Hämoglobin (Hb) besteht aus vier Eisen-II-Komplexen (Häm) und vier Proteinuntereinheiten (Globinen). Die wesentliche biologische Funktion ist der Sauerstofftransport. Daher wird die Hb-Konzentration für die Definition von Anämien und auch als Transfusionstrigger verwendet.

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Glukose kann nicht-enzymatisch an Aminogruppen der Globine binden. Der Anteil des glykierten HbA1c repräsentiert die Blutzuckerwerte in der Lebenszeit der Erythrozyten (ca. 120 Tage) und wird zur Krankheitsdefinition und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus verwendet. Bluterkrankungen mit verkürzter oder verlängerter Erythrozytenlebenszeit beeinflussen daher den HbA1c-Wert blutzuckerunabhängig: Bei Eisenmangelanämie steigt der HbA1c-Wert, bei anderen Anämien fällt er. Auch eine Blutspende senkt den HbA1c-Wert. Auf diese im Alltag häufigen Fallstricke muss geachtet werden.

Indikator für einen Eisenmangel

Da Häm Eisen enthält, ist die Hb-Konzentration ein Indikator für einen Eisenmangel, der weltweit häufigsten Mangelerkrankung des Menschen. Weil Hämoglobin fehlt, sind die Erythrozyten bei der Eisenmangelanämie hypochrom (MCV ↓) (Abklärung s. Abb. 1). Beweisend für den absoluten Eisenmangel ist ein Serumferritin < 12 ng/ml. Typisch ist eine begleitende milde, reaktive Thrombozytose, die sich nach Eisensubstitution zurückbildet. Der Serumeisenspiegel ist starken (bis Faktor 3 im Tagesverlauf!) nahrungsabhängigen und zirkadianen Schwankungen unterworfen und daher für die Diagnostik des Eisenmangels obsolet!

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Abklärung der hypochromen Anämie

Ferritin ist ein Akute-Phase-Protein und kann daher bei Tumorerkrankungen oder chronischer Inflammation trotz vorliegendem Eisenmangel hoch sein. Hier hilft der lösliche Transferrinrezeptor (sTfR) weiter. Er ist weder von Ferritin noch von Akute-Phase-Reaktionen abhängig, sondern reflektiert die Rezeptordichte und die Erythroblastenzahl - also den Eisenbedarf der Erythropoese. Der sTfR im Serum ist daher bei Eisenmangel erhöht. Ist der sTfR nicht erhöht, liegt ein funktioneller Eisenmangel im Sinne einer Anämie der chronischen Krankheit (ACD) vor.

Hämoglobinopathien

Bei mikrozytären Anämien muss nach Ausschluss des Eisenmangels an Hämoglobinopathien gedacht werden. Diese werden mittels Hämoglobin-Elektrophorese weiter abgeklärt.

Die häufigste Form bei sonst gesunden Menschen ohne Beschwerden ist die β-Thalassämia minor, der Trägerstatus einer autosomal rezessiven Mutation mit verminderter Synthese von β-Globinen. Dies führt zur verminderten Hämoglobinisierung der Erythrozyten und zur ineffektiven Erythropoese. Typisch ist eine sehr milde Anämie (Hb > 10 g/dl) aus sehr kleinen (MCV < 70 fl) und sehr hämoglobinarmen (MCH < 25 pg) Erythrozyten, die in ihrer Zahl meist nicht erniedrigt, sondern oft sogar erhöht sind. Die ineffektive Erythropoese ist an milden Hämolysezeichen zu erkennen, vor allem an der leicht erhöhten Retikulozytenzahl, die bei der Eisenmangelanämie erniedrigt sein müsste. Die Betroffenen benötigen i. d. R. keine Therapie, ein zusätzlicher Eisenmangel sollte aber natürlich vermieden werden.