Regelmäßig kommen Patienten in die Hochdrucksprechstunde und haben eine Überweisung mit der Frage: Therapieresistente arterielle Hypertonie, renale Denervierung? Diese Patienten nehmen bereits viele Antihypertensiva und haben weiterhin exzessiv hohe Blutdruckwerte. Was können Sie diesen Patienten sagen?

Jeder Arzt, der Patienten mit arterieller Hypertonie betreut, war begeistert, als die ersten Ergebnisse der renalen Denervierung zur interventionellen Hochdrucktherapie erschienen [1]. Symplicity HTN-1 und HTN-2 zeigten zum Teil dramatische Blutdrucksenkungen [2, 3]. Es herrschten Aufbruchs- und Goldgräberstimmung. Blutdruck mit einem einfachen Eingriff heilen! Zuweiser, Kliniken und Patienten waren begeistert. Alle wollten mitmachen. Auch wissenschaftliche Journals waren euphorisch und publizierten großzügig.

Symplicity-HTN-3-Studie enttäuscht die Erwartungen

Große Ernüchterung trat ein, als die Daten der Symplicity-HTN-3-Studie publiziert wurden. In dieser Studie wurden die Patienten einer renalen Denervierung oder einem Scheineingriff unterzogen. Die Denervierung senkte den Blutdruck um 14 mmHg und der Scheineingriff um 12 mmHg - keine statistisch signifikante Differenz [4]. Die Aufregung war groß. Wie konnte das passieren? Es blieb bei zwei Interpretationen: Erstens: Design und Durchführung von Symplicity HTN-3 waren schlecht, und damit hatte das negative Ergebnis keine Aussagekraft. Zweitens: Die renale Denervierung hat keinen signifikanten Effekt auf den Blutdruck.

Für die renale Denervierung war es dann sehr erfreulich, dass in den Jahren 2017 und 2018 drei scheinkontrollierte Pilotstudien eine signifikante Blutdrucksenkung zeigen konnten. Zum einen waren das zwei Studien, die mit einem fortentwickelten, spiralförmigen Multielektrodenkatheter Patienten mit oder ohne antihypertensive Medikation untersuchten (SPYRAL HTN-ON MED und SPYRAL HTN-OFF MED) [5, 6]. Zum anderen konnte auch mit einer anderen Methode der renalen Denervierung der Blutdruck gesenkt werden. In der RADIANCE-HTN-SOLO-Studie wurde Radiofrequenzablation mit Ultraschall eingesetzt [7]. Es ist sehr erfreulich, dass unterschiedliche Therapieprinzipien zum gleichen Ergebnis, nämlich zu einer signifikanten Blutdrucksenkung, kommen. Alle drei Studien waren aber von der Patientenzahl her klein und hatten damit nur Pilotcharakter.

Aktuelle Studie

Ein wenig untergegangen in der COVID-19-Pandemie ist nun eine weitere wichtige, kürzlich im Lancet publizierte Arbeit [8]. Böhm und Kollegen berichten die Ergebnisse einer internationalen, einfachblinden, scheinkontrollierten Studie, die an 44 Zentren durchgeführt wurde. Die Patienten hatten einen Praxisblutdruck zwischen 150 mmHg und 180 mmHg und erhielten keine antihypertensive Medikation. Endpunkte waren 24-Stunden- und Praxisblutdruck nach drei Monaten. Für die Analyse wurden die Patienten aus der Pilotstudie und der Folgestudie zusammen ausgewertet. 331 Patienten wurden randomisiert und erhielten eine Denervierung (n = 166) oder einen Scheineingriff (n = 166). Die Blutdruckwerte sind in Abb. 1 gezeigt.

Abb. 1
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Mod. n. [8]

Die renale Denervierung führt zu deutlich niedrigeren systolischen Blutdruckwerten

Die renale Denervierung senkte nach drei Monaten den systolischen Blutdruck in der 24-Stunden-Blutdruckmessung um 3,9 mmHg mehr als der Scheineingriff. In der Praxisblutdruckmessung betrug die Differenz 6,5 mmHg. Der Blutdruck wurde in der 24-Stunden-Messung tagsüber und nachts gesenkt. Es gab keine durch den Eingriff verursachten Komplikationen.

Interpretation

Das biologische Konzept der renalen Denervierung ist damit bewiesen. Das Verfahren hat den Effekt eines antihypertensiven Medikaments. Leider scheiden sich an der Studie wieder die Geister. Man kann sagen: Das Verfahren ist sicher und senkt nach drei Monaten signifikant den Blutdruck bei hypertensiven Patienten, die keine Hochdruckmedikamente nehmen. Damit könnte die renale Denervierung zugelassen werden - eine Voraussetzung dafür, dass die Krankenkassen die Kosten für den Eingriff wieder übernehmen. Oder man sagt: 3,9 mmHg Blutdrucksenkung in der 24-Stunden-Blutdrucksenkung sind klinisch irrelevant, und die Methode hat keine Zukunft, da es unwahrscheinlich ist, dass sie zu einer nennenswerten Reduktion der Tablettenzahl bei Hypertoniepatienten führt [9].

Bei welchem Patientenkollektiv drückt uns der Schuh? Am meisten bei therapieresistenten Patienten, die unter multiplen Antihypertensiva weiterhin einen nicht kontrollierten Blutdruck haben. Für dieses Kollektiv nutzen uns die OFF-MED-Daten vermutlich wenig. Nicht wenige Patienten beklagen aber, dass sie mehr oder weniger alle Antihypertensiva nicht vertragen. Hier liegen neben der arteriellen Hypertonie auch multiple Unverträglichkeiten und/oder eine psychische Erkrankung vor. Für Patienten, die keine Medikamente nehmen können oder wollen, liegen SPYRAL-HTN-OFF-MED-Daten vor. Bei diesen Patienten würden wir den Praxisblutdruck im Schnitt um 6,5 und den 24-Stunden-Blutdruck um 3,9 mmHg senken. Jeder Millimeter Blutdrucksenkung zählt, und das individuelle Ansprechen auf das Verfahren ist durchaus unterschiedlich, was im Einzelfall auch zu größerer (oder geringeren) Blutdrucksenkung führen kann Auch wenn der Effekt auf den Blutdruck des einzelnen Patienten gering erscheint: Eine derartige Senkung des Blutdrucks geht theoretisch mit einer Reduktion des Schlaganfallrisikos und der Gesamtmortalität einher, selbst wenn der angestrebte Zielblutdruck nicht erreicht wird. Ist es aber klinisch relevant, wenn der systolische Druck in der 24-Stunden-Messung von 151,4 (das war der Ausgangswert in der Studie) auf 147,4 mmHg sinkt? Wir sind dann immer noch 17,4 mmHg von den angestrebten < 130 mmHg entfernt.

SPYRAL HTN-OFF MED ist eine wichtige Studie. Wir sind gespannt auf die nächsten Arbeiten. Wie stark kann der Blutdruck gesenkt werden, wenn die Denervierung zusätzlich zu einer bestehenden Medikation gegeben wird? SPYRAL HTN-ON MED läuft noch, und die Daten werden nächstes Jahr erwartet. Kann man Responder und Nonresponder schon vor dem Eingriff identifizieren? Wird es gelingen, bei der Denervierung messen zu können, wie erfolgreich die Intervention war? Hat renale Denervierung bei anderen Erkrankungen wie Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz oder metabolischen Erkrankungen einen Stellenwert? Sicher ist, dass wir zur Behandlung von Patienten mit Hochdruck neben der medikamentösen Therapie alternative Behandlungsoptionen benötigen.

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Prof. Dr. med. Ulrich Wenzel

III. Medizinische Klinik und Poliklinik Nephrologie, Rheumatologie und Endokrinologie, Universitätsklinikum Hamburg- Eppendorf