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Prof. Dr. med. H. S. Füeßl Privatpraxis für Integrative Innere Medizin, München

Ein sechsjähriges Mädchen, dessen Eltern nah verwandt waren und das im im Alter von zwei Jahren Sehvermögen und Gehör verloren hatte, wurde zum Zahnarzt gebracht, weil es bislang erst einen einzigen Zahn hatte. Bei der Untersuchung fielen ein Strabismus, eine vorgewölbte Stirn, ein Hypertelorismus und ein Kleinwuchs auf. Die Serumspiegel von Kalzium und Phosphor waren ebenso wie die alkalische Phosphatase normal. Im Schädel-CT erkannte man diffus verdickte Schädelknochen (Abb. A). Im Röntgenbild beider Unterarme zeigten sich die distalen Abschnitte von Elle und Speiche bandförmig sklerosiert und aufgehellt (Abb. B).

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A: Verdickte Schädelknochen (Pfeile). B: Sklerosierte und aufgehellte Abschnitte der Ellen und Speichen (Pfeile).

© N Engl J Med. 2017;376:e34

Die Befunde waren vereinbar mit der Diagnose einer Osteopetrose oder Marmorknochenkrankheit. Diese seltene Erkrankung geht mit erhöhter Knochendicke durch pathologische Anhäufung von Knochenmatrix einher. Genmutationen führen zu einer gestörten Osteoklastenfunktion und einem Versagen der Knochenresorption. Die genaue Ursache ist noch ungeklärt, der Erbgang kann autosomal-rezessiv oder autosomal-dominant sein. Zu den Komplikationen gehören — wie im vorliegenden Fall — Kompressionssyndrome der Hirnnerven an den Austrittsstellen aus dem Schädel, brüchige Knochen und Störungen der Blutbildung. Aufgrund der schwindenden Markräume kommt es zur extramedullären Blutbildung. Der ständige Aufbau von Knochenmatrix kann auch eine Hypokalzämie zur Folge haben.

Man begann eine Therapie mit Calcitriol. Geplant war weiterhin eine Behandlung mit Interferon gamma-1b, doch wurde das Mädchen von den Eltern nicht mehr vorgestellt. Die einzig wirksame therapeutische Option ist eine Knochenmarkstransplantation, da sich aus hämatopoietischen Stammzellen wieder normale Osteoklasten differenzieren können.