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Prof. Dr. med. V. Limmroth Klinik für Neurologie und Palliativmedizin Köln-Merheim

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Vielleicht sollten sich MS-Patienten solche Kost künftig verkneifen.

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_ Auf einen möglichen Zusammenhang von verstärkter Autoimmunität und hohem Salzgehalt wurde schon mehrfach hingewiesen. Initial konnte gezeigt werden, dass T-Lymphozyten bei hoher Salzkonzentration wesentlich stärker proliferierten als im salzfreien oder -reduzierten Milieu. Davon schienen insbesondere TH17-Zellen und Makrophagen betroffen.

Auch die Tatsache, dass in den letzten Jahrzehnten zunehmend Autoimmunerkrankungen in den westlichen, neuerdings aber auch in Dritte-Welt-Ländern zu beobachten sind, könnte durch den Lebensstil mit salzhaltiger Kost – zumindest partiell – erklärt werden. Mehrere Studien widmeten sich in den letzten Monaten diesem Thema.

In einer aktuellen Studie [1] wurde das Verhalten von Makrophagen in Abhängigkeit von der Salzkonzentration untersucht, und zwar an Mäusen, bei denen eine experimentelle autoimmune Enzephalomyelitis (EAE) induziert wurde. Dabei war eine salzreiche Diät mit einer stärkeren Aktivierung von Makrophagen, aber auch mit einer deutlich verstärkten Infiltration von Makrophagen in das zentrale Nervensystem assoziiert, was jeweils die Erkrankungsprogredienz verstärkte.

Innerhalb der Makrophagen förderte das NaCl-reiche Milieu einen proinflammatorischen Phänotyp, der mehr Zytokine produzierte, mehr immunstimulierende Moleküle freisetzte und antigenunabhängig die T-Zell-Proliferation verstärkte. Diese Makrophagen zeigten ferner eine erhöhte Aktivierung von NF-κB- und MAPK-Signalwegen.

Die Gabe dieser Zellen in ein anderes Tier mit frisch induzierter EAE führte zu einem deutlich schwereren Krankheitsverlauf als die Gabe „unkonditionierter“ Makrophagen. Auch bei humanen Monozyten führte ein hoher NaCl-Gehalt zu einer proinflammatorischen Reaktion und verstärkten Induktion von T-Zell-Proliferation.

Eine andere Arbeitsgruppe [2] fand heraus, dass hohe NaCl-Konzentrationen die Aktivierung von IL-4- und IL-13-stimulierten Makrophagen reduzieren und damit die antiinflammatorischen M2-Makrophagen inhibieren. Auch FOXP3+-TReg-Zellen, die für das Gleichgewicht von Selbsttoleranz und Autoimmunität wichtig sind, sind bei hohen NaCl-Konzentrationen offensichtlich gestört [3].

Im Tiermodell stieg die Sekretion des inflammatorischen Zytokins IFNγ an. Damit scheinen hohe NaCl-Konzentrationen nicht nur direkt proinflammatorische Mechanismen zu induzieren oder zu verstärken, sondern auch antiinflammatorische Mechanismen zu inhibieren und die Funktion T-regulatorischer Zellen zu stören.

Eine weitere Studie [4] untersuchte die Salzausscheidung im Urin von 70 MS-Patienten als Korrelat der regelmäßigen quantitativen Salzzufuhr über den Zeitraum von zwei Jahren. Bei hoher oder mittlerer Ausscheidung war die Schubrate 2,75-fach höher und das Risiko, eine neue T2-Läsion zu entwickeln, 3,4-fach höher als bei niedriger Ausscheidung. Die Untersuchung einer anderen Kohorte mit 52 MS-Patienten ergab die gleichen Resultate.

KOMMENTAR

Die Daten beim Menschen sind noch sehr begrenzt, aber man kommt nicht umhin festzustellen, dass das gesamte Datenmaterial zum Thema Salz und Autoimmunität recht homogen und nicht widersprüchlich ist. Bei den In-vitro-Experimenten und Tierversuchen mag man noch einwenden, dass es sich hier teilweise um Dosierungen handelt, die kein halbwegs bewusstseinsklarer Mensch freiwillig einnehmen würde. Die Daten aus der Urinanalyse stimmen aber nachdenklich, auch wenn sie von anderen Gruppen sicherlich noch bestätigt werden müssen.

Also einfach auf salziges Essen verzichten? Es ist ein bisschen wie beim Vitamin D: Eigentlich klingt es zu banal, als dass es wahr sein könnte, aber nun sind tatsächlich dringend große klinische Studien notwendig, die diese Hypothese klinisch prospektiv überprüfen. Sollte durch die „einfache“ Reduktion von Salz eine autoimmunologische Aktivität spürbar reduzierbar sein, müsste diese Verhaltensänderung unseren Patienten dringend empfohlen werden.