Eine symptomatische Infektion mit SARS-CoV-2 kann mit schwerwiegenden Veränderungen der Blutgerinnung einhergehen. Deshalb sollten auch ambulante COVID-19-Patienten mit Symptomen und weiteren Risikofaktoren eine medikamentöse Thromboseprophylaxe erhalten.

Mehreren Schätzungen zufolge haben rund 80% der Patientinnen und Patienten mit einer symptomatischen SARS-CoV-2-Infektion einen milden Verlauf, der in der Regel ambulant-hausärztlich behandelt wird. Bei einem Fünftel kommt es zu schweren Symptomen, die eine stationäre Aufnahme erfordern - zum Teil mit intensivmedizinischer Behandlung. Auffällig ist jedoch, dass sich ein schwerer COVID-19-Verlauf oft erst 6 bis 10 Tage nach dem Beginn der Symptomatik entwickelt, insbesondere bei Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren wie Alter, Diabetes mellitus, kardiovaskuläre Erkrankungen und Adipositas [1, 2, 3].

Inzwischen bestätigen zahlreiche Studienergebnisse, dass eine symptomatische Infektion mit SARS-CoV-2 auch mit schwerwiegenden Veränderungen der Blutgerinnung assoziiert sein kann [4, 5, 6, 7] und daher zu einem erhöhten Risiko für venöse und arterielle Thrombosen führt. Damit zählt COVID-19 zu den akuten internistischen Erkrankungen mit erhöhtem Thromboserisiko [8, 9, 10, 11, 12, 13].

Empfehlungen der S3-Leitlinie zur venösen Thromboembolie-Prophylaxe

Nach der aktuellen S3-Leitlinie [14] besteht bei akuten Infektionen mit strikter Bettlägerigkeit ein erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) und damit die Indikation zur medikamentösen Thromboseprophylaxe. Das individuelle VTE-Risiko steigt bei Vorliegen zusätzlicher dispositioneller Risikofaktoren (s. Abb. 1).

Die medikamentöse Prophylaxe soll vorzugsweise mit niedermolekularem Heparin (NMH) in Hochrisikoprophylaxe-Dosierung oder Fondaparinux erfolgen und in der Regel über 6 bis 14 Tage durchgeführt werden. Diese evidenzbasierten Empfehlungen wurden primär für hospitalisierte Patienten formuliert, jedoch wird auch darauf hingewiesen, dass die VTE-Prophylaxe in der ambulanten Medizin nach den gleichen Kriterien erfolgen soll wie die Prophylaxe im Krankenhaus [14].

Verschiedene medizinische Fachgesellschaften in Deutschland haben Empfehlungen zur Thrombose-Prophylaxe veröffentlicht, die auch Empfehlungen zum Antikoagulationsmanagement im ambulanten Sektor beinhalten:

  • GTH - Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung [15]

  • DGA - Deutsche Gesellschaft für Angiologie - Gesellschaft für Gefäßmedizin [16]

  • DEGAM - Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin [17].

Einfache Handlungsempfehlungen für die hausärztliche Praxis

Basierend auf den Empfehlungen der genannten Fachgesellschaften haben sechs Expertinnen und Experten aus den Bereichen Hämostaseologie und hausärztliche Versorgung einfache Handlungsempfehlungen zur Risikostratifizierung und Thrombose-Prophylaxe für ambulant versorgte COVID-19- Patienten erarbeitet. Die Empfehlungen sind die Grundlage für zwei einfache und schnell anwendbare Behandlungsalgorithmen, der auf die Anforderungen der hausärztlichen Praxis zugeschnitten sind (siehe Abb. 1 und Abb. 2). Er gilt für zwei Patientengruppen:

Abb. 1
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Thromboseprophylaxe bei ambulant behandelten, symptomatisch erkrankten COVID-19-Patienten

Abb. 2
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Thromboseprophylaxe bei poststationär behandelten COVID-19-Patienten

  • ambulant behandelte Patienten mit COVID-19

  • post-stationäre Behandlung von Patienten, die aufgrund einer COVID-19-Erkrankung im Krankenhaus versorgt werden mussten.

Der Algorithmus beschreibt zwei Behandlungsschritte:

1. Risikostratifizierung und Indikationsstellung für eine Thromboseprophylaxe: Ziel ist eine schnelle Beurteilung, ob Risikofaktoren für venöse Thromboembolien (VTE) vorliegen und daraus die Indikation für eine medikamentöse Prophylaxe abgeleitet werden kann.

2. Durchführung der Prophylaxe: Die Empfehlungen betreffen die Dosierung und Dauer einer medikamentösen VTE-Prophylaxe mit NMH, sofern keine Kontraindikation laut Fachinformation besteht.

Es sind verschiedene NMH-Präparate zugelassen. Die drei gebräuchlichsten und am umfangreichsten geprüften Präparate sowie deren Dosierungen sind:

Enoxaparin 4.000 I.E., s.c., 1 x tgl., Dalteparin 5.000 I.E., s.c., 1 x tgl., Certoparin 3.000 I.E., s.c., 1 x tgl.

Der vorgeschlagene Algorithmus beruht auf den aktuell vorliegenden Erkenntnissen und versteht sich vorbehaltlich einer Anpassung aufgrund der sich dynamisch entwickelnden Datenlage.

Direkte orale Antikoagulanzien sind in Deutschland zur VTE-Prophylaxe für Patienten mit akuten internistischen Erkrankungen nicht zugelassen und wurden deshalb hier nicht berücksichtigt. Klinische Studien mit Apixaban und Rivaroxaban bei COVID-19-Patienten sind noch in der Phase der Patientenrekrutierung [18, 19].

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Prof. Dr. med. Harald Darius

Vivantes Klinikum Neukölln, Berlin