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Univ.-Prof. Dr. med. univ. Markus Gosch Universitätsklinik für Geriatrie, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Klinik Nürnberg, Medizinische Klinik 2, Schwerpunkt Geriatrie

Übertragen wird SARS-CoV-2 über Tröpfchen und direkte Mensch-zu-Mensch-Kontakte. Besonders kritisch werden Aerosole, vor allem in geschlossenen Räumen, gesehen, wenngleich die Evidenz fehlt [1]. Zwar kann das Virus auf Gegenständen bis zu neun Tagen überleben, über die Transmission durch Gegenstände ist aber bisher wenig bekannt.

Der Nachweis von SARS-CoV-2 erfolgt mittels MRT-PCR nach einem tiefen Rachenabstrich und induziertem Husten. Der Antikörpernachweis spielt aktuell noch eine untergeordnete Rolle. IgM-Antikörper werden im Serum nach drei bis fünf Tagen positiv, IgG-Antikörper weisen auf eine durchgemachte Infektion und damit eine mögliche Immunität hin. Aktuell ist noch nicht gesichert, ob es nach einer durchgemachten Infektion zu einer vorübergehenden Immunität kommt.

Letalität von Land zu Land und von Region zu Region verschieden

In fast allen Publikationen wird die ältere Bevölkerung als besondere Risikogruppe angesehen, auch wenn die überwiegende Anzahl der Infektionen jüngere Altersgruppen betrifft. Die Letalität scheint von demografischen Daten eines Landes bzw. einer Region beeinflusst zu werden. In China lag die Letalität bei 2,3%, und der Anteil der über 80-Jährigen betrug 3% . Die Letalität lag in dieser Altersgruppe bei 14,8% [2].

Anders stellt sich die Situation in Italien dar. 37,6% der Infizierten sind 70 Jahre oder älter, und die Letalität ist mit 7,2% deutlich höher als in China. Die Letalität steigt mit dem Alter an, jedoch liegen keine Daten zur Funktionalität, Frailty und Komorbidität vor. Daher sind diese Zahlen vorsichtig zu interpretieren. In der Altersgruppe 70–79 Jahre versterben 12,5%, in der Gruppe der 80- bis 89-Jährigen 19,7% und bei Hochaltrigen (≥ 90 Jahren) 22,9% [3].

In China wurden im Rahmen des Ausbruchs 1.716 Krankenhausmitarbeiter infiziert. 14,8% hatten einen schweren Verlauf. Die Letalität liegt in dieser Gruppe bei 0,3% [2].

Belastbare Zahlen?

Eine Aussage über die tatsächliche Gesamtletalität und die Letalität in den verschiedenen Altersgruppen ist derzeit nur bedingt möglich. Einerseits rechnet man mit einer hohen Anzahl von milden Verläufen bis hin zu asymptomatischen Patienten (80–85%), andererseits sind Testmöglichkeiten beschränkt und differieren von Land zu Land.

In einer ersten repräsentativen österreichischen Querschnittsstudie fand sich in einer Zufallsstichprobe von 1.544 Personen aller Altersgruppen (PCR-Testung auf SARS-CoV-2) eine Prävalenz von 0,33%. Dies würde für Österreich einer Zahl von 28.500 Infizierten entsprechen, etwa dreimal höher als die bereits bekannten Fälle [4]. In den „Hotspots“ lag die Prävalenz zwischen 13% und 19% [5]. Nimmt man die Daten aus Heinsberg mit einer Letalität von 0,37%, zeigt sich eine deutliche Abweichung gegenüber der von der Johns Hopkins Universität für Deutschland errechneten Mortalität von 3,6% (Stand: 24.04.2020) [6].

Neben dem Alter sind Komorbiditäten (vor allem koronare Herzkrankheit) und ein hoher SOFA-Score (Sequential Organ Failure Assessment) signifikante Prädiktoren für einen schweren bis tödlichen Verlauf [7]. Auf Grund des langen Krankheitsverlaufes ist mit einer deutlichen Zunahme von funktionellen Beeinträchtigungen, besonders bei älteren Patienten zu rechnen. Daten hierüber liegen derzeit noch nicht vor. Um die Selbstständigkeit dieser Patienten, nicht nur nach der intensivmedizinischen Behandlung, sondern auch nach Isolierung und der damit verbundenen eingeschränkten verminderten therapeutischen Möglichkeiten, wiederherzustellen, ist ein deutlich vermehrter Bedarf an rehabilitativen Maßnahmen zu erwarten.

Symptome und klinischer Verlauf

Die COVID-19-Symptomatik weist ein weites Spektrum auf. Bei 81% der Patienten nimmt die Erkrankung einen milden, bei 14% einen schweren Verlauf. Intensivpflichtige schwere Verläufe werden mit 5% angegeben [2]; wegen der zahlreichen asymptomatischen Verläufe kann dies aber zu hoch gegriffen sein. Dies legen auch Daten des Kreuzfahrtschiffes Diamond Princess nahe. Mizumoto et al. gehen von 17,9% asymptomatischen Infektionen aus [9], Nishiura et al. von 30,8% [10]. Die Inkubationszeit liegt zwischen 1,8 und 14,6 Tagen [11].

Klinisch sind Fieber (43,8–94%), z. T. auch erst im Verlauf, und trockener Husten (67,8–79%) die Leitsymptome. Beschwerden wie Atemnot (15,1–53,7%) meist kennzeichnend für einen schweren Verlauf (s. auch Kasten oben), Auswurf (23–35,3%), Myalgien (15–17,3%), allgemeine Schwäche (23–39,9%), Kopfschmerzen (13,4–15%), Diarrhö (3,8–5%), Übelkeit und Erbrechen (4–5%) können ebenfalls auftreten [7, 12]. Berichtet wurde auch über vorübergehende Geruchs- und Geschmacksstörungen am Beginn der Erkrankung [13].

Laborchemisch zeigt sich häufig eine Lymphozytopenie (83,2%), bei etwa einem Drittel in Verbindung mit einer Leukozytopenie. Das C-reaktive Protein (CRP) ist meistens erhöht, wobei das Procalcitonin im Normbereich bleibt, außer bei einer bakteriellen Superinfektion [12]. In etwa 40% der Fälle treten eine Thrombozytopenie, Laktatdehydrogenase(LDH)- und D-Dimer-Erhöhung auf, die auch prognostisch relevant sind [12].

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Fieber ist ein Leitsymptom der COVID19-Infektion.

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Therapieoptionen

Aktuell gibt es keine etablierte Therapie für COVID-19. Allerdings laufen zahlreiche Studien mit verschiedenen Substanzen, welche in anderen Indikationen eine Zulassung haben. Einige dieser Substanzen finden sich z. T. in nationalen Leitlinien wieder [17, 18]. Hierzu gehören Remdesivir, Lopinavir/Ritonavir, Favipiravir, Chloroquin und Hydroxychloroquin, Immunoglobuline, Plasma von Rekonvaleszenten und Tocilizumab.

Erste positive Ergebnisse gibt es für Remdesivir. Bei 61 Patienten mit schwerem Verlauf kam es darunter in 68 % zu einer klinischen Besserung [19]. Erste negative Ergebnisse gibt es z. B. für Lopinavir/Ritonavir [20]. Einen sehr guten Überblick über die aktuellen Therapieoptionen bietet ein Artikel von Phua et al. im Lancet Respir Med [21].

Andockmöglichkeiten für SARS-CoV-2 werden durch ACE-Hemmer, Sartane, Glitazone und Ibuprofen durch Hochregulation des zellulären ACE-2-Rezeptors erhöht. Theoretisch könnten diese Substanzen damit einen negativen Einfluss auf den Verlauf haben. Da wissenschaftliche Belege fehlen, kann man zum jetzigen Zeitpunkt keine Empfehlung aussprechen, diese Substanzen nicht zu verordnen oder sogar abzusetzen [22].

Auswirkungen auf medizinische Strukturen

In den ersten Wochen der Pandemie liegt der Schwerpunkt in der akut- und intensivmedizinischen Versorgung der COVID-19-Patienten. Dies hat die medizinische Versorgung, sowohl im Teilbereich der Akutmedizin wie auch im rehabilitativen Bereich zurückgedrängt.

Entgegen der Erwartung einer Zunahme von Notfallpatienten melden die Notaufnahmen einen deutlichen Rückgang der Patientenzahlen [23]. Erklärungen für diesen Trend sind spekulativ. Es ist aber nicht zu erwarten, dass häusliche Isolation zu einem Rückgang von Myokardinfarkten, Schlaganfällen oder kardialen Dekompensation führt. Vielmehr scheinen die Patienten aus Angst vor einer ungenügenden Versorgung oder Ansteckung eine Krankenhausaufnahme zu vermeiden.

Zahlreiche geriatrische Akutabteilungen wurden vorübergehend geschlossen bzw. für COVID-19-Patienten zur Verfügung gestellt. Bedenkt man die Charakteristika der Hochrisikogruppe (eingeschränkte Funktionalität, Multimorbidität und hohes Alter), wird die Fokussierung auf die reine Akutversorgung den Bedürfnissen dieser Patienten nicht gerecht.

Neben dem Management der Komorbiditäten wird es entscheidend sein, Komplikationen, z. B. dem Delir, frühzeitig vorzubeugen. Zwar steht auch von geriatrischer Seite das Überleben in der kritischen Phase im Vordergrund. Dennoch wird die Überwindung der Immobilitätsphase ein wesentlicher Aspekt für ein gutes Outcome dieser Patienten sein.

Kritisch ist, stationäre rehabilitative Einrichtung zu schließen!

Umso kritischer in diesem Zusammenhang sehen wir den staatlichen Aufruf, stationäre rehabilitative Einrichtungen zu schließen und für die Behandlung akuter Patienten zur Verfügung zu stellen. Die Umsetzung wird das Angebot an stationärer geriatrischer Rehabilitation weiter reduzieren.

Ältere und alte gebrechliche Patienten werden weiterhin stürzen, Frakturen oder Schlaganfälle erleiden. Die (früh-)rehabilitativen Behandlungen in dieser Altersgruppe sind weder elektiv noch aufschiebbar. Eine Umwidmung oder Schließung der geriatrischen Rehabilitationskliniken schafft zusätzliche Probleme für das Entlassungsmanagement aus den Akutkliniken und führt damit zu einer Verknappung der Betten vor Ort.

Auswirkungen auf den stationären und ambulanten Pflegesektor

Die aktuelle Krise hat auch massive Auswirkungen auf den stationären und ambulanten Pflegesektor. Die aktuell ausgesprochenen Besuchseinschränkungen/-verbote in Pflegeeinrichtungen sind zwar der richtige Schritt, führen aber dennoch längerfristig zu Problemen.

Das Aussetzen von Regelvisiten im Heim und Hausbesuche ohne konkreten Behandlungsanlass kann eine mögliche Infektionsausbreitung verhindern. Eine umfangreiche Testung ist zu fordern, um die Einschleppung von SARS-CoV-2-positiven Patienten in die stationäre und ambulante Pflegeversorgung zu verhindern.

Ein „präventiver“ Aufnahmestopp in Pflegeheime ist allerdings kontraproduktiv und führt zu einer Belastung der Krankenhäuser und zu einer Überforderung der familiären und ambulanten Pflege. Diese Überforderung führt zu mehr Krankenhauseinweisungen, sodass hier Behandlungskapazitäten knapper werden. Gesundheitspolitische Krisenmanager sind in der Pflicht, den Engpass in der Pflege frühzeitig zu entzerren und für entsprechende Schutzausrüstung — zum Schutz der Patienten und der Mitarbeiter — zu sorgen [24].

Und wenn alles knapp wird?

Bei völliger Überlastung der stationären Krankenversorgung müssen die vorhandenen Ressourcen unter Beachtung ethischer Aspekte verteilt werden. Die Geriatrie kann hier in Zusammenarbeit mit der Allgemeinmedizin durch ihre Erfahrung und das Erkennen von Ressourcen, aber auch von Risiken, einen wichtigen Beitrag für eine zielgerichtete Therapie bei Ressourcenknappheit leisten.

Auch wenn COVID-19 einen Altersbias in Erkrankungsschwere und Sterblichkeit zeigt, darf keinesfalls eine Behandlungsgrenze „willkürlich“ nach dem Alter gezogen werden. Eine individuelle Betrachtung und patientenzentrierte Entscheidungsfindung, unabhängig davon, wo sich der Patient befindet, auf der Intensivstation, in der Notaufnahme oder im Pflegeheim, aber auf Grundlage der zu erwartenden Heilungschancen und dem Patientenwillen, ist das einzig zulässige Verfahren.

Schon jetzt müssen sich Krankenhäuser und Gesundheitspolitik Gedanken machen, wie die Strukturen rasch an die neuen Bedürfnisse angepasst werden können. Die Corona-Krise wird den demografischen Wandel kaum beeinflussen, aber nach den ersten Wochen der Krise wird sich erheblicher Behandlungs- und Rehabilitationsbedarf ergeben. Die Akutkrankenhäuser und Rehabilitationseinrichtungen müssen unmittelbar nach dem zu erwartenden Peak konsequent wieder ihre ursprüngliche Funktion aufnehmen, um diesen Bedarf zu decken.