In diesem Beitrag stehen die Empfehlungen zur intramuskulären Injektion bei COVID-19-Schutzimpfungen und die Vermeidung von Komplikationen zur Debatte. Darüber hinaus wird eine einfache Methode beschrieben, um den Musculus deltoideus problemlos zu identifizieren.

Aktuelle internationale Empfehlungen

Für die COVID-19-Impfung wird eine intramuskuläre Injektion in den Musculus deltoideus empfohlen [7]. Gemäß dem australischen Impfhandbuch soll der Patient die Hand in der gleichseitigen Hüfte abstützen, sodass ungefähr eine 60°-Abduktion des Armes erreicht wird und der M. deltoideus durch das Abstützen erschlafft [1, 4]. Die Injektion soll in der Mitte zwischen Akromion und Tuberositas deltoideus als anatomische Landmarken erfolgen [1].

Um eine subkutane Injektion zu vermeiden, wird traditionell ein 90°-Winkel zur Hautoberfläche empfohlen [3], und die Nadellänge soll 25 mm betragen. Bei adipösen Patienten können Injektionsnadeln bis zu 38 mm verwendet werden [1, 7]. Durch die Abduktion des Armes in einen 60°-Winkel gleitet die Bursa subacromialis unter das Acromion und ist so vor akzidentiellen Verletzungen geschützt, die zu Bursitiden führen können [1, 3, 5, 8].

Mögliche Komplikationen und wie sie vermieden werden können

Aufgrund von Impfungen kam es in der Vergangenheit zu Verletzungen des Schultergelenks, der Bursa subacromialis, der Nervi axillaris et radialis und zu Verletzungen der Arteria circumflexa posterior humeri [5, 6]. Um diese Strukturen nicht zu verletzen, wird als Lokalisation für die Impfung die Mitte zwischen Akromion und Tuberositas deltoidea in einer 60°-Abduktion des Armes empfohlen [5].

Das Impfwesen war früher an fachärztliche Gebietsgrenzen gebunden: Nur Kinderärzte, Allgemeinmediziner, Betriebsärzte und hausärztlich tätige Internisten waren damit betraut. Mit dem Masernschutzgesetz 2019 wurde festgelegt, dass jeder approbierte Arzt berechtigt ist, Schutzimpfungen durchzuführen [2].

Eine japanische Studie an Probanden hat mittels Ultraschall ergeben, dass vom Akromion aus in einer mittigen Linie in einer Entfernung von 10 cm bei Frauen und 12 cm bei Männern der sicherste Injektionspunkt liegt, um derartige akzidentelle Verletzungen zu vermeiden [9]. An diesem Punkt beträgt die Dicke des Deltoideus im Mittel 18 mm bei Frauen und 22 mm bei Männern [9]. Die mittlere Dicke der Subkutanschicht beträgt an dieser Lokalisation mit Ultraschall gemessen 9,8 ± 2 mm bei Frauen und 6,1 ± 1,6 mm bei Männern, sodass ein 90°-Winkel empfohlen wird, um sicher i.m. zu injizieren [9].

Trotz Literaturrecherche bleibt unklar, warum laut Empfehlungen der Arm in einem 60°-Winkel mit der Hand in der Hüfte abgestützt sein soll, damit der Muskel erschlafft ist (s. auch Infobox 1). Problematisch kann dies bei älteren Menschen in einem hypotrophen muskulären Zustand sein: Die Injektionskanüle kann Knochenkontakt mit dem Humerus haben, und der Impfstoff wird nicht in den Muskel injiziert. Durch eine aktive Abduktion des Armes wird der M. deltoideus angespannt und im Durchmesser vergrößert (Abb. 1 A, B).

Abb. 1
figure 1

© V.-S. Eckle

Ultraschallbeispiele: Die Dicke des M. deltoideus beträgt in hängender Position 1,36 cm (jeweils rote Linie) in Höhe der empfohlenen Lokalisation und einem Anlotwinkel von 90° (A). Wird der Arm aktiv auf 60° angehoben, misst die Deltoideus-Dicke 2,17 cm (B). Wird zusätzlich der Anlotwinkel auf 45° verringert, stellt sich der M. deltoideus mit einem Durchmesser von 2,81 cm dar (C).

Der adipöse Mensch hingegen läuft durch seine körperliche Statur Gefahr, eine nicht beabsichtigte subkutane Impfung zu erhalten. Diese kann zu lokalen Reizungen, Fremdkörpergranulomen und v. a. zu einer verminderten Wirksamkeit des Impfstoffes führen [1, 6]. Eine Studie aus Israel zeigte, dass durch Zusammenquetschen mit Daumen und Zeigefinger in Höhe des M. deltoideus die Dicke der Subkutanschicht zunimmt und die Gefahr einer subkutanen Injektion steigt [10]. Auch hier könnte die aktive Abduktion des Armes und Anspannung des M. deltoideus dazu beitragen, palpatorisch subkutanes Fettgewebe vom M. deltoideus zu unterscheiden.

Modifizierte Impfmethode: i.m. Injektion in den angespannten Deltoideus

Um sicher intramuskulär in den Deltoideus zu impfen, schlagen wir eine verbesserte Technik zur Identifikation des muskulären Gewebes und intramuskulären Impfung zur Diskussion vor. Lassen Sie den Patienten den Arm um 60° vom Körper abspreizen. In dieser abduzierten Position ist der Deltoideus am Ansatz der Tuberositas deltoidea gut tastbar. Nach Desinfektion legen Sie den Daumen an den Muskelansatz an und richten die Spritze in einem Winkel von 45° in den zuvor palpierten und sichtbaren kontrahierten Muskelbauch (Abb. 2). Eine langsame Injektionsgeschwindigkeit führt dazu, dass der Impfstoff sicher i. m. bleibt und nicht durch den Einstichkanal entweicht. Nach der Injektion wird der Impfling gebeten, den Arm locker fallen zu lassen, sodass der Deltoideus entspannt ist und durch die passiven muskulären Rückstellkräfte der Impfstoff i. m. verbleibt.

Abb. 2
figure 2

© V.-S. Eckle

Arm in einer 60° vom Körper abduzierten Stellung. Dadurch kann der M. deltoideus zwischen Zeigefinger und Daumen klar palpiert werden. Für die Impfung bleibt nach Desinfektion der Daumen in der Tuberositas deltoidea liegen. Der Ansatz des Deltoideus ist somit klar definiert und die Injektionsnadel kann in einem 45°-Winkel in den Muskelbauch eingeführt werden (oberer Pfeil).

Ziel dieser modifizierten Injektionstechnik ist es, mit einer höheren Wahrscheinlichkeit den Impfstoff i. m. zu applizieren. Bei muskulär kachektischen Patienten kann man, bei einem Injektionswinkel von 90°, den Humerusknochen mit der Nadelspitze touchieren (s. o.). Da der Radialisnerv eng am Humerus entlang über den Sulcus radialis bis zum Unterarm führt, kann Knochenkontakt und schlimmstenfalls eine Verletzung des Nervus radialis resultieren [5]. Durch eine Impftechnik in den angespannten Deltoideus in einem Winkel von 45° kann dies vermutlich reduziert werden (Abb. 1 C).

Ausblick

Diesbezügliche Studien sind im Sinne der Patientensicherheit wünschenswert. Sollten zukünftig Impfungen sonografisch gesteuert appliziert werden, ist es nicht relevant, ob der Muskel angespannt oder relaxiert ist. Auch in dieser Richtung sind Forschungsanstrengungen erstrebenswert.

figure 3

PD Dr. med. Veit-Simon Eckle

Helios Emil von Behring Klinikum, Notaufnahme/ Rettungsstelle, Berlin