Bei der Pathogenese des Typ-2-Diabetes sind sowohl Erbfaktoren als auch Lebensgewohnheiten beteiligt. Dabei sind ungünstige Gene keinesfalls ein unvermeidbares Schicksal, sondern können durch Veränderungen des Lifestyles gebremst werden. Umgekehrt modulieren Gene den Effekt lebensdiätetischer Maßnahmen. Diese komplexen Wechselwirkungen könnten neue Wege für eine individualisierte Prävention und Therapie des Typ-2-Diabetes ermöglichen.
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_ Schuld und Schicksal. So lässt sich die Pathogenese des Typ-2-Diabetes plakativ beschreiben. Mit anderen Worten, sowohl die Gene als auch die Umwelt bzw. der Lebensstil sind entscheidend dafür, ob jemand an einem Typ-2-Diabtetes erkrankt oder nicht. Doch zwischen diesen beiden ursächlichen Faktoren gibt es zahlreiche Wechselwirkungen.
Umweltfaktoren verändern Geneffekte
„Obwohl über 60 Risikogene bekannt sind, ist es bisher nicht möglich, die Entstehung dieser Erkrankung mit genetischen Untersuchungen zuverlässig vorherzusagen“, sagte Dr. Robert Wagner von der Medizinischen Universitätsklinik Tübingen. Dies liege daran, dass die entdeckten genetischen Varianten jeweils nur einen sehr geringen diabetogenen Effekt entfalten. Die klinische Manifestation eines genetischen Defekts werde sehr stark von Umweltfaktoren bzw. dem Verhalten beeinflusst. Dabei spielen Ernährungsfaktoren und körperliche Aktivität eine wichtige Rolle, aber es gibt auch saisonale Faktoren wie die tägliche Tageslichtdauer.
Den größten diabetogenen Effekt unter den Diabetes-Genen wird einem Gen zugeschrieben, welches für die inkretinstimulierte Insulinsekretion verantwortlich ist. Eine Risikovariante dieses Gens führt zu einer Abnahme der Insulinsekretion [1]. Eine Variante im Gen des Fettsäurerezeptors 1 bewirkt ebenfalls eine Störung der Insulinsekretion. Sind die freien Fettsäuren als Folge einer ungesunden Ernährung erhöht, wird dieses Gen stärker aktiviert [2]. Bewegungsarmut und proteinreiche Ernährung wiederum stimulieren die Variante eines Gens, das bei der Bildung des Fettgewebes und somit für die Adipositas mitverantwortlich ist [3]. „Aus diesen Zusammenhängen ergibt sich, dass Menschen mit entsprechenden Risikogenen durch eine gesunde Lebensführung dem Schicksal „Diabetes“ ein Stück weit entrinnen können“, so Wagner. Eine skandinavische Studie konnte jetzt sogar einen inversen Zusammenhang zwischen Tageslichtdauer und erhöhtem Nüchternblutzucker nachweisen. Dies lässt sich damit erklären, dass eine bestimmte Genvariante nur in der dunklen Jahreszeit ihre ungünstige Wirkung auf den Blutzucker entfalten kann.
Rund und gesund oder schlank und krank
Doch die Wechselwirkungen zwischen Genen und Umwelt sind keine Einbahnstraße. „Vielmehr müssen wir davon ausgehen, dass Gene umgekehrt den Effekt von lebensdiätetischen Bemühungen bei der Diabetes-Prävention modulieren“, so Wagner. Lebensstilfaktoren werden durch Gene verstärkt oder abgeschwächt. Während bei dem Einen dadurch das Diabetesrisiko verbessert wird, zeigen diese Bemühungen bei einem Anderen kaum eine Wirkung. Man kann durchaus rund und gesund sein oder aber schlank und trotzdem krank. So wird durch eine bestimmte Genvariante der Schutzeffekt einer ballaststoffreichen Ernährung zunichte gemacht. Andererseits können die Träger einer bestimmten Genmutation vor den schädlichen Auswirkungen einer fettreichen Ernährung geschützt sein.
„Inwieweit diese komplexen Wechselwirkungen zwischen Veranlagung und Lebensstil für die Manifestation des Diabetes wirklich verantwortlich sind, lässt sich nur schwer beurteilen“, so Wagner. Könnten wir diese Interaktionen genau charakterisieren, wäre dies ein wichtiger Schritt zu einer individualisierte Prävention und Therapie.
50. Deutscher Diabeteskongress, 14.5.2015 in Berlin
Heni M et al. Diabetes 2010; 59:3247–325
Wagner R et al. Diabetes 2013; 62:2106–2111
Qi et al. Diabetes 2015; (Epub ahead of print)
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Stiefelhagen, P. Ist der Diabetiker das Opfer seiner Gene?. MMW - Fortschritte der Medizin 157, 10 (2015). https://doi.org/10.1007/s15006-015-7513-1
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