erkenntnisse, nach denen sich das Symptomspektrum bei CCS zwischen Frauen und Männern unterscheidet und es insbesondere bei weiblichen Patienten nicht das klassische Leitsymptom "retrosternaler Brustdruck" gibt [13]. Interessant und in Einklang mit der ESC-Leitlinie ist zudem, dass viele der Befragten die Dyspnoe als relevantes AP-Äquivalent nannten.

Aus kardiologischer Sicht ist positiv hervorzuheben, dass mit fast 60% über die Hälfte der befragten Hausärzte in ihrer wichtigen Rolle als Lotsen der Kardiologie zusätzlich zum Ruhe-EKG ein Belastungs-EKG durchführen. Gemäß der aktuellen ESC-Leitlinie ist es ratsam, für die Risikostratifizierung und Ermittlung der Prätestwahrscheinlichkeit über das Belastungs-EKG hinaus beim Kardiologen bildgebende Verfahren wie ein Kardio-MRT durchzuführen [1].

Ein wichtiger Aspekt der ALTHEA-Versorgungsstudie war die Gewichtung der Lebensqualität im Kontext einer symptomatischen Therapie. In der Umfrage BRIDGE 2 hatten etwa 40% der befragten Patienten mit CCS und stabiler AP berichtet, dass die Krankheitssymptome trotz Behandlung erheblich ihre Lebensqualität beeinträchtigen [6]. Zudem scheinen Patienten ihre Lebensqualität wesentlich schlechter zu bewerten als ihre behandelnden Kardiologen sie einstufen [7]. Dies könnte auch damit zusammenhängen, dass die Lebensqualität - und in diesem Kontext die symptomatische Therapie - in der kardiologischen Forschung zum CCS im Vergleich zur Prognose eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint [14].

So mangelt es an relevanten klinischen Studien, in denen die Lebensqualität den primären Endpunkt bildet. Auch die ESC widmet der Lebensqualität in der aktuellen Leitlinie zu Diagnose und Management des CCS vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit. Darin unterscheidet sie sich von der "NVL Chronische KHK", die der Lebensqualität im Kontext des CCS mit stabiler AP wesentlich mehr Raum gibt. Ebenso deuten die Ergebnisse der vorliegenden Studie darauf hin, dass die Hausärzte der Lebensqualität der Patienten eine hohe Bedeutung beimessen. Der Anteil der Befragten, die die Lebensqualität der Prognose eher oder absolut überordnen, lag bei über 50%.

Die Funktion der Hausärzte als Lotsen der Kardiologen zeigt sich in den Ergebnissen der Versorgungsstudie nicht nur für die Diagnostik. Auch mit Blick auf die symptomatische Therapie bei Verdacht auf CCS ist positiv hervorzuheben, dass die überwiegende Mehrzahl der Befragten der symptomatischen Therapie einen hohen Stellenwert beimisst und sowohl Therapieeinleitung als auch Therapiekontrolle als ihre Aufgaben ansehen. In der Vergangenheit lagen diese erfahrungsgemäß primär im Zuständigkeitsbereich der Kardiologen.

Bei der Bewertung verfügbarer Antianginosa zeigt sich, dass Hausärzte die antianginöse Therapie differenziert sehen und in Bezug auf Wirksamkeit, Verträglichkeit und Verbesserung der Lebensqualität Präferenzen haben. Im Unterschied zu den Autoren der "NVL Chronische KHK", die derzeit keinen Nachweis der Über- oder Unterlegenheit einer bestimmten antianginösen Therapie bezüglich ihrer symptomatischen Wirkung sehen [8], misst die überwiegende Mehrheit der Befragten den Betablockern den höchsten Rang hinsichtlich Wirksamkeit bei.

Ursachen hierfür könnten zum einen der nachgewiesene prognostische Vorteil dieser Substanzklasse bei systolischer Herzinsuffizienz und Post-Infarkt sein. Zum anderen könnte es darin begründet sein, dass die aktuellen ESC-Leitlinien Betablocker (zusammen mit Kalziumantagonisten) als die präferierte antianginöse Therapie darstellen [15].

Gemäß den Empfehlungen der "NVL Chronische KHK" gibt es keine solche Präferenz, jedoch soll sich die antianginöse Medikation an den Komorbiditäten und den möglichen unerwünschten Wirkungen des Arzneimittels orientieren [8]. Bezüglich der Verträglichkeit zeigt sich in unserer Querschnittstudie eine Präferenz der Befragten für die Ergänzungstherapie Ranolazin, was die Ergebnisse zu dessen Verträglichkeit aus großen randomisierten klinischen Studien widerspiegelt [16, 17, 18]. Anders als z. B. in Studien zu Ivabradin [19] gab es in diesen Studien keine Sicherheitssignale, was ebenfalls ein möglicher Grund für die Präferenz von Ranolazin sein könnte.

Die "NVL Chronische KHK" unterstreicht zudem, dass in der hausärztlichen Langzeitbetreuung die Förderung einer hohen Lebensqualität ein Ziel ist [8]. In diesem Zusammenhang weisen unsere Ergebnisse ebenfalls auf eine Präferenz für Ranolazin hin. Somit stehen die Ergebnisse zur Bewertung der Antianginosa sowohl in Einklang mit der NVL-Empfehlung einer individualisierten antianginösen Therapie [8], als auch mit der bestehenden Evidenz, nach der keines der derzeit verfügbaren Antianginosa einem anderen überlegen ist [14].

Limitationen

Die Ergebnisse der vorliegenden Versorgungsstudie leisten einen Beitrag zu dem wichtigen Diskurs über den Stellenwert der Lebensqualität bei symptomatischem CCS. Die Versorgungsstudie hat einige Limitationen, die es zu beachten gilt. Die Befragung der Hausärzte erfolgte über Außendienstmitarbeiter der Berlin-Chemie AG, was ein Verzerrungsrisiko birgt, wenngleich die Auswahl der Befragten und die Durchführung der Befragung unabhängig vom Verordnungsverhalten erfolgten, insbesondere hinsichtlich Ranolazin.

Das Risiko eines Selektions-Bias besteht, da nur Ärzte einbezogen wurden, die bereits mit dem Außendienst von Berlin-Chemie in Kontakt standen. Zu berücksichtigen ist ebenso, dass der verwendete Fragebogen keiner Validierung unterzogen wurde.

Schlussfolgerung

Die Ergebnisse machen deutlich, dass Hausärzte in der Therapie von symptomatischen Patienten mit Verdacht auf CCS mittlerweile eine wichtige Stütze für die Kardiologie bilden, indem sie wichtige Aufgaben in der Diagnostik und initialen symptomatischen Therapie übernehmen und überdies der Verbesserung der Lebensqualität als Therapieziel eine hohe Bedeutung zukommen lassen.