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Dr. med. Manja Hubald

© M. Hubald

Die Patientin war wegen einer schweren aktuellen Depressionsepisode zur Krisenintervention in die Psychiatrie aufgenommen worden. Wegen mehrerer Gastritiden in der Vergangenheit wurden ihre Beschwerden als gastritisch bewertet und mit einem PPI und Antiemetika behandelt. Als Kardiologen wurden wir konsiliarisch hinzugezogen. Ein EKG zeigte vier Tage nach Aufnahme eine ausgeprägte Sinusarrhythmie mit diffusen muldenförmigen ST-Streckensenkungen (Abb. 1).

Abb. 1
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Ausgeprägte Sinus arrhythmie mit diffusen muldenförmigen ST-Streckensenkungen.

Daraufhin wurde der Digitalisspiegel im Serum bestimmt, welcher mit 27 nmol/l am oberen Ende der therapeutischen Breite lag. Die Patientin verneinte die Einnahme von digitalishaltigen Arzneimitteln. Mit dem Ergebnis des Tests konfrontiert, gab sie dann aber zu, aus dem in ihrem Garten wachsenden Fingerhut einen Tee zubereitet und diesen in suizidaler Absicht getrunken zu haben.

Intoxikationen mit Fingerhut (Digitalis purpurea) können, ähnlich wie Arzneimittelüberdosierungen mit Digitoxin- oder Digoxin-Präparaten, eine Vielzahl an EKG-Veränderungen hervorrufen. Schon im therapeutischen Bereich fallen oft die typischen muldenförmigen ST-Streckensenkungen und eine Verkürzung der QT-Zeit auf. Bei Überdosierungen können Sinusbradykardien, Sinusarrhythmien, aber auch ventrikuläre Tachykardien (VT) zu sehen sein. Letztere sind häufig monomorph und teils untypisch mit schmalem QRS, können bisweilen aber auch als bidirektionale VT auftreten.

Bei der Patientin kam es ohne spezifische Therapie zu einer Besserung der als Intoxikationszeichen zu wertenden Übelkeit. Ein EKG drei Tage später zeigte eine Sinusbradykardie mit Rückgang der ST-Streckenveränderungen.

Abb. 2
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Fingerhut im Garten.