Nie war die Auswahl an Lebensmitteln größer, waren die Ernährungstrends mannigfaltiger und die Empfehlungen für eine ausgewogene Ernährung gegenwärtiger. Da stellt sich die Frage, wie sich das auf die Ernährungsrealität unseres Nachwuchses auswirkt.

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Bei rein pflanzlicher Ernährung ist auf die ausreichende Zufuhr von Proteinen, Eisen, Kalzium, Jod und Vitamin B12 zu achten.

"Kinder und Jugendliche essen zu wenig Obst und Gemüse und zu viel Süßwaren und Knabberartikel." So brachte es Dr. Axel Enninger, Kindergastroenterologe am Klinikum Stuttgart, auf den Punkt. Dabei stützte er sich auf die neuesten Daten der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS). Jeder fünfte Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren nimmt mindestens 10% der Tageskalorien als Fastfood zu sich. Enninger hob dabei einen offensichtlichen Zusammenhang hervor: "Je niedriger der sozioökonomische Status und je länger der tägliche Medienkonsum, desto höher der Fastfood-Genuss." Bei allen Interventionen müssen daher Bildung und Herkunft in den Fokus rücken, so seine Forderung.

Quelle: Enninger A. Vortrag beim Kongress für Kinder- und Jugendmedizin 2021, 6.-9. Oktober 2021

Versorgung mit Mikro- und Makronährstoffen im Lot?

Eine Unterversorgung mit Mikronährstoffen sei aber nicht zu befürchten. Bei Vitamin D, Jod und Fol- säure liegen allerdings die täglich aufgenommenen Mengen etwas unter den empfohlenen Referenzwerten, so Enninger. Skeptisch steht der Gastroenterologe dem Trend zur Supplementierung gegenüber. Rund 6,5% der Mädchen und 4,6% der Jungen gaben in der KiGGS-Studie an, täglich Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen, 5% bzw. 7% schluckten ein- bis zweimal pro Woche entsprechende Präparate. Eine suboptimale Ernährung lasse sich so nicht aufbessern, es fehlten die wichtigen sekundären Pflanzeninhaltsstoffe.

Wie gesund ist vegan?

Mit der wachsenden Sensibilisierung für Nahrungsmittel wächst die Zahl der Jugendlichen, die sich rein pflanzlich ernähren. Doch es gibt laut Enninger Aspekte - wie etwa die Wertigkeit der Proteine - die es bei Heranwachsenden im Zusammenhang mit dieser Ernährungsform zu beachten gibt. Die Proteinmenge allein sei nicht ausschlaggebend, entscheidend sei vielmehr, wie viel Körpereiweiß durch 100 g Nahrungseiweiß aufgebaut werden kann. Essenzielle Aminosäuren seien dafür ein wichtiger Faktor, seien aber in Pflanzeneiweiß in geringeren Mengen enthalten als in tierischem Eiweiß. Besonders in den Wachstumsphasen werde die Deckung des Proteinbedarfs über rein pflanzliche Ernährung eine Herausforderung. "Es geht, aber nur mit großem Aufwand", so Enninger.

Abgesehen von den Proteinen sind es die Nahrungsbestandteile Eisen, Kalzium, Jod und Vitamin B12, die bei einer veganen Ernährung nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Besonders das Vitamin B12 müsse bei Veganern dauerhaft substituiert werden. "Ohne geht es nicht!" Mit angereicherten Lebensmitteln allein lasse sich der Bedarf nicht decken.

Glutenfrei für alle - keine gute Idee

Kritisch beurteilt Enninger auch den Trend, sich glutenfrei bzw. -arm zu ernähren. Die meisten verzichten auf Gluten ohne medizinische Notwendigkeit, wie Enninger mit Verweis auf die Zöliakie- und Weizenallergieprävalenzen betonte. Gesunde Menschen hätten aber keinerlei Nutzen von einer solchen Diät - im Gegenteil. Laut Nurses' Health Study aus dem Jahr 2017 gebe es keinen Zusammenhang zwischen Glutenkonsum und höherem kardiovaskulären Risiko. Mit dem Glutenverzicht sinke jedoch die täglich aufgenommene Ballaststoffmenge, was wiede-rum mit einem höheren kardiovaskulären Risiko assoziiert sei.

Hochverarbeitete Lebensmittel - so oder so ein Problem

Egal welchem Ernährungsstil man nun anhängt, immer problematisch sind hochverarbeitete Lebensmittel, wie Enninger betonte; auch wenn "vegan" oder "bio" darauf steht. Hinlänglich bekannt ist, dass mit dem Konsum stark verarbeiteter Lebensmittel das Risiko für Adipositas steigt [1]. Das Risiko, an Morbus Crohn zu erkranken, korreliere ebenfalls mit dem Verzehr dieser Lebensmittel [2]. Gemäß einer aktuellen weltweiten Analyse mit über 110.000 Erwachsenen verfünffache sich das Erkrankungsrisiko bei fünf oder mehr Portionen pro Tag; fast dreimal so hoch ist es bei einer bis vier Portionen. Geringer fiel der Zusammenhang mit dem Coltis-ulcerosa-Risiko aus.