Aktuelle Leitlinienempfehlungen zum Thema gibt es aufgrund fehlender Studien noch nicht. Auf der Basis aktueller Daten und persönlicher Erfahrungen geben die Autoren aus pneumologischer, kardiologischer und hämostaseologischer Sicht Vorschläge zum Management von Patienten mit anhaltender Atemnot.

Aktuelle Studiendaten demonstrieren bei einem relevanten Anteil an Patienten mit COVID-19 eine prolongierte bzw. persistierende Symptomatik, welche über Wochen bis Monate anhalten kann und nicht immer mit dem Schweregrad der initialen Infektion assoziiert ist ("Long-COVID") [1]. Das Spektrum der Symptomatik ist dabei außerordentlich vielfältig. Zahlenmäßig deutlich im Vordergrund stehen jedoch persistierende Belastungsdyspnoe, retrosternales Druckgefühl, Palpitationen und Symptome chronischer Erschöpfung. Eine einheitliche Nomenklatur und zeitliche sowie inhaltliche Definitionen des Beschwerdebildes existieren bisher nicht. Auch bei Patienten ohne nachgewiesene COVID-19-Erkrankung, aber mit entsprechender Beschwerdesymptomatik sollte an ein Long-COVID gedacht werden.

Belastbare wissenschaftliche Daten zu Ausprägung, Risikofaktoren, Prognose und Management dieser Long-COVID-19-Beschwerden sind bisher nur begrenzt vorhanden. Aktuelle Leitlinienempfehlungen geben folgerichtig keine detaillierten Empfehlungen zum Management von Patienten mit persistierenden Beschwerden nach COVID-19-Infektion [2, 3]: Von der S2k-Leitlinie zur stationären Therapie von COVID-19 (Stand Ende April 2021) wird lediglich eine Nachuntersuchung bzgl. Langzeitfolgen innerhalb von 8-12 Wochen ohne nähere Spezifizierung empfohlen; die aktuelle DEGAM-Empfehlung hat das Thema benannt, gibt aber zur Nachsorge bisher keine Empfehlung.

Die Autoren des vorliegenden Artikels versuchen daher, auf Basis der aktuellen Daten und persönlichen Erfahrungen aus pneumologischer, kardiologischer und hämostaseologischer Sicht Vorschläge zum Management von Patienten mit persistierender Dyspnoe (definiert als z. B. fehlende Besserung nach Entlassung aus dem Krankenhaus bzw. Persistenz > 4 Wochen nach Symptombeginn bei milder Erkrankung) in der hausärztlichen Praxis zu geben, welche der aktuellen Situation entsprechen. Die Arbeit sollte dabei nicht als Leitlinie missverstanden werden, und sie versucht auch nicht, den vollen Umfang möglicher persistierender Beschwerden nach COVID-19 abzubilden, sondern fokussiert auf die Problematik der persistierenden Dyspnoe. Auch wird nicht das Management der akuten Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus besprochen, hierzu wird auf entsprechende Leitlinien [2, 3] verwiesen.

Häufigkeit und mögliche Bedeutung persistierender Dyspnoe nach COVID-19

Persistierende Symptome sind auch nach einer bakteriellen ambulant erworbenen Pneumonie häufig. Dies gerät in der aktuellen Diskussion manchmal leicht in Vergessenheit. So ist bekannt, dass etwa 85% der Patienten mit einer stationär behandelten Pneumonie 30 Tage nach Entlassung aus dem Krankenhaus noch Einschränkungen beklagen (47% Husten oder Atemnot; 73% allgemeine Schwäche). Bis zum Wiedererreichen des Gesundheitszustands, der vor der Pneumonie vorlag, vergehen teils bis zu 6 Monate [4, 5]. Dazu kommt, dass nach bakteriellen und viralen Pneumonien häufig akute Dekompensationen vorbestehender chronischer pulmonaler, aber auch kardialer Erkrankungen bis hin zum akuten Koronarsyndrom auftreten, die mit einem erhöhten post-stationären Letalitätsrisiko assoziiert sind [6, 7, 8].

Diese Aspekte sollten daher in der Nachsorge von COVID-19 wie auch aller anderen Atemwegsinfektionen stets berücksichtigt werden.

Besonders an der aktuellen COVID-19-Situation ist aber, dass die oft noch länger bestehenden persistierenden Symptome (insbesondere Belastungsdyspnoe) Ausdruck von durch SARS-CoV-2 getriggerten persistierenden oder sogar progredienten interstitiellen Lungenveränderungen sowie thromboembolischen Komplikationen sein können, was von besonderer Bedeutung für die Nachsorge ist.

Für COVID-19-Patienten nach einer stationären Behandlung zeigen aktuelle prospektive Studien in Nachfolgeuntersuchungen persistierende Symptome (v. a. Fatigue und Belastungsdyspnoe) bei etwa 60-75% der Patienten nach 2 und bei etwa 30-50% der Patienten nach 3-6 Monaten. Persistierende Dyspnoe wurde dabei in 30-40% nach 2 Monaten und in 10-25% nach 4-6 Monaten angegeben, häufig verbunden mit persistierenden Milchglasinfil-traten im CT. In Relation zur Symptomatik eher seltener ließen sich dagegen Einschränkungen in der Lungenfunktion nachweisen, und nur eine Minderheit der Patienten zeigte eine persistierende restriktive Ventilationsstörung bzw. eine eingeschränkte Diffusionskapazität. Jedoch wurden auch Fälle mit behandlungsbedürftigen interstitiellen Lungenerkrankungen beschrieben [9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16].

Etwas günstiger scheint der Verlauf bei ambulant behandelter COVID-19-Erkrankung zu sein. Eine große britische Online-Erhebung fand bei 10% der ambulant behandelten Patienten mit leichter Erkrankung noch Symptome nach 3 Wochen, in einer Erhebung aus den USA hatten 35% mild erkrankter ambulanter Patienten nach 2-3 Wochen noch nicht wieder ihren vorherigen Gesundheitszustand erreicht [17, 18]. In einer großen internationalen Studie an 4.182 Patienten nach COVID-19, von denen 93% ambulant behandelt worden waren, wiesen 13% Symptome nach 1 Monat, 5% nach 2 Monaten und 2% nach 3 Monaten auf; Fatigue und Dyspnoe waren dabei erneut die am häufigsten genannten Symptome [19]. Auf der anderen Seite zeigte eine MRT-Studie des Herzens bei 78% von überwiegend ambulant behandelten COVID-19-Patienten nach im Mittel 71 Tagen nach initialer Diagnose eine myokardiale Mitbeteiligung, allerdings ist der klinische Stellenwert dieser Befunde unklar [20].

Thromboembolische Ereignisse sind häufige Komplikationen bei stationär behandelten Patienten mit COVID-19 (ca. 5% auf der Normalstation und 31% auf der Intensivstation) [21]. Daten zu ambulanten Patienten mit COVID-19 bzw. zur Dauer eines persistierend erhöhten Risikos nach stationärer Entlassung liegen bisher nicht vor, es muss jedoch insbesondere bei Risikopatienten (erhöhte D-Dimere, frühere VTE, Malignom, BMI > 40, Schwangerschaft, Thrombophilie, schwere COVID-19-Erkrankung) von einer persistierenden Gefahr ausgegangen werden. So werden immer wieder Fälle von schweren venösen Thromboembolien, Myokardinfarkten und ischämischen Schlaganfällen (teils trotz eskalierter Heparinprophylaxe) auch in der Post-COVID-Phase berichtet.

Management persistierender Dyspnoe nach COVID-19 in der Hausarztpraxis

Folgende zentrale Aspekte sind beim Management von persistierender Dyspnoe nach COVID-19-Erkrankung aus Sicht der Autoren zu berücksichtigen:

  • Klinische Untersuchung, Oxygenierungsmessung, anamnestische Evaluation relevanter Komorbiditäten, anamnestische Abklärung eines erhöhtenw Thromboembolierisikos sowie EKG bei allen Patienten nach COVID-19;

  • Rasche Identifikation akut behandlungsbedürftiger Erkrankungen (v. a. thromboembolische Komplikationen und/oder akut dekompensierte vorbestehende kardio-pulmonale Komorbiditäten);

  • Bei Identifikation von Patienten mit Verdacht auf eine mit COVID-19-assoziierte interstitielle Lungenerkrankung: Überweisung zum Pneumologen;

  • Aufklären des Patienten über die oben genannten Aspekte und die hohe Frequenz persistierender Symptome nach COVID-19 sowie deren wahrscheinlich spontane Besserung im Verlauf;

  • Insbesondere nach schwerer COVID-19-Erkrankung und Ausschluss akut behandlungsbedürftiger Organkomplikationen sollte auch an die Möglichkeit einer Rehabilitation gedacht werden.

Hieraus kann als Vorschlag das Management-Schema nach Abb. 1 abgeleitet werden.

Abb. 1
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Managementschema

Dieser Algorithmus kann nicht die persönliche ärztliche Evaluation von Dyspnoe entsprechend aktueller kardiologischer und pneumologischer Leitlinien ersetzen, sondern soll die Evaluation der Dyspnoe im Kontext einer kürzlichen COVID-19-Erkrankung erweitern.

Aktuell bereits laufende nationale und internationale systematische wissenschaftliche Datenaufarbeitungen zur Nachsorge nach COVID-19 werden helfen, diese Vorschläge in hoffentlich absehbarer Zeit auf der Basis einer breiteren Evidenz zu aktualisieren und zu konkretisieren.

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Prof. Dr. med. Martin Kolditz

Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Bereich Pneumologie, Universitäts- klinikum Dresden

Anmerkung: Es handelt sich um einen aktualisierten Nachdruck eines im Ärzteblatt Sachsen, Heft 2/2021, S. 5ff publizierten Artikels