_ Eine Mutter brachte ihren neugeborenen Jungen in meine Sprechstunde, da er seit dem Vorabend auffällig hustete, kurzatmig war und beim Schlucken weinte. Am Morgen hatte er zudem einen Ausschlag im Gesicht entwickelt. Die Familie hatte zuvor eine Person mit Scharlach zu Besuch gehabt. Einen bedeutsamen Infekt konnte ich bei der Untersuchung des kleinen Patienten aber ausschließen.

Die Mutter bat mich, bei dieser Gelegenheit auch die Nieren des Säuglings im Ultraschall zu kontrollieren. Im Krankenhaus war nämlich vier Tage nach der Geburt ein Aufstau der Niere links festgestellt worden. Man hatte der Mutter gesagt, dass sie nach drei Wochen noch einmal in die Kinderambulanz kommen solle. Wenig feinfühlig hatte man ihr zudem erklärt, dass man auch gut mit nur einer Niere leben könnte.

Zum fraglichen Termin sprach sie in der Kinderklinik vor, doch hatte sich auch nach stundenlangem Warten kein Arzt gefunden, um das Kind anzusehen. Sie hatte die Klinik wieder verlassen mit der Empfehlung, nächste Woche zur Kinderärztin gehen. Diese allerdings war im Urlaub, weshalb die Kontrolluntersuchung nun offenbar mir zufiel.

Die Ultraschalluntersuchung eines Neugeborenen ist in der Allgemeinpraxis ungewöhnlich und keineswegs das normale Arbeitsfeld des Hausarztes. Als ich die Nieren auf dem Bildschirm sah, erfasste mich ein gehöriger Schreck. Die linke Niere ließ sich nur angedeutet in der Form erkennen, das Nierenbecken war prall erweitert und echoleer, die Kelche nur noch angedeutet dargestellt. Der proximale Ureter war maximal ballonartig aufgeweitet (Abb. 1). Auch die rechte Niere stellte sich als Harnstauungsniere mit ektatischem, echoleerem Nierenbecken dar, wobei der Aufstau bis in die sich gut abzeichnenden, echoleeren Kelche hineinreichte. Form und Größe der rechten Niere waren altersentsprechend (Abb. 2).

Abb. 1
figure 1

Hydronephrose Grad IV links, Verdacht auf Ureterabgangsstenose.

© G. Scheumann

Abb. 2
figure 2

Hydronephrose Grad II–III und vesikourethraler Reflux Grad II rechts.

Ich überwies den Patienten in die Kinderchirurgie eines Schwerpunktkrankenhauses, wo er am nächsten Tag stationär aufgenommen wurde. Die rechte Niere konnte entlastet werden, die linke Niere wurde in kurzen Intervallen kontrolliert und mit einer Infektionsprophylaxe behandelt.

Drei Monate später hatte sich die linke Niere wieder etwas erholt, sodass eine Entfernung momentan nicht mehr diskutiert wird. Zur Beseitigung der vorhanden Abgangsstenose hat der kleine Patient einen Operationstermin zur Pyeloplastik links erhalten.