Ein längst fälliger Paradigmenwechsel vollzieht sich derzeit bei der Therapie der COPD: Die neue Nationale VersorgungsLeitlinie COPD setzt an die erste Stelle der Therapiemaßnahmen nun ganz offiziell die Tabakentwöhnung. Es folgt die nicht medikamentöse Therapie, wobei das körperliche Training hier als erste Maßnahme genannt wird. Erst im Anschluss wird die medikamentöse Therapie und danach die medizinische Rehabilitation aufgeführt.

Die Aussage der neuen Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) COPD, die derzeit als Konsultationsfassung vorliegt, ist mehr als deutlich: "Eine relevante Verbesserung der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) kann nur mit totaler Abstinenz erreicht werden. Deshalb soll rauchenden Patienten mit COPD dringend die vollständige und dauerhafte Abstinenz empfohlen werden", so lautet die erste Therapieempfehlung.

Hinsichtlich der Tabakentwöhnung orientiert sich die NVL COPD an der S3-Leitlinie "Tabakentwöhnung bei COPD", die seit Anfang dieses Jahres als Update vorliegt. Ziel dieser Aktualisierung war es, die systematisch entwickelten Entscheidungsgrundlagen für alle behandelnden und betreuenden Berufsgruppen und ebenso für Betroffene und deren Angehörige auf einem aktuellen Forschungsstand zu halten.

Die "Tabakleitlinie" umfasst dabei die evidenz- und konsensbasierten Empfehlungen zum Screening, der Diagnostik, der Behandlung und der Versorgungsorganisation, berücksichtigt aber zugleich, dass es sich bei der Tabakentwöhnung stets um einen individuellen Prozess handelt, der sich an den Bedürfnissen der Betroffenen ausrichten muss. Es wird jedoch ein Algorithmus beschrieben, der darstellt, wie ein Tabak rauchender Mensch zur Abstinenz motiviert werden kann.

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© Antonio_Diaz / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Selbsthilfeprogramme sollen beim Verzicht unterstützen.

Hinsichtlich der Diagnostik wird in der Tabakleitlinie zunächst ein systematisches Screening aller Patienten bei der umfassenden Anamnese im Rahmen des Erstkontakts empfohlen. Die weiterführende Diagnostik sollte dann mit dem Fagerström-Test für Zigarettenabhängigkeit (FTZA) erfolgen, um die Stärke der Zigarettenabhängigkeit einzuschätzen. Es wird ferner geraten, den Konsum von Tabak und verwandten Produkten in der Patientenakte zu dokumentieren.

Bezüglich der Therapie sollte Rauchern zunächst eine Kurzberatung zur Erreichung des Rauchstopps angeboten werden. Rauchern, die aufhören wollen, sollten anschließend weiterführende Hilfsangebote wie etwa eine Telefonberatung sowie Einzel- oder Gruppenbehandlungen unterbreitet bekommen. Besteht nur eine geringe Änderungsbereitschaft, so ist ein "Motivational Interviewing" angezeigt, um die Motivation zum Rauchverzicht zu steigern.

Neben einer qualitätsgesicherten telefonischen Beratung sollten Rauchern laut Tabakleitlinie auch qualitätsgesicherte internetbasierte wie auch mobile Selbsthilfeprogramme angeboten werden, einschließlich der Option zu einem individuellen Risiko-Feedback-Gespräch. Außerdem sind achtsamkeitsbasierte Ansätze (Mindfulness) laut Leitlinie zur Tabakentwöhnung anzubieten, nicht jedoch eine Aversionstherapie. Bei Personen mit ausgeprägter Tabakabhängigkeit ist bei entsprechender Indikation, z. B. bei einem Tabakentzugssyndrom, eine Kombinationstherapie aus Psychotherapie und Pharmakotherapie indiziert. Rauchern, die ihren Tabakkonsum reduzieren, aber nicht aufgeben wollen, kann ferner psychosoziale Unterstützung geboten werden. Als Hilfmittel kommen zudem eine Nikotinersatztherapie und ggf. auch eine Hypnotherapie infrage.

Weiterhin kontrovers diskutiert wird derzeit die Bedeutung von E-Zigaretten; einheitliche fundierte Empfehlungen zu dieser Thematik gibt es bislang nicht. Der Einsatz von E-Zigaretten erscheint jedoch aus persönlicher Sicht durchaus empfehlenswert, v. a. wenn der Patient nur noch E-Produkte nutzt. Hier dürften die gesundheitlichen Auswirkungen deutlich geringer sein als bei herkömmlichen Zigaretten.

Dass die Tabakentwöhnung auch aus gesundheitsökonomischer Sicht sinnvoll ist, zeigt eine exemplarische Analyse der COSYCONET-Kohorte. Unter der Prämisse, dass durch die Tabakentwöhnung v. a. ein Rückgang der schweren COPD-Fälle zu erwarten ist, ergibt sich bei rund sechs Millionen COPD-Patienten in Deutschland für den GKV-Bereich in grober Näherung ein jährliches Einsparpotenzial von ca. 3,8 Milliarden Euro.

Bewegungstraining

Laut NVL besitzen neben der Tabakentwöhnung die nicht medikamentösen Maßnahmen, allen voran das körperliche Training, einen hohen Stellenwert. Ideal ist die Teilnahme an Lungensportgruppen, was derzeit infolge der SARS-CoV-2-Pandemie jedoch nicht möglich ist. Stattdessen sollten die Patienten auf internetbasierte Bewegungsprogramme oder spezielle Apps verwiesen werden, wie sie von mehreren Unternehmen eigens zur Bewegungstherapie bei Lungenerkrankung entwickelt wurden.

Ganz generell sollten entsprechend den NVL-Empfehlungen alle COPD-Patienten "unabhängig von ihrem Krankheitsstadium über die hohe Relevanz und den Nutzen von körperlicher Aktivität im Alltag und von körperlichem Training aufgeklärt und über deren positiven Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung informiert werden".

Therapie abhängig von der Symptomatik

Die medikamentöse COPD-Therapie orientiert sich ebenso wie die GOLD-Empfehlungen an der jeweiligen Symptomatik des Patienten. Dabei wird ein Algorithmus aufgeführt, bei dem Patienten mit leichter bis mittelgradiger Symptomatik neben den allgemeinen Maßnahmen mit kurzwirksamen Bronchodilatatoren und ggf. mit einem langwirksamen Beta-Agonisten (LABA) oder einem langwirksamen Muscarinantagonisten ( LAMA) versorgt werden. Bei mittelschwerer bis schwerer Symptomatik besteht eine klare Indikation für die Behandlung mit LABA und/oder LAMA.

Sind bereits Exazerbationen aufgetreten, werden bis dato therapienaive Patienten mit einem LAMA oder einem LAMA plus einem LABA versorgt, vorbehandelte Patienten sollten eine Behandlung mit einem LABA plus einem LAMA erhalten. In der Eskalationsstufe kommt ggf. ein inhalatives Steroid (ICS) hinzu. Dieses ist laut NVL angezeigt bei einer Eosinophilie über ≥ 300 Zellen/µl. Ein Absetzversuch ist zu unternehmen bei einer Eosinophilie unter 100 Zellen/µl.

MEP-Fragebogen

ICS sowie Roflumilast sind v. a. bei Patienten mit häufigen Exazerbationen angezeigt. Diese sollten daher, so die Empfehlung in der NVL, "strukturiert erfasst und dokumentiert werden". Möglich ist dies über den Fragebogen Monitoring of Exacerbation Probability (MEP), mit dessen Hilfe sich Patienten mit häufigen Exazerbationen identifizieren lassen (Infobox 1).

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Dr. med. Thomas Hering

Niedergelassener Lungenfacharzt in Berlin