_ Auf über 20 Seiten werden in der DVO-Leitlinie Osteoporose Krankheiten aufgelistet, die als Risikofaktoren gelten. Die HIV-Infektion ist nicht darunter. Aus Sicht der Osteologen Dr. Thomas Seppel, Mönchengladbach, und Prof. Klaus M. Peters, Nümbrecht, ein echtes Versäumnis: „HIV-Infektion und antiretrovirale Therapie sind bedeutsame osteologische Risikofaktoren.“ Sie begünstigen vor allem die Pathogenese von Osteoporose, aber auch von Osteomalazie und Osteonekrosen, wie Seppel und Peters darlegen [1]. Von Osteoporose dürften etwa 15% der HIV-Patienten betroffen sein, eine Osteopenie besteht bei bis zu 70%. Insgesamt ist daher bei HIV-Infizierten von einem erhöhten Frakturrisiko auszugehen. In einer Metaanalyse war das Risiko für Wirbelkörperfrakturen bei ihnen gut doppelt so hoch wie bei HIV-negativen Menschen.

Infektion und Therapie reduzieren Knochendichte

Die erhöhte Osteoporoseprävalenz von HIV-Infizierten wird auf viele Ursachen zurückgeführt: Zum einen können die Virusinfektion selbst und die dadurch unterhaltene chronische Inflammation zu verstärkter Knochenresorption und vermindertem Knochenaufbau führen. Zum anderen kann auch die antiretrovirale Therapie (ART) zum Verlust der Knochendichte beitragen. Auch Folgeerkrankungen der HIV-Infektion wie ein Hypogonadismus können dem Knochenstoffwechsel schaden. Eine Lipodystrophie, die sich häufig als Folge der ART entwickelt, gilt ebenfalls als eigenständiger Risikofaktor. Hinzu kommen lebensstilbedingte Risikofaktoren für eine niedrige Knochendichte, z. B. Mangelernährung, Rauchen oder Alkoholkonsum. Zu achten ist auch auf Begleitmedikationen, die die Knochendichte herabsetzen können, etwa Kortikosteroide oder Protonenpumpenhemmer.

DXA-Screening für HIV-Patienten

Um eine Osteoporose bei HIV-Patienten frühzeitig zu erkennen, wurden Screening-Empfehlungen erarbeitet [2]. Danach sollten alle Männer über 50 und alle postmenopausalen Frauen einer DXA-Densitometrie unterzogen werden. Bei jüngeren HIV-Patienten ist eine Knochendichtemessung indiziert, wenn eine Fraktur ohne adäquates Trauma aufgetreten ist oder weitere Risikofaktoren vorliegen. Therapeutisch bedeutsam ist der Ausschluss einer sekundären Osteoporose und einer Osteomalazie.

Bestätigt die DXA-Untersuchung eine Osteoporose, soll sich die Therapie an der DVO-Leitlinie orientieren. Die Basis bilden Allgemeinmaßnahmen mit ausgewogener Ernährung, Muskeltraining und Tabakentwöhnung sowie eine ausreichende Zufuhr von Kalzium und Vitamin D (Ziel-Serumspiegel 30 ng/ml). Von den spezifischen Osteoporosemedikamenten sind bislang nur Aledronat und Zoledronat in größeren Studien speziell bei HIV-Patienten untersucht worden. Bei schweren Verläufen kann laut Seppel und Peters auch das osteoanabol wirkende Teriparatid erwogen werden; Daten zu Denosumab liegen bislang nicht vor. Eine DXA-Kontrolle wird alle zwei Jahre empfohlen, nach drei bis fünf Jahren soll die Indikation zur Fortsetzung der Therapie geprüft werden.

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Osteoporose: HIV-Patienten sind besonders gefährdet.

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Osteoporoserisiko durch PrEP?

Bei bekannter Osteoporose sollten außerdem Therapieregime mit Tenofovir oder Proteaseinhibitoren vermieden bzw. nach Möglichkeit umgestellt werden. Tenofovir ist (zusammen mit Emtricitabin) auch Bestandteil der HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP). Laut einer Studie mit 250 PrEP-Patienten sind die Auswirkungen auf den Knochen aber eher gering. DXA-Messungen zeigten bei täglicher Einnahme nach 24 Wochen einen Abfall der Knochendichte um 1,2% in den Wirbelkörpern und um 0,5% in der Hüfte; Frakturen wurden nicht beobachtet.