Nicht wenige COVID-19-Patienten leiden unter gastrointestinalen Symptomen, in manchen Fällen ist dies sogar die einzige Symptomatik. Solche Patienten werden, wenn überhaupt, oft erst verspätet diagnostiziert und stellen bis dahin eine potenzielle Infektionsquelle dar.

COVID-19 ist primär, aber nicht ausschließlich eine Erkrankung der Atemwege. Typische Symptome sind Fieber, Atemnot und trockener Husten. Ein Geschmacks- und Geruchsverlust können frühe und charakteristische Symptome sein. Nicht wenige Patienten zeigen jedoch auch gastrointestinale Symptome, in manchen Fällen als einzige Symptomatik.

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Etwa 10% der COVID-19-Patienten klagen auch über Bauchschmerzen.

Die Daten zur Prävalenz der gastrointestinalen Symptome schwanken stark von Studie zu Studie. Appetit- und Gewichtsverlust gehören zu den häufigsten Symptomen und treten bei etwa 40-50% der Patienten auf [1]. Eine Diarrhö ist ebenfalls häufig und betrifft etwa 10-50% aller Infizierten. In der Mehrzahl der Fälle entwickelt sich die Diarrhö nach Diagnosestellung, aber bei rund 20% der Patienten gehört sie zu den frühen Krankheitssymptomen. Etwa 10% der Patienten entwickeln Übelkeit und Erbrechen und/oder Bauchschmerzen (Tab. 1). Die gastrointestinalen Symptome verschlechtern sich meist mit der Progression der Infektion. Eine kleine Patientengruppe (3% in einer chinesischen Studie) verspürt als einziges Symptom der Infektion gastrointestinale Beschwerden [2].

Tab. 1 Häufigkeit von gastrointestinalen Symptomen im Rahmen von COVID-19 [1]

Das Virus befällt nicht nur die Lunge

Das Virus zeigt einen Multiorgantropismus. In Autopsieserien wurde das Virus nicht nur in der Lunge, sondern auch im Herzmuskel, in der Leber, in den oberflächlichen Epithelien von Magen, Dünn- und Dickdarm, im Gehirn und den Nieren nachgewiesen [3, 4]. Als gesicherte Voraussetzung für den Eintritt des Virus in die Zelle gilt die Anwesenheit des membranständigen Angiotensin-Converting-Enzyme 2 (ACE2), das auch im Gastrointestinaltrakt exprimiert wird. Eine weitere Rolle scheint hierbei die transmembrane Serinprotease 2 (TMPRSS2) zu spielen [5].

Die Pathophysiologie hinter den gastrointestinalen Symptomen einer SARS-CoV-2-Infektion ist weiterhin Bestandteil aktueller Forschung. Neben der Infektion der Zellen scheinen auch sekundäre Mechanismen wie die Hypoxie, die körpereigene Immunantwort und Medikamentennebenwirkungen Einfluss auf die Verschlechterung der Leber- und Pankreasfunktion sowie Entwicklung von gastrointestinalen Symptomen zu haben [6].

Gastrointestinaltrakt

Aufgrund der hohen Expression des ACE2-Rezeptors im Gastrointestinaltrakt scheint hier das Potenzial für eine Virusreplikation gegeben. Eine dadurch induzierte Dysfunktion der Enterozyten wird als mögliche Ursache für Malabsorption sowie eine gestörte intestinale Sekretion mit konsekutiver Entwicklung von Diarrhöen und allgemeinen abdominellen Beschwerden diskutiert. Auch eine sekundäre Schädigung des Gastrointestinaltraktes durch eine inflammatorische Immunantwort erscheint möglich [2].

Patienten mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung (CED) haben kein generell erhöhtes Risiko für COVID-19. Unter einer immunsuppressiven Therapie kann das Risiko jedoch ansteigen, insbesondere unter systemischen Steroiden in einer Dosis von mehr als 20 mg Prednisonäquivalent täglich. Diese Therapie sollte deshalb in Pandemiezeiten möglichst reduziert und beendet werden. Bei Patienten in stabiler Remission unter kombinierter Therapie mit Anti-TNF-Antikörper und Thiopurin oder Methotrexat (MTX) sollte das Immunsuppressivum abgesetzt werden. Alle übrigen Therapien sollten unverändert beibehalten werden [7].

Im Falle einer COVID-19-Erkrankung eines CED-Patienten sollte eine Therapie mit Thiopurinen, Methotrexat und Tofacitinib für die Dauer der Infektion pausiert werden. Die Gabe von TNF-Antikörpern, Ustekinumab oder Vedolizumab sollte, falls eine Verabreichung in die Krankheitsphase fallen würde, bis zur Ausheilung der SARS-CoV-2-Infektion verschoben werden [7].

Hepatobiliäres System

Bei 14-53% der Patienten zeigen sich erhöhte Leberwerte als Ausdruck einer hepatischen Dysfunktion im Rahmen der COVID-19-Erkrankung. Dies ist vergesellschaftet mit schweren Verläufen [8]. Die genaue Pathogenese der erhöhten Leberenzyme ist weiterhin unklar. Eine direkte Infektion der Hepatozyten und Cholangiozyten erscheint unwahrscheinlich. Vielmehr scheint es sich um eine multifaktorielle Genese durch mikrothrombotische Endothelialitis, immunologische Dysregulation, Medikamentennebenwirkung sowie hepatische Ischämie bei Hypoxie und Multiorganversagen zu handeln [6].

Für die Entwicklung eines akuten Leberversagens in Verbindung mit einer chronischen Hepatitis B oder C gibt es bisher keine Hinweise. Dagegen konnte gezeigt werden, dass Patienten mit einer Leberzirrhose im Vergleich zu nicht-zirrhotischen chronischen Lebererkrankungen eine deutlich erhöhte Mortalität und erhöhte Raten an hepatischer Dekompensation aufweisen [9].

Pankreas

Der ACE2-Rezeptor wird in hohem Maße in den pankreatischen Inselzellen exprimiert. Dementsprechend ergibt sich auf theoretischer Basis die Möglichkeit einer direkten Schädigung der Inselzellen mit konsekutiver Entwicklung einer akuten diabetischen Stoffwechsellage [10]. Dies lässt sich jedoch im klinischen Alltag bisher nicht beobachten. In einer Metaanalyse wiesen 13% von insgesamt 397 Patienten erhöhte Lipase/Amylase-Werte auf. Lediglich 0,8% dieser Patienten zeigten Zeichen einer klinisch manifesten akuten Pankreatitis. Der Nachweis von erhöhten Pankreasenzymen scheint mit der Entwicklung von schweren Verläufen und der Notwendigkeit zur Intubation einherzugehen [11].

Virus im Stuhl

Das SARS-CoV-2-Virus ist mittels PCR bei rund der Hälfte der Patienten im Stuhl nachweisbar [1]. Es kann bis zu 10 Tagen nach der Konversion im Rachenabstrich noch detektiert werden, in manchen Fällen sogar länger als einen Monat [1, 12, 13]. Patienten mit Diarrhöen zeigen möglicherweise eine länger anhaltende Virusausscheidung über den Stuhl [1]. Ansonsten ist der Virusnachweis im Stuhl unabhängig vom Vorliegen gastrointestinaler Symptome oder vom Schweregrad der Erkrankung [13].

Selbst im Abwasser von Kläranlagen kann das Virus detektiert werden. Es gibt Versuche, durch die Bestimmung der Viruskonzentration im Abwasser Rückschlüsse auf das Infektionsgeschehen im jeweiligen Einzugsbereich der Kläranlage zu ziehen [14].

Der Virusnachweis im Stuhl wirft die Möglichkeit einer fäkal-oralen oder fäkal-respiratorischen Übertragung auf. Dies kann nicht ausgeschlossen werden, aber bislang sind keine solchen Übertragungen nachgewiesen worden. Immerhin gelang aber elektronenmikroskopisch der Nachweis von intakten Viren im Stuhl [15].

Endoskopie in Pandemiezeiten

Die europäische Endoskopie-Fachgesellschaft (ESGE) hat Empfehlungen ausgesprochen, die das Risiko einer Übertragung des Virus im Rahmen der Endoskopie minimieren sollen [16]. Die Schutzkleidung der Endoskopiker und Assistenzpersonen sollte stets hohen Anforderungen entsprechen (mindestens FFP2-Maske, zwei Paar Handschuhe, wasserdichter Kittel, Haube, Augenschutz [Brille, Gesichtsschutz]). Eine chirurgische Mund-Nasen-Maske wird nur bei niedrigem Infektionsrisiko (negativ getesteter Patient und nur sporadische Fälle in der Bevölkerung) empfohlen.

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Die europäische Fachgesellschaft ESGE empfiehlt eine Verschiebung elektiver Endoskopien in Zeiten mit hohen Infektionszahlen.

Die Fachgesellschaft spricht sich auch für eine Verschiebung elektiver Endoskopien zu Zeiten mit hohen Infektionszahlen aus. Solche Verschiebungen können jedoch fatale Folgen für die Patienten haben. Bei einer Verschiebung der Koloskopie um 6-9 Monate bei positivem Stuhltest sind signifikant mehr höhere Tumorstadien mit entsprechend schlechterer Prognose zu erwarten [17]. Für England sind bei einer Verschiebung um 6 Monate absolut 2.908 zusätzliche Todesfälle an kolorektalen Karzinomen berechnet worden [18]. Angesichts dieser erschreckenden Zahlen muss das Bestreben sein, möglichst wenige Endoskopien zu verschieben, was durch eine Strategie aus Testung der Patienten und hohen Schutzmaßnahmen möglich sein sollte.

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Prof. Dr. med. Dr. rer. biol.hum. Manfred Gross

Internistisches Klinikum München Süd