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Weltweit Millionen Erkrankte und Hunderttausende Tote — da greifen Ärzte nach jedem Strohhalm, um das Leben von schwer betroffenen COVID-19-Patienten zu retten. Viele Hinweise auf eine Wirksamkeit von Medikamenten beruhen bislang aber schlicht auf Beobachtungen oder retrospektiven Analysen, die durch viele Faktoren verzerrt sein können. Ergebnisse aus hochwertigen randomisiert-kontrollierten Untersuchungen (RCT) sind bislang rar, dies dürfte sich aber in den kommenden Monaten ändern: Bis Ende April waren in der US-Studiendatenbank ClinicalTrials.gov über 600 Interventionsstudien zu COVID-19 registriert, darunter auch viele RCT [1]. Grundsätzlich lassen sich die Ansätze in zwei Kategorien gliedern: das Repurposing vorhandener Therapeutika sowie neue spezifische Ansätze.

Drug-Repurposing

Der schnellste Weg zu einem wirksamen Therapeutikum wäre ein schon für andere Indikationen zugelassenes Medikament, das auch gegen das neue Coronavirus hilft. Derzeit liegen Daten aus kontrollierten Studien v. a. zu den Malariamitteln Chloroquin und Hydroxychloroquin sowie zu einigen Virustatika vor. Letztere könnten vor allem im Frühstadium der Erkrankung helfen.

  • Chloroquin (CQ)/Hydroxychloroquin (HCQ). Die beiden Malariamittel senken u. a. den Säuregehalt in Endosomen und erschweren Erregern damit den Eintritt in die Zelle. Welche Bedeutung dieser Pfad für SARS-CoV-2 hat, ist aber unklar. Auch immunmodulierende Effekte werden diskutiert, und in vitro wird die SARS-CoV-2-Replikation gehemmt. Erste Studien aus China und Frankreich hatten zunächst einen Nutzen der Malariamittel angedeutet, so wurde nach sechs Tagen mit einer CQ-Azithromycin-Kombination in der Studie aus Frankreich eine geringere Viruslast im nasopharyngealen Abstrich detektiert als in einer Kontrollgruppe ohne CQ [2].

    Allerdings war die Studie nicht randomisiert, sie führte aber dazu, dass in einigen Ländern schwer kranke COVID-19-Patienten mit hochdosiertem CQ oder HCQ behandelt wurden — nach Resultaten einer ersten RCT aus Brasilien offenbar zu deren Nachteil [3]. Aufgrund des medialen Hypes um Chloroquin konnten die Ärzte dieser Studie den Patienten im Kontrollarm kein Placebo mehr geben, daher verglichen sie eine Hochdosistherapie gegen eine Niedrigdosisbehandlung. Die Studie wurde jedoch vorzeitig abgebrochen, weil bereits nach sechs Tagen in der Hochdosisgruppe (1200 mg/d über zehn Tage) die Sterberate höher lag (18% vs. 10%) und die Patienten vermehrt ventrikuläre Tachykardien entwickelten, die auf QTc-Zeit-Verlängerung unter CQ zurückgeführt wurden. Zudem ließ sich keinerlei Einfluss auf die Viruslast erkennen. Nach dieser Studie scheint CQ den Patienten mehr zu schaden als zu nutzen.

    Auch eine retrospektive Analyse von US-Daten kommt auf ein 2,6-fach erhöhtes Sterberisiko unter HCQ, sofern bekannte Begleitfaktoren wie Schwere der Erkrankung, Alter und Geschlecht berücksichtigt werden [4]. Weitere Untersuchungen laufen, u. a. als Teil der offen randomisierten Multi-Arm-Studie SOLIDARITY der WHO.

  • Lopinavir/Ritonavir. Dem HIV-Medikament Lopinavir wurde bei In-vitro-Screenings gegen das SARS-Virus aus dem Jahr 2003 eine Wirksamkeit attestiert, Ärzte hatten es anschließend gegen die neue Krankheit eingesetzt, allerdings nicht in kontrollierten Studien. Lopinavir hemmt die 3-Chymotrypsin-ähnliche Protease, welche virale Polypetide verarbeitet, und wird zur Verlängerung der Plasmahalbwertszeit mit Ritonavir kombiniert [5]. Die Kombination wurde in China schon früh gegen COVID-19 eingesetzt, Mitte März erschienen die Resultate einer offenen RCT mit fast 200 Patienten [6]. Hier zeigte sich kein Vorteil bei der Zeit bis zu einer klinischen Besserung. Allerdings erhielten die Patienten die Medikation im Median erst zwei Wochen nach Symptombeginn. Aber auch in einer Subgruppe bei früher behandelten Patienten deutete sich kein klarer Nutzen an.

  • Remdesivir: Das Adenosin-Analogon ist bislang zwar nicht zugelassen, wurde aber schon vor einigen Jahren als Breitspektrum-Virustatikum gegen RNA-Viren entwickelt. Es hemmt die virale RNA-Polymerase und damit die Virusreplikation. Tierexperimente sprechen für eine gute Wirksamkeit gegen diverse Coronaviren, in einer ersten RCT mit COVID-19-Patienten aus China konnte Remdesivir den Krankheitsverlauf jedoch nicht verkürzen [7]. Allerdings deutete sich eine geringere Mortalität — 11% vs. 15% unter Placebo — bei Patienten an, die in den ersten zehn Tagen nach Symptombeginn behandelt worden waren. Zudem mussten die Patienten unter Remdesivir nur halb so lange beatmet werden wie unter Placebo. In einer weiteren RCT aus den USA konnte Remdesivir die Zeit bis zur Genesung nach ersten Zwischenergebnissen signifikant um etwa ein Drittel verkürzen, ähnlich stark, aber statistisch nicht signifikant reduziert wurde die Sterberate. Die Resultate sind jedoch bislang nur auf einer Pressekonferenz verkündet worden [8].

  • Weitere Virustatika: Umifenovir (Arbidol) wird in Russland und China gegen Influenzaviren eingesetzt und soll auch die Bindung des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 an den Rezeptor ACE2 erschweren. Erste Fallberichte und nichtkontrollierte Studien lassen eine gewisse Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 vermuten, Resultate aus RCT fehlen noch. Favipiravir hemmt als Nukleotid-Analogon ähnlich wie Remdesivir die RNA-Polymerase und ist in Japan zur Influenzatherapie zugelassen. In einer RCT wurde es bei 240 COVID-19-Patienten gegen Umifenovir geprüft, insgesamt gab es bei der Genesungsrate nach sieben Tagen keine Unterschiede zwischen den Gruppen, bei Patienten mit moderatem Verlauf aber war Favipiravir mit einer Genesungsrate von 71% vs. 56% im Vorteil [5]. Für Ribavirin und Oseltamivir gibt es keine Hinweise auf eine Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2. Ivermectin, ein Antiparasitikum mit breiter antiviraler Wirksamkeit, zeigte in vitro einen Effekt [9]. Ähnliches gilt für das Antiparasitikum Nitazoxanid.

  • IL-6-Blocker: Ein Problem bei schweren COVID-19-Verläufen ist wohl auch eine übermäßige Immunreaktion, ein sog. Zytokinsturm. Immunmodulatoren könnten daher in der kritischen Phase der Erkrankung, in der von Virustatika nicht mehr viel zu erwarten ist, vielleicht noch Leben retten. Ein solcher Zytokinsturm wird oft über Interleukin-6 (IL-6) vermittelt. In einer Studie mit dem IL-6-Blocker Tocilizumab konnten 15 von 20 beatmeten COVID-19-Patienten ihren Sauerstoffbedarf reduzieren, Daten aus kontrollierten Studien fehlen aber [10]. Eine solche gibt es für Sarilumab — hierbei ließen sich CRP-Werte senken, allerdings ohne klare Hinweise auf einen klinischen Nutzen [11].

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Noch steht der therapeutische Durchbruch gegen SARSCoV-2 aus.

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Spezifische Therapien

Eine ganz neue Therapie spezifisch gegen SARS-CoV-2 zu entwickeln, benötigt viel Zeit — sie könnte daher weit nach einem Impfstoff auf den Markt kommen. Entsprechend finden sich dazu kaum klinische Studien. Am ehesten dürfte eine Antikörpertherapie noch in der laufenden Pandemie zum Zuge kommen — hier gibt es etablierte Entwicklungs- und Produktionsverfahren. In der einfachsten Form beruht eine solche Therapie auf dem Rekonvaleszenten-Plasma genesener COVID-19-Kranker. Allerdings bedarf es dazu einer genügenden Zahl von Spendern mit ausreichend hohen Antikörpertitern. Eine solche Therapie schien bei SARS erfolgreich zu sein. Inzwischen gibt es viele Fallberichte zu einem Nutzen gegen COVID-19, Resultate von RCTs fehlen noch, Studien dazu laufen auch in Deutschland.

Eleganter wäre eine Behandlung mit passenden monoklonalen Antikörpern, die sich in Reinform in größeren Mengen produzieren lassen. Hier scheint sich aus der SARS-Forschung ein erster Erfolg zu ergeben. Forscher aus Utrecht haben gegen SARS-CoV-1 geprüfte Antikörper auf ihre Eignung gegen das neue Coronavirus geprüft und einen Kandidaten gefunden, der SARS-CoV-2 in Zellkulturen wirksam neutralisiert [12]. Der Antikörper könnte sich sowohl zur Therapie als auch zum Virusnachweis eignen.