Sind pflanzliche Medikamente immer so harmlos, wie viele Ärzte und Patienten glauben? Können Zusätze und Konservierungsstoffe auf Alkoholbasis für Kinder oder alte Menschen gefährlich werden? Prof. A.-M. Beer, Hattingen, nimmt Stellung.

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Prof. Dr. med. André-Michael Beer

Klinik für Naturheilkunde, Klinik Blankenstein, Hattingen

Der Alkoholgehalt von Arzneimitteln ist für die meisten Menschen vollkommen ungefährlich, selbst wenn sie ein pflanzliches Medikament über einen längeren Zeitraum einnehmen.

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© Praxis Dr. Hofmeister/Dr. Rogaczewski

Praxisrelevant ist die Alkoholfrage bei Kindern, die dem Wunsch der Eltern nach unbedenklichen Arzneimitteln entsprechend häufig Phytopharmaka in flüssigen Darreichungen wie Tropfen, Frischpflanzensäfte, Sirupe oder Teeaufgüssen erhalten. Formale und legislative Probleme bestehen in der dürftigen Datenlage zum Alkoholgehalt in flüssigen Zubereitungen. Viele synthetische und pflanzliche Arzneimittel werden in der Pädiatrie nach Off-Label-Use angewandt.

Da Phytopharmaka bei akuten, schweren, lebensbedrohlichen Krankheiten nicht eingesetzt werden und über eine große therapeutische Breite verfügen, erübrigt sich die Berechnung nach Körperoberfläche und Gewicht; als Faustregel hat sich das Alter bewährt: 1.–2. Lebensjahr ein Viertel, 3.–6. Lebensjahr ein Drittel, 6.–9. Lebensjahr die Hälfte und 10.–16. Lebensjahr zwei Drittel der Erwachsenendosis.

Was den Alkoholgehalt in flüssigen Darreichungen angeht, so ist darauf hinzuweisen, dass Apfel- und Orangensaft ca. 0,4% Ethanol enthalten und ein 12-Jähriger nach Genuss von 0,2 l ca. 0,64 g Ethanol aufnimmt, woraus ein Blutalkoholspiegel von 0,036‰ resultiert. In der EMA-Richtlinie werden maximal 1,5 g Ethanol/Dosis für 6-Jährige maximal 2,8 g Ethanol/Dosis für 12-Jährige und für Kinder unter zwei Jahren keine alkoholhaltigen Darreichungsformen empfohlen [1].