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Univ. Prof. Dr. med. Jürgen Behr Medizinische Klinik und Poliklinik V, Klinikum der Universität München, Asklepios Fachkliniken München-Gauting, Comprehensive Pneumology Center, München

_ Interstitielle Lungenerkrankungen (ILE) sind eine ätiologisch heterogene Gruppe von über 150 unterschiedlichen Erkrankungen. Gemeinsam ist ihnen, dass sich das Krankheitsgeschehen in den peripheren broncho-alveolären Strukturen der Lunge manifestiert. Es kann dominant entzündlich oder granulomatös sein (z. B. bei der Sarkoidose oder der exogen allergischen Alveolitis [EAA]), aber auch prädominant fibroproliferativ (z. B. bei der idiopathischen Lungenfibrose [Synonym: Idiopathische pulmonale Fibrose, IPF]).

Eine variable Mischung aus Entzündung und Fibrose ist für alle diese Erkrankungen charakteristisch. Als Faustregel gilt: Je stärker die Entzündung im Vordergrund steht, desto eher ist eine entzündungshemmende immunsuppressive Therapie erfolgversprechend. Bei dominanter fibrotischer Komponente werden dagegen in erster Linie Fibrose-hemmende Therapien angewendet; eine entzündungshemmende Behandlung kann hier u. U. mehr schaden als nützen [1, 2, 3, 4].

Da eine Fehlklassifikation Nachteile für den Patienten haben kann, ist eine fundierte Diagnose entscheidend (aktuelle Klassifikation s. Abb. 1).

Abb. 1
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Klassifikation der diffusen parenchymatösen Lungenerkrankung (DPLD)

Mod. nach [5]

Nach vermeidbarer Ursache suchen

Nur bei einem Teil der ILE ist die Ursache bekannt. Hierzu zählen die klassischen Pneumokoniosen wie Silikose, Asbestose und die exogen allergischen Alveolitiden, aber auch infektiöse interstitielle Pneumonien (z. B. Pneumocitis-jirovecii-Pneumonie, Cytomegalie-Virus-Pneumonie, HIV-assoziierte Alveolitis u. a.) sowie medikamentös induzierte ILE (z. B. Amiodaronlunge und Nitrofurantoinlunge). Auf www.pneumotox.com kann man pulmonale Nebenwirkungen für alle im Handel befindlichen Medikamente recherchieren.

Da die Elimination der auslösenden Ursache die Chance auf eine Rückbildung und vollständige Genesung des Patienten beinhaltet, ist die umfassende Suche nach vermeidbaren Ursachen von entscheidender Bedeutung.

Verdächtige Symptome

Aus Registern zur IPF sind uns die häufigsten Symptome bei diesem Krankheitsbild bekannt. Im Vordergrund stehen Luftnot bei Belastung und trockener Husten (Abb. 2). Diese Symptome sind im klinischen Alltag häufig und wenig spezifisch. Sie werden gemäß dem durchaus richtigen Grundsatz „Häufiges ist häufig und Seltenes ist selten“ eher kardiovaskulären Grunderkrankungen zugerechnet. Fehlen kardiovaskuläre Vorerkrankungen, muss bei — oft schleichend — zunehmender Kurzatmigkeit eine pulmonale Erkrankung in Erwägung gezogen werden.

Abb. 2
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Leitsymptome der idiopathischen Lungenfibrose (u. anderer ILE)

Mod. nach [6]

Wichtig: Die Auskultation der Lunge und die Anamnese

Ein wichtiges Hilfsmittel, um einen Teil dieser Patienten schon frühzeitig zu identifizieren, ist die Auskultation der Lunge. Vor allem bei fibrosierenden Lungenerkrankungen, aber auch bei Alveolitiden, kann man ein inspiratorisches, oft auch endinspiratorisch betontes Knisterrasseln über den basalen und latero-basalen Lungenabschnitten auskultieren. Dieser oft symmetrische Befund sollte nicht in erster Linie an eine Stauung oder Pneumonie, sondern eher an eine ILE denken lassen, insbesondere wenn klinische Zeichen einer kardialen Dekompensation oder Infektion fehlen.

Bei V. a. ILE sollte die Anamnese insbesondere den beruflichen Werdegang des Patienten, Vorerkrankungen und Vormedikationen sowie häusliche Expositionen gegenüber Tieren (z. B. Ziervögeln) und Schimmelpilzen umfassen.

Basisdiagnostik des Hausarztes bei Verdacht auf ILE

Es gibt keinen zuverlässigen Labormarker für die ILE. Zwar können Urinstatus und Kreatinin auf eine Nierenbeteiligung bei zugrundeliegender Kollagenose sowie NT-proBNP zum Ausschluss einer chronischen Stauung genutzt werden. Spezifische Biomarker für die Beteiligung der Lunge sind jedoch nicht verfügbar. Unabhängig davon können ILE mit erhöhten Werten für die Laktatdehydrogenase einhergehen (auch unspezifisch).

Bei der Sarkoidose ist die Serumaktivität des „angiotensin converting enzymes (ACE)“ oder der lösliche Interleukin-2-Rezeptor in etwa 60% der Fälle erhöht. Beide Parameter sind jedoch weder spezifisch noch erlauben sie einen Ausschluss bei negativem Testergebnis. Vielmehr repräsentieren sie die „Granulomlast“ des Organismus und dienen in erster Linie als Verlaufsparameter.

Auch spezifische IgG-Antikörper (AK) gegen Antigene der EAA (s. o.) zeigen im positiven Fall nur die immunologische Reaktion der exponierten Person an, nicht jedoch die Erkrankung. So haben auch gesunde Landwirte häufig positive spezifische IgG-AK, z. B. gegen Aspergillus fumigatus oder thermophile Actinomyceten. Umgekehrt haben ca. 5–10% der mit einer EAA diagnostizierten Patienten keinen Nachweis spezifischer IgG-AK gegen ein entsprechendes Antigen. Als Faustregel gilt daher, dass eine laborchemische Umfelddiagnostik unter Einschluss von Markern für Sarkoidose, EAA und Kollagenosen erst erfolgen sollte, wenn eine ILE zumindest CT-morphologisch gesichert ist.

Lungenfunktionsanalyse

Die Lungenfunktionsanalyse gehört zur Basisdiagnostik. Hierbei werden i. d. R. ein restriktives Ventilationsmuster sowie ein eingeschränkter Gasaustausch mit Belastungs- oder Ruhehypoxämie und verminderter Diffusionskapazität erwartet. Auch eine obstruktive Komponente ist bei einem Teil der Erkrankungen nicht ungewöhnlich. So findet sich sowohl bei der EAA wie auch bei der Sarkoidose, der Histiozytose oder der Lymphangioleiomyomatose nicht selten auch eine Bronchialobstruktion und eine Überblähung (erhöhtes Residualvolumen), die diagnostisch in die Irre und zu Fehldiagnosen, z. B. COPD oder Asthma bronchiale, führen können.

Eine orientierende Lungenfunktionsdiagnostik mittels Spirometrie kann zur Einschätzung des Schweregrades der Erkrankung sinnvoll sein. Ein normaler Wert für die Vitalkapazität oder sogar ein hoch normaler Wert kann das Vorliegen einer signifikanten ILE jedoch nicht ausschließen. Insbesondere bei Rauchern bzw. ehemaligen Rauchern, die für einen Teil der ILE ein erhöhtes Risiko tragen (z. B. IPF), kann das gleichzeitige Vorliegen eines Lungenemphysems die restriktive Komponente der ILE z. T. vollständig kompensieren, sodass diese Patienten bis zum Versterben an der Lungenfibrose keine restriktive Ventilationsstörung entwickeln.

Röntgen-Thorax in zwei Ebenen

Der Röntgen-Thorax in zwei Ebenen in Hartstrahltechnik ist eine unverzichtbare Basisdiagnostik für pulmonale und kardiopulmonale Erkrankungen. Er kann zur Differenzialdiagnose der ILE beitragen: einerseits z. B. eine Herzinsuffizienz, Pleuraerguss, Tumoren oder entzündliche Infiltrate ausschließen, andererseits granulomatöse oder auch retikuläre Zeichnungen des Lungenparenchyms nachweisen. Ein normaler Röntgen-Thorax in zwei Ebenen schließt eine ILE aber keinesfalls aus. Das Beispiel einer Nitrofurantoin-induzierten ILE mit Konsoldierungen zeigt Abb. 3.

Abb. 3
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Röntgenaufnahme des Thorax bei Nitrofurantoin-Lunge.

© J. Behr

Weiterführende bildgebende Diagnostik

Das wichtigste Instrument für den Nachweis und die Differenzialdiagnose einer ILE ist die hochauflösende Computertomografie in Dünnschichttechnik (High-resolution CT, HRCT) mit einer Schichtdicke von max. 2 mm, besser 1 mm oder darunter. Bei der Erstdiagnose einer ILE sollte diese CT möglichst nativ erfolgen. Kontrastmittelgaben können durch inhomogene Perfusionsmuster milchglasartige Trübungen des Lungengewebes vortäuschen, die nicht der Realität im Lungenparenchym entsprechen. In der HRCT wird insbesondere das Muster der gewöhnlichen Lungenfibrose (usual interstitial pneumonia, UIP) von dem der nicht-spezifischen interstitiellen Pneumonie (NSIP) und dem der chronischen EAA unterschieden.

Invasive Diagnostik

Die weitere Abklärung sollte in einem qualifizierten Zentrum stattfinden. Als invasive Maßnahmen kommen die Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage (BAL), transbronchiale Zangenbiopsien oder transbronchiale Kryobiopsie in Betracht. Insbesondere Letztere hat sich in erfahrener Hand als sicher und diagnostisch wegweisend erwiesen [7]. In speziellen Fällen muss die Indikation zur chirurgischen Lungenbiopsie i. d. R. in videoassistierter thorakoskopischer (VATS-) Technik gestellt werden [8].

Therapieprinzipien

1. Karenz gegen ursächliche Auslöser

Vor einer pharmakologischen Therapie ist immer zu prüfen, ob ein auslösendes Agens der Erkrankung ursächlich zu Grunde liegt. Die entsprechende Karenzmaßnahme hat absoluten Vorrang. Einen Überblick über die Therapiestrategie bei non-IPF-ILE zeigt Abb. 4.

Abb. 4
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Therapiestrategie bei non-IPF interstitiellen Lungenerkrankungen

2. Pharmakotherapie

Erkrankungen mit hoher entzündlicher Aktivität · werden antientzündlich behandelt. Prednisolon in moderaten Dosen (0,5 mg/kg KG/Tag) ist initial zu bevorzugen. Bei unzureichendem Ansprechen oder Progress der Erkrankung unter Therapie bzw. unter Reduktion der Prednisolondosis nach vier bis sechs Wochen sollte eine kombinierte immunsuppressive Therapie erwogen werden. Azathioprin, Mycophenolat-Mofetil, Cyclophosphamid oder auch Rituximab stellen je nach Grunderkrankung geeignete Kombinationspartner dar [9].

Bei kombinierter immunsuppressiver Therapien sollte eine Pneumocystisprophylaxe mit Trimethoprim-Sulfamethoxazol erfolgen, da das Risiko einer potenziell lebensgefährlichen Infektion mit Pneumocystis jirovecii signifikant ist.

Erkrankungen mit überwiegend fibrosierendem Charakter · Die zur Verfügung stehenden antifibrotischen Medikamente sind bisher nur für die IPF zugelassen (Pirfenidon und Nintedanib). Der Einsatz bei allen anderen fibrosierenden Lungenerkrankungen ist „off label“ und sollte nur im Rahmen klinischer Studien erfolgen [10]. Einzelfallentscheidungen können an erfahrenen Zentren für ILE (Suche beim Deutschen Zentrum für Lungenforschung unter www.dzl.de) im Rahmen von interdisiziplinären Fallkonferenzen getroffen werden [4, 11].

Während bei einigen ILE, z. B. der Sarkoidose oder Sklerodermie-assoziierten ILE (meist NSIP-Muster) in milden Stadien, ein abwartendes Verhalten angezeigt ist, muss bei der IPF frühzeitig therapiert werden. Einmal Verlorenes, d. h. fibrotisch umgewandeltes und vernarbtes Lungengewebe, kann nicht wieder zurückgewonnen werden, und die Prognose verschlechtert sich mit fortschreitender Erkrankung deutlich [4, 11]. Die Leitlinie zur Therapie der IPF empfiehlt bei symptomatischen Patienten die Behandlung ab Diagnosestellung [4, 11].

Eine antifibrotische Therapie kann selbst dann noch einen Vorteil für den individuellen Krankheitsverlauf darstellen, wenn es unter Therapie zu einem Fortschreiten der Fibrose kommt. Dementsprechend sollte eine antifibrotische Therapie nur unterbrochen werden oder ein Wechsel des Medikamentes nur erfolgen, wenn Krankheitsprogression und/oder Nebenwirkungsbelastung einen solchen Schritt in Abstimmung mit dem Patienten rechtfertigen [4, 11]. Das Management der IPF erfordert Spezialwissen. Eine enge Zusammenarbeit mit einem qualifizierten Zentrum für ILE ist für diese Patienten dringend geboten [4].

3. Pneumologische Rehabilitation

Eine weitere Säule der Therapie ist die pneumologische Rehabilitation mit aktivierendem Ansatz. Nach Diagnose und Einleitung der Behandlung ist die physikalische Trainingstherapie gemeinsam mit Schulung und Information sowie Ernährungsberatung und psychologischer Betreuung in der Lage, die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität der Patienten zu verbessern [12, 13].

Cave: Akute Exazerbation

Besonders zu achten ist auf akute Exazerbationen der ILE (AE-ILD) [14]. Sie sind definiert als respiratorische Verschlechterung einer ILE innerhalb von 30 Tagen mit radiologisch neuen pulmonalen Infiltraten [14, 15]. Sie treten in 10–15% der IPF-Patienten pro Jahr auf, bei non-IPF ILE eher in 5% pro Jahr. Unabhängig von der Grunderkrankung ist eine akute Exazerbation ein gravierendes, die Prognose stark beeinträchtigendes Ereignis. Das mediane Überleben von IPF-Patienten nach akuter Exazerbation beträgt nur etwa 6 Monate [14, 15].

Der diffuse Alveolarschaden (diffuse alveolar damage, DAD) stellt meist das pathophysiologische Korrelat der akuten Exazerbation dar. Ähnlich wie beim Akuten Atemnotsyndrom (ARDS) gibt es zahlreiche Auslöser, u. a. Infektionen (viral oder bakteriell), Mikroaspiration, mechanischer Stress (z. B. bei Beatmung i. R. von Operationen), Umweltschadstoffe. Es gibt aber auch akute Exazerbationen, die idiopathisch auftreten [14, 15]. Abzugrenzen sind Differenzialdiagnosen wie Lungenembolie und kardiale Stauung, die einer entsprechenden Therapie zugeführt werden müssen.

Die akute Exazerbation wird mit Sauerstoff und einem Breitspektrumantibiotikum therapiert. Daneben verabreichen viele Zentren Kortikosteroide in hoher Dosierung (500–1.000 mg/Tag) für drei bis fünf Tage, gefolgt von einer stufenweise Dosisreduktion über zwei bis vier Wochen, je nach Ansprechen der Oxygenierung. Diese ist häufig stark beeinträchtigt und kann sich unter Kortikosteroiden bessern.

Die klinische Erfahrung spricht dafür, dass eine akute Exazerbation umso eher therapeutisch positiv beeinflusst werden kann, je früher die Intervention einsetzt — auch wenn dies noch nicht gesichert ist. Wünschenswert wären max. zwei bis drei Tage bis zur Vorstellung in einem entsprechenden Zentrum.

Überbrückungsmaßnahmen mit Beatmung (nicht-invasiv oder invasiv) und/oder extrakorporaler Membranoxygenierung (ECMO) sind Einzelfällen vorbehalten, insbesondere bei aktiver Listung zur Lungentransplantation. Da akute Exazerbationen in jedem Krankheitsstadium auftreten können, sollten die vorbereitenden Untersuchungen in einem Lungentransplantationszentrum frühzeitig erfolgen [14, 15].