Die Impfung gegen COVID-19 schützt vor Infektionen und v. a. vor schweren Verläufen. Einige Personengruppen haben jedoch noch offene Fragen oder stehen der Impfung skeptisch gegenüber. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über Nutzen, Wirksamkeit und Sicherheit der Impfstoffe mit Fokus auf schwangere, genesene sowie autoimmunkranke Personen und bietet Hilfestellungen für das Gespräch mit Impfskeptikern.

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Die aktuellen Impfstoffe: 5 Präparate, 3 Plattformen

Die beispiellos schnelle Entwicklung und Zulassung verschiedener Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 seit dem Jahr 2020 hat ab 2021 wesentlich zur Kontrolle der Pandemie beigetragen. Von den im Januar 2022 über 330 Vakzinkandidaten, die auf einem großen Spektrum von Technologien ("Plattformen") basieren, kommen bisher in den USA lediglich drei von der Food and Drug Administration (FDA) zugelassene Impfstoffe zum Einsatz [1, 2]. Das mRNA-Präparat BNT162b2 hat seit Sommer 2021 eine uneingeschränkte Zulassung für Personen ab 16 Jahren und eine Notfall-Zulassung (Emergency Use Authorisation, EUA) für Kinder ab 5 Jahre. Auch der zweite mRNA-Impfstoff mRNA-1273 ist seit dem 31. Januar 2022 für Menschen ab 18 Jahren uneingeschränkt zugelassen. Ad26CoV2.S, ein adenoviraler Vektorimpfstoff, wird bisher im Rahmen einer EUA verwendet.

In Europa sind von der European Medicines Agency (EMA) inzwischen fünf SARS-CoV-2-Vakzine zugelassen [3]. Im Unterschied zu den USA hat die EMA "volle" Zulassungen erteilt, die allerdings bedingt sind (Conditional Marketing Authorisation, CMA). Dadurch sind die Hersteller einerseits uneingeschränkt haftbar und andererseits zur Bereitstellung weiterer Daten verpflichtet, um die Aufrechterhaltung der Zulassung zu sichern. BNT162b2 ist in Europa ebenso wie in den USA ab 5 Jahren genehmigt, Ad26CoV2.S ab 18 Jahren. Das Vakzin mRNA-1273 ist in Europa bereits ab 12 Jahren zugelassen. Zusätzlich zu diesen drei Impfstoffen hat die EMA den Schimpansen-Adenovirus-basierten Vektorimpfstoff ChAdOx1-S (AZD1222) genehmigt, ebenfalls ab 18 Jahren. Im Dezember 2021 wurde als fünfte Vakzine zudem der adjuvantierte Proteinimpfstoff NVX-CoV2373 zugelassen.

Die adenoviralen Vektorimpfstoffe sollen gemäß der Ständigen Impfkommission (STIKO) allenfalls noch für die erste Impfdosis eines dann heterologen Schemas bei > 60-Jährigen verwendet werden, ansonsten sollen nur noch die mRNA-Vakzine zum Einsatz kommen [4]. Hier ist zu beachten, dass aufgrund des absolut zwar sehr niedrigen, aber dennoch v. a. bei jüngeren Personen höheren Risikos einer Vakzin-assoziierten Herzmuskel- und Herzbeutelentzündung das Präparat mRNA-1273 nur bei Menschen ab 30 Jahren eingesetzt werden soll [5, 6]. Personen bis 30 Jahre und auch Schwangere sollen primär mit dem Vakzin BNT162b2 geimpft werden.

All diese Impfstoffe sind als Totimpfstoffe einzuordnen, da eine Vermehrung im menschlichen Körper prinzipbedingt unmöglich ist [7]. Mindestabstände zu anderen Totimpfstoffen sind deshalb nicht einzuhalten. Allerdings empfiehlt die STIKO, wohl v. a. aufgrund mangelnder Daten, einen Abstand von 2 Wochen zu Lebendimpfstoffen [4].

STIKO-Empfehlung vs. EMA-Zulassung: Off-Label ist hier legal

Die Anwendung der Impfstoffe ist in den Zulassungstexten zwar exakt festgelegt, tatsächlich weichen die Empfehlungen der zuständigen Gesundheitsbehörden (Centers for Disease Control and Prevention, CDC) und STIKO aber zum Teil deutlich davon ab [8, 4]. Damit stellt sich auch die Frage nach Versorgungsanspruch im unwahrscheinlichen Fall eines Impfschadens, der im Fall von SARS-CoV-2-Impfungen auf Bundesebene geregelt ist [9]. Die Coronavirus-Impfverordnung erlaubt inzwischen explizit die Abweichung von der Zulassung, "wenn sie nach dem Stand der Wissenschaft medizinisch vertretbar ist oder im Rahmen nicht kommerzieller klinischer Studien erfolgt" [10, 11]. Die Verwendung der Impfstoffe gemäß STIKO-Empfehlung (als Stand der Wissenschaft) ist also unabhängig vom Zulassungstext gesetzlich abgesichert. Eine kurze Übersicht über die Eckdaten der FDA- und EMA-Zulassungen sowie die aktuelle STIKO-Empfehlung zu den verschiedenen Impfstoffen ist in Tab. 1 dargestellt.

Tab. 1 Zulassungsbestimmungen und Empfehlungen der in Deutschland verfügbaren COVID-19-Impfstoffe (Stand 15.02.2022, [2,,])

Omikron-Variante: Der Booster bringt's

Die sich seit ca. November 2021 weltweit ausbreitende SARS-CoV-2-Variante "Omikron" (B.1.1.529) weist im Bereich des Spike-Proteins zahlreiche Aminosäureveränderungen auf [12, 13]. Die Wirksamkeit der gegen das Wildtyp-Spike-Protein entwickelten Impfstoffe ist daher eingeschränkt. Eine südafrikanische Analyse schätzte die Vakzineffektivität (VE) von BNT162b2 bezüglich Hospitalisierung bei der Delta-Variante auf 93%, bei der Omikron-Variante dagegen nur noch auf 70% [14]. Eine weitere Untersuchung aus Südafrika berechnete für zuvor mit SARS-CoV-2 infizierte und zweifach mit BNT162b2 geimpfte Personen eine maximale VE von 73% bei der Omikron-Variante, bei SARS-CoV-2-naiven Menschen dagegen nur von 35% [17]. US-amerikanische Studien schätzten die VE bezüglich Notfall-Vorstellungen aufgrund einer laborbestätigten COVID-19-Erkrankung bis 180 Tage nach der 2. Dosis BNT162b2 bei der Delta-Variante auf 86% und nach über 180 Tagen immer noch auf 76%. Nach der Ausbreitung von Omikron nahm sie dagegen auf 52% bzw. auf 38% ab [15]. Entsprechend waren die durchschnittlichen Neutralisationstiter bei mRNA-geimpften Personen in den USA gegen Omikron um bis zu 127-fach niedriger als gegen den Wildtyp [16].

Eine englische Gruppe zeigte anhand von Modellierungsstudien, dass Auffrischimpfungen von entscheidender Bedeutung sind, um die Auswirkungen künftiger Virusvarianten-Wellen zu mildern [18]. Die Wirksamkeit der Booster-Impfung bezüglich der Plasma-Neutralisationsaktivitat gegen die Omikron-Variante wurde für die Vakzine BNT162b2 und mRNA-1273 bereits belegt [19, 20]. Diese Untersuchungen korrespondieren gut mit der in den USA nach einer Booster-Dosis BNT162b2 beobachteten erhöhten VE, die eine Risikoreduktion bezogen auf eine COVID-19-assoziierte Hospitalisierung bei der Delta-Variante von 94% und bei der Omikron-Variante immer noch von 90% bewirkte [15]. Die Virusbelastung sowohl bei der Omikron- als auch bei der Delta-Variante war bei einer Durchbruchsinfektion nach einer Booster-Impfung zudem signifikant niedriger [21].

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Eine Booster-Impfung schützt auch bei der Omikron-Variante bereits vor einer symptomatischen Erkrankung, aber v. a. senkt sie das Risiko für Hospitalisierung und Tod.

Eine große Surveillance-Studie mit über 1,75 Millionen erfassten Personen in den USA zeigte ebenfalls einen bei der Omikron- im Vergleich zur Delta-Variante zwar abgeschwächten aber immer noch signifikant gesteigerten Schutzeffekt vor Infektionen und Todesfällen nach der 2. Impfdosis [22]. Dieser wurde durch die Booster-Impfung deutlich auf ca. 80% hinsichtlich des Infektionsrisikos gegen die Omikron-Variante weiter verbessert. Relevante Unterschiede zwischen den drei verwendeten Impfstoffen ergaben sich nicht.

Daten aus England bestätigen eine Steigerung der VE bezogen auf die Mortalität von 59% nach der 2. Impfdosis auf 95% zwei Wochen nach der Booster-Impfung. Die höchste VE gegen eine Omikron-Erkrankung wurde bei Personen mit zwei verabreichten Dosen BNT162b2 und einer Booster-Impfung mit einem mRNA-Vakzin festgestellt [23]. Immunogenitätsdaten zeigten ebenfalls einen möglichen zusätzlichen Effekt durch ein heterologes Schema bei der Booster-Impfung [24]. Somit existiert inzwischen eine überzeugende Datenbasis für die klare Empfehlung einer Booster-Impfung bei bisher zweifach geimpften Personen.

2. Booster-Dosis / 4. Impfdosis

Die Vorab-Publikation einer israelischen Studie zeigte im Kontext der Omikron-Variante eine zusätzliche Risikoreduktion auf ca. die Hälfte im Hinblick auf das Infektionsrisiko und sogar auf ca. ein Viertel bezüglich des Risikos eines schweren Verlaufs durch eine 2. Booster-Dosis/4. Impfdosis. Ein vollständiger Schutz ist auch hier nicht zu erwarten [25]. V. a. aufgrund dieser Ergebnisse empfiehlt die STIKO seit dem 15. Februar 2022 für ≥ 70-Jährige, Bewohner/Betreute in Pflegeeinrichtungen, gefährdeten Menschen mit Behinderung in Einrichtungen (der sogenannten Eingliederungshilfe) sowie bei Personen ≥ 5 Jahre mit Immundefizienz eine 2. Auffrischimpfung 3 Monate nach der 1. Booster-Dosis. Eine spezifische Definition des "erhöhten Risikos" für Menschen in Einrichtungen der Eingliederungshilfe gibt die STIKO nicht. Beschäftigte ≥ 16 Jahre in medizinischen und Pflegeeinrichtungen sollen eine 2. Booster-Dosis frühestens nach 6 Monaten erhalten. Die Impfung soll präferenziell mit dem zuvor verwendeten mRNA-Impfstoff erfolgen, bei immundefizienten Menschen soll das Präparat mRNA-1273 als volle Dosis (100 µg) appliziert werden. Personen, die nach der 3. Impfdosis/1. Booster-Dosis erkranken, sollen (vorerst) explizit keine weiteren Impfdosen erhalten [4].

Aufgrund der reduzierten VE der aktuellen Impfstoffe gegen die Omikron-Variante sehen einige Experten variantenspezifische Impfstoffe als zukünftige Mittel der Wahl, diese werden auch in größerem Umfang entwickelt. Das Studienprogramm zu BNT162 beinhaltete bisher spezifische Produkte gegen Alpha, Delta, Alpha/Delta und Beta. Der Hersteller hat auch die Entwicklung eines Omikron-spezifischen Präparats angekündigt. Die ursprünglich für Ende März 2022 geplante Verfügbarkeit wurde aber um "einige Wochen" verschoben [26]. Der Hersteller des mRNA-1273-Impfstoffs hat ebenfalls die Entwicklung eines Omikron-spezifischen Vakzins bis möglicherweise August 2022 angekündigt.

Genesene nach COVID-19-Erkrankung: "Start mit der 2. Impfdosis"

Mit Fortschreiten der Pandemie erreichen immer mehr Menschen den "Genesenenstatus", das Auftreten neuer Varianten lässt aber die Schutzwirkung einer früher durchgemachten Infektion fraglich erscheinen. Deshalb hatte das Robert-Koch-Institut (RKI) eine Verkürzung der Gültigkeit dieses Status von 6 Monaten auf nur noch 90 Tage nach Nukleinsäurenachweis empfohlen [27, 28]. Seit dem 19. März 2022 werden die fachlichen Vorgaben für COVID-19-Genesenennachweise unmittelbar in § 22a des Infektionsschutzgesetzes geregelt. Bis zum 30. September 2022 ist laut § 22a u. a. ein vollständiger Impfschutz auch bei einer Einzelimpfung gegen COVID-19 gegeben, wenn eine vorherige Infektion mittels Nukleinsäurenachweis nachgewiesen wurde und diese mindestens 28 Tage sowie höchstens 90 Tage zurückliegt.

Die aktuelle STIKO-Empfehlung gibt klare Vorgaben zur Impfung Genesener [4]. Generell zählt eine COVID-19-Erkrankung wie eine erste Impfdosis. Nach der Infektion sollen Personen > 12 Jahre erst nach drei Monaten eine (ggfs. weitere) Impfdosis erhalten. Allerdings kann dieses Intervall auf 4 Wochen nach Ende der (akuten) Symptome reduziert werden, wenn die durchgemachte Infektion (z. B. mit Delta) eine reduzierte Schutzwirkung gegenüber einer derzeit vorherrschenden Virusvariante mit "Immune Escape" (z. B. Omikron) erwarten lässt. Nach erneuten 3 Monaten soll dann eine weitere (1. Booster-) Impfdosis erfolgen.

Bei Menschen mit einer relevanten Immundefizienz kann auch nach einer COVID-19-Erkrankung eine vollständige und ggfs. erweiterte Impfserie (zwei reguläre Impfungen; 3. Impfdosis ≥ 4 Wochen nach der 2. Dosis; 1. Booster-Impfung ≥ 3 Monate nach der 3. Dosis) erfolgen. Eine 2. Booster-Impfung wird dann je nach Personengruppe ggfs. nach 3-6 Monaten fällig. Eine Anpassung der aktuellen Empfehlung bezüglich einer weiteren Booster-Dosis bei 3-fach-Geimpften und dann Erkrankten bleibt etwa in Anbetracht der reduzierten humoralen Immunität bei den Omikron-Sublinien BA.1 und BA.2 und dem möglichen Auftreten zukünftiger Varianten abzuwarten [29].

SARS-CoV-2-Impfung während der Schwangerschaft und Stillzeit

Bereits früh in der Pandemie wurde das zusätzliche Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19 speziell für Schwangere deutlich [30]. Zudem wird ein höheres Risiko für eine Intensivstationsbehandlung und für Komplikationen bei Neugeborenen angenommen [31, 32, 33, 34]. Die der Anwendung bei nicht Schwangeren entsprechende Wirksamkeit des Vakzins BNT162b2 wurde ebenfalls zeitnah gezeigt [35]. Allerdings gab und gibt es einige Vorbehalte bezüglich der Sicherheit der Impfstoffe in der Schwangerschaft.

In den USA waren bereits am 28. Februar 2021 > 35.000 Schwangere erfasst, die einen mRNA-Impfstoff gegen SARS-CoV-2 erhalten hatten. Davon stimmten > 10% der Aufnahme in ein detailliertes Register zu. Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Spontanabort, Totgeburt, Frühgeburtlichkeit, niedrigeres Geburtsgewicht, kongenitale Anomalien oder neonatale Mortalität fanden sich nicht [36]. Weitere Publikation bestätigten, dass das Risiko eines Spontanaborts, einer Frühgeburt, eines niedrigeren Geburtsgewichts oder für generelle Komplikationen beim Neugeborenen durch die Impfung mit mRNA-Präparaten nicht erhöht war [37, 38, 39, 40, 41, 42, 43].

Die STIKO und die deutschen Fachgesellschaften (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe [DGGG], Deutsche Gesellschaft für Perinatale Medizin [DGPM]) sprechen daher, wie die US-amerikanischen CDC oder auch die britischen Fachgesellschaften, eine Empfehlung für die SARS-CoV-2-Impfung inclusive Booster-Dosis nach 3 Monaten für Schwangere aus. Während in den USA und Großbritannien allgemein mRNA-Impfstoffe empfohlen werden und keine Einschränkung des Impfzeitraums erfolgt, empfiehlt die STIKO den Beginn oder die Komplettierung einer Impfserie unter Verwendung des Vakzins BNT162b2 nach Möglichkeit ab dem 2. Trimenon. Die Vermeidung des 1. Trimenon ist allerdings nicht der (auch in diesem Zeitraum ja nicht erhöhten!) Komplikationsrate sondern der Akzeptanz in dieser Bevölkerungsgruppe geschuldet und wird auch in der ausführlichen wissenschaftlichen Begründung nicht näher ausgeführt [44]. Die CDC schlagen gezielt den Einsatz von Paracetamol vor, um Fieber und andere Impfreaktionen zu behandeln.

Zum Einsatz in der Stillzeit sind v. a. Daten zur mütterlichen Tolerabilität [45] verfügbar, allerdings sind sich die relevanten Expertenkommissionen einig, dass eine Gefährdung des Kindes durch eine SARS-CoV-2-Impfung nicht plausibel ist. Ein mögliche positive "Nebenwirkung" der kindlichen Aufnahme mütterlicher Antikörper über die Milch ist aber ebenfalls nicht ausreichend belegt [46].

Impfung bei Autoimmunerkrankungen und Immunsuppression

Neben einigen kleineren Arbeiten wurde kürzlich eine große Registerauswertung zur Verträglichkeit von SARS-CoV-2-Impfstoffen im Kontext inflammatorischer/autoimmuner rheumatischer und muskuloskeletaler Erkrankungen (I-RMD) mit über 4.600 Teilnehmern publiziert [47]. Die Befürchtung vieler betroffener Menschen, dass die Impfung mit einem hohen Risiko der Auslösung eines gefährlichen Schubs ("Flares") ihrer Grunderkrankung assoziiert sein könnte, konnte durch diese Auswertung - zumindest für den in 70% der Fälle verwendeten BNT162b2-Impfstoff - widerlegt werden: Flares traten nur bei 4,4% der Geimpften auf. Davon wurden lediglich 0,6% als schwer gewertet und in 1,5% der Fälle wurde eine (vorübergehende) Veränderung der immunmodulatorischen Therapie notwendig. Auch die Effektivität der Impfungen war beruhigend, Durchbruchsinfektionen traten nur bei 0,7% der Patienten mit I-RMD auf.

Bei Menschen unter einer immunsuppressiven Therapie und/oder krankheitsbedingter Immundefizienz konnte ebenfalls der positive Effekt einer Booster-Dosis gezeigt werden. Durch eine 3. Impfdosis wurde die VE bezüglich der Vermeidung einer Hospitalisierung von 69% auf 88% gesteigert [48].

Für den Impfstoff BNT162b2 liegen mehr Daten zur Sicherheit vor, allerdings lassen einige Untersuchungen eine höhere Wirksamkeit des Vakzins mRNA-1273 vermuten. Eine sächsische Erhebung an nephrologischen Zentren, die u. a. 1.256 Dialyse- und 368 nierentransplantierte Patienten untersuchte, identifizierte neben der Art der Immunsuppression auch die Verwendung von BNT162b2 im Gegensatz zu mRNA-1273 als prädiktiv für eine insuffiziente humorale Immunantwort [49]. Auch bei 96 Patienten unter einer immunsupprimierenden Therapie mit Rituximab bzw. Ocrelizumab war neben u. a. der Zeit seit der Medikamentengabe und den CD4-positiven T-Zellen ein statistisch signifikanter positiver Effekt durch die Verwendung des Vakzins mRNA-1273 zu beobachten [50]. Schließlich zeigte eine große US-amerikanische Erhebung bei über 20.000 Menschen mit Immundefizienz je nach Grunderkrankung eine weite Spanne für die VE bezüglich einer COVID-19-bedingten Hospitalisierung. Die Effektivität lag unter Verwendung des Impfstoffs mRNA-1273 bei inflammatorischen/rheumatologischen Erkrankungen auf, sowie bei allen anderen untersuchten Erkrankungsgruppen (Tumorerkrankungen, Organ-/Stammzelltransplantation, sonstige/intrinsische Immundefekte) über dem Niveau von BNT162b2 [51].

Auch mangels stetiger Verfügbarkeit aller Impfstoffe, stehen die möglichen Unterschiede zwischen den Präparaten im Alltag aber nicht im Vordergrund. Für die Beratung und Betreuung von Menschen mit Immundefizienz stellt die STIKO eine sehr hilfreiche Unterteilung von Erkrankungen und Therapien zur Verfügung [4]. Für Konstellationen mit relevant eingeschränkter Impfantwort besteht die Grundimmunisierung aus zwei Dosen im Präparat-spezifischen Abstand (BNT162b2: 3-6 Wochen; mRNA-1273: 4-6 Wochen), gefolgt von einer weiteren (vollen) Impfdosis vier Wochen später. Vor und vier Wochen nach der 3. Impfdosis soll der Anti-Spike-Antikörper-Titer gemessen werden. Beim Ausbleiben eines relevanten Anstiegs sind weitere Dosen zu erwägen. Mangels eines klaren Grenzwerts, der als Korrelat eines Impfschutzes (Correlate of Protection) gelten könnte, bleibt die Empfehlung zu weiteren Impfdosen sowohl beim Ausbleiben einer Impfantwort (wie viele weitere Versuche sind gerechtfertigt?) als auch bei nachweisbaren Antikörpern (welcher Titer ist ausreichend?) jedoch weiterhin eine Einzelfallentscheidung.

Bisher Ungeimpfte: Nicht Geld, aber vielleicht gute Worte?

Nach inzwischen über 13 Monaten nationaler Impfkampagne und einer Impfquote (≥ 1. Dosis) in Deutschland von > 75% scheinen sich Ende Januar 2022 die Einstellungen bezüglich der SARS-CoV-2-Impfung weitestgehend verfestigt zu haben. Im klinischen Alltag sind immer weniger Patientinnen und Patienten anzutreffen, deren Abwägungsprozess noch wirklich ergebnisoffen ist oder deren Zögern in einem echten Informationsdefizit begründet liegt.

Eine sehr detaillierte Untersuchung bei Mitarbeitern im Gesundheitssystem konnte zeigen, dass eine Umstimmung von bisher die Impfung verweigernden Personen extrem schwierig scheint und v. a. finanzielle Anreize oder Druckmittel wie die Notwendigkeit für die weitere Ausübung des Berufs für die überwiegende Mehrheit keine geeigneten Motivatoren darstellen [52]. Dementsprechend war in den USA auch der Versuch, die Impfquoten durch eine Lotterie zu erhöhen, nicht erfolgreich [53].

Eine Hilfestellung für die Kommunikation mit Menschen, die entgegen aller verfügbaren Fakten die Impfung weiter ablehnen, kann ein vom RKI unterstütztes Video bieten [54]. Zu den Hauptursachen für Wissenschaftsleugnung zählen demnach neben (echter) Verschwörungsmentalität auch (monetäre) Interessensvertretung, persönlicher Identitätsausdruck ("immer gegen alles sein"), sozialer Identitätsausdruck (Gruppenzwang) sowie generelle Ängste. Deren Identifikation kann Ansatzpunkte für eine Entgegnung bieten, ebenso die offene Benennung von fünf regelmäßig von Impfgegnern angewendeten Kommunikationsstrategien:

  • Die Berufung auf "falsche" Experten,

  • die Selektivität von Information,

  • die Äußerung unmöglicher Erwartungen (wie etwa 100%ige Sicherheit),

  • die Konstruktion einer abgeschlossenen Verschwörungstheorie und

  • die Verwendung falscher Logik (häufig Angriff auf die Person und dadurch Entwertung ihrer Argumente).

Die Benennung dieser Strategien, die Kommunikation des medizinischen Kontexts, das Aussprechen konkreter Empfehlungen (als Expertin/Experte) und die konkrete Erklärung des Gemeinschaftsschutzes durch die Impfung können im Gespräch hilfreich sein. Dabei muss darauf geachtet werden, dass Fakten klar kommuniziert und Mythen widerlegt werden, die Weltanschauung des Gesprächspartners aber nicht infrage gestellt wird. Hier bietet sich die Methode des Motivational Interviewing an, die Gemeinsamkeiten mit dem Gegenüber hervorhebt und dessen Gefühle bestätigt, bevor auf dieser Grundlage Fakten erklärt werden [55].

Hilfreiche Fakten können hier neben den Wirksamkeitsdaten v. a. solche zur Sicherheit sein. Die sehr ausführliche und stetig aktualisierte Analyse des Paul-Ehrlich-Instituts zur Sicherheit der SARS-CoV-2-Impfstoffe, spezifisch im deutschen Kontext, bietet hier eine gute Grundlage [56]. In der jetzt erstmals verfügbaren Auswertung nach der 1., 2. und 3. Impfdosis fällt die deutliche Abnahme der Meldequote im Verlauf auf. Ein Vergleich der Todesfallmeldungen mit der Mortalität in den jeweiligen Altersgruppen belegt eine eher reduzierte Mortalität bei Geimpften. Eine Übersicht, auch über die absolut sehr niedrigen Fallzahlen einzelner, in Laienmedien sehr breit diskutierter Impfkomplikationen ist in Tab. 2 dargestellt. Eine Untersuchung mit ca. 11 Millionen Teilnehmern in den USA zeigte sogar eine durch die SARS-CoV-2-Impfung bedingte Reduktion der nicht COVID-19-assoziierten Mortalität [57].

Tab. 2 Ausgewählte Daten des Sicherheitsberichts des Paul-Ehrlich-Instituts zur Anwendung von SARS-CoV-2-Impfstoffen in Deutschland, Gesamtzahl der bis 31.12.2021 verabreichten Dosen: 148.760.720 (modifiziert nach [56])

Gespräch über Alternativen: NVX-CoV2373

Einige Menschen führen v. a. ihre Angst vor unbekannten Nebenwirkungen der neuen Impfstoff-Plattformen (mRNA, Adenovirale Vektoren) als Grund für ihr bisheriges Zögern an. In diesen Fällen kann möglicherweise ein Gespräch über Alternativen hilfreich sein. Mit NVX-CoV2373 ist seit Dezember 2022 für Menschen > 18 Jahre in Europa der erste SARS-CoV-2-Impfstoff zugelassen, der auf einer "herkömmlichen" (Protein-) Technologie basiert [58]. Hierfür wird ein mittels rekombinanter DNA-Technologie hergestelltes Spike-Protein mit 50 µg Matrix-M, einem Saponin-basierten Adjuvans, als Nanopartikel-Suspension verabreicht. Damit weist NVX-CoV2373 Ähnlichkeit mit dem rekombinanten adjuvantierten Zoster-Impfstoff auf. NVX-CoV2373 wird in zwei Dosen von jeweils 5 µg Protein in einer 0,5 ml Lösung im Abstand von drei Wochen appliziert.

Die Zulassung beruht v. a. auf einer Phase-III-Studie mit > 15.000 Teilnehmern aus Großbritannien und einer weiteren Untersuchung mit knapp 30.000 Teilnehmern aus den USA und Mexiko [59, 60]. In der UK-Studie wurde eine VE gegen eine PCR-bestätigte SARS-CoV-2-Infektion von 89,7% (86,3% gegenüber Alpha, 96,4% gegenüber Non-Alpha) und in der nordamerikanischen Studie von 90,4% berechnet. Eine in Südafrika durchgeführte Phase-IIb-Studie ermittelte dagegen, bei einem durch die Beta-Variante geprägten Infektionsgeschehen, eine deutlich niedrigere VE von 49,7%, wobei 6% der Studienteilnehmer HIV-positiv waren. Bei Studienteilnehmern ohne HIV-Infektion wurde eine VE von 60,1% bestimmt [61].

Aus diesen Untersuchungen und einer weiteren Phase-II-Studie aus Australien liegen insgesamt Sicherheitsdaten von > 30.000 mit NVX-CoV2373 geimpften Personen vor [62]. Eine Reaktogenität wurde im erwarteten Rahmen festgestellt. 62% gaben Schmerzen bzw. 75% Empfindlichkeit an der Einstichstelle an, 53% litten an Abgeschlagenheit, 51% an Myalgien, 24% an Arthralgien, 50% an Kopfschmerzen, 15% an Übelkeit/Erbrechen und 41% beschrieben ein generelles Krankheitsgefühl. Die Beschwerden traten nach der 2. Dosis häufiger auf und waren jeweils überwiegend mild bis moderat. Die mediane Dauer lag bei maximal zwei Tagen bei den lokalen und bei einem Tag bei den systemischen Nebenwirkungen [58]. Die gleichzeitige Gabe einer Influenza-Impfung führte zu einer verstärkten Reaktogenität und zu niedrigeren Anti-Spike-Antikörper-Titern [63].

Damit liegen zu NVX-CoV2373 Sicherheitsdaten in einem mindestens vergleichbaren Umfang wie bei den bisher verwendeten Vakzinen vor. Die Erfahrung aus dem Routineeinsatz mit alleine in Deutschland im Januar 2022 zum Teil täglich > 500.000 und bis zum 31. Januar 2022 insgesamt > 165 Millionen verabreichten Impfdosen, deren Sicherheit regelmäßig und strukturiert ausgewertet wurde, ist aber auch mittelfristig natürlich kaum aufzuholen.

Die STIKO empfiehlt NVX-CoV2373 ab 18 Jahren für die Grundimmunisierung und ggfs. auch als heterologe 2. Dosis [4]. Bei Kontraindikation gegen mRNA-Impfstoffe kann das Vakzin trotz fehlender Zulassung auch als Booster-Dosis eingesetzt werden (Tab. 1). Wann eine Booster-Dosis notwendig wird, ist noch nicht geklärt.

Die Zulassungsanträge von vier weiteren Impfstoffkandidaten werden von der EMA derzeit im beschleunigten Rolling-Review-Verfahren geprüft [64]. Bisher bekannte Eckdaten zu diesen Präparaten sind in Tab. 3 kurz zusammengefasst.

Tab. 3 Übersicht der vier SARS-CoV-2-Impfstoffkandidaten im aktuellen Rolling-Review-Verfahren der European Medicines Agency (EMA)
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PD Dr. med. Ulrich Seybold

Sektion Klinische Infektiologie Medizinische Klinik und Poliklinik IV LMU Klinikum Innenstadt