_ „Nicht-invasiver Nachweis von Hypoglykämien durch ein neuartiges, voll biokompatibles und patientenfreundliches Alarmsystem“ – so war im Dezember 2000 ein Artikel im „British Medical Journal“ überschrieben [1]. Liverpooler Forscher berichteten in dem Artikel von Hunden, die Hypoglykämie-Episoden ihrer Besitzer sicher vorausahnten, und zwar noch bevor diese selbst irgendwelche Symptome bemerkten. Alarmsystem Susie beispielsweise, eine siebenjährige Mischlingshündin und zugleich Ko-Autorin des Berichts, weckte sein unterzuckertes Frauchen – eine 47-jährige, insulinpflichtige Typ-2-Diabetikerin – durch Stupsen mit der Nase sogar nachts. Der Hund gab erst Ruhe, nachdem die Frau Kohlenhydrate zu sich genommen hatte und symptomfrei war. Das im Bett neben der Frau befindliche zweibeinige Vergleichssystem versagte hingegen vollständig: Während der Hund Alarm schlug, schlief der Ehemann einfach weiter.

Das Phänomen beschränkt sich nicht auf Einzelfälle. Forscher der Queen’s University Belfast hatten 212 Hundebesitzer mit Typ-1-Diabetes systematisch befragt und stellten daraufhin fest, dass rund 65% der Hunde mindestens einmal auf eine Hypoglykämie ihres Besitzers mit auffälligem Verhalten reagiert hatten [2]. Jeder dritte Hund zeigte Reaktionen, bevor Herrchen oder Frauchen bewusst wurde, dass der Blutzucker in den Keller ging. Erst auf den Hinweis des Hundes hin maßen die Patienten die Glukosekonzentration im Blut oder aßen etwas, um den Zuckerspiegel zu heben. Knapp jeder vierte Hund hatte seinen Besitzer schon einmal aus einer nächtlichen Hypoglykämie erweckt, manchmal durch die geschlossene Schlafzimmertür hindurch. Hinweise, dass sich bestimmte Rassen hier besonders hervortun würden, fanden sich nicht.

figure 1

Der Patient schläft, der Hund wacht über seinen Blutzucker.

© Amidala/Fotolia

Gezieltes Training

Mittlerweile gibt es weltweit Organisationen, die Hunde gezielt darauf abrichten, Menschen vor Unterzuckerung zu warnen. Der Verein „Menschen für Hunde – Hunde für Diabetiker“ (http://www.diabetikerwarnhund.de) ist eine solche Institution. Laut eigenen Angaben hat der Verein 2007 als erster in Deutschland damit begonnen, Diabetikerhunde zu trainieren. Ein anderes Projekt, „DiabDogs“ (www.diabdog.de), bietet eine medizinisch-wissenschaftlich begleitete Ausbildung für Diabetiker-Warnhunde. Berücksichtigt wird dabei die kontinuierliche Glukosemessung. Leiterin des Projekts ist Jolanta Wittek-Pakulo, Diabetologin in Wetter (Ruhr).

„Neben der Selbsterkennung (variabel und zu unzuverlässig) bestehen heutzutage nur zwei Möglichkeiten zur rechtzeitigen Warnung vor einer Unterzuckerung, und zwar die kontinuierliche Glukosemessung und der Einsatz eines DiabetikerWarnhundes. Die drei Alternativen schließen sich gegenseitig nicht aus“, schreibt Wittek-Pakulo auf den Internetseiten von DiabDogs. Mit dem Projekt wolle man eine sachliche, nicht emotional basierte und wissenschaftlich belegbare Basis schaffen, um Diabetiker bei der Entscheidung für die jeweils beste Methode zu unterstützen. Als Ersatz für die Blutzuckermessung sind die Hunde aber nicht gedacht. Bei DiabDogs betont man, es gebe noch keinen wissenschaftlichen Beleg, dass die Warnhunde den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen oder helfen würden, die Komplikationsrate zu senken.

Eineinhalb Jahre Ausbildung

Hunde, die sich als Warnhunde für Diabetiker eignen, durchlaufen eine eineinhalbjährige Ausbildung. Die ist nicht billig: Die Deutsche Diabetes-Hilfe, auf deren Internetseiten sich ein Verzeichnis einschlägiger Adressen von Hundeschulen findet (http://www.diabetesde.org/ueber_diabetes/therapie_bei_diabetes/diabetes_spuerhunde), beziffert die Kosten mit 6000 bis 17 000 Euro. Die Kassen leisten dazu laut Wittek-Pakulo in der Regel keinen Beitrag.

Doch die Konkurrenz schläft nicht. Auch manche Katzen reagieren – tatsächlich meist nachts – auf hypoglykämische Episoden ihrer Menschen mit Verhaltensänderungen. Entsprechende Berichte sind bereits publiziert worden [3]. Ob sich jedoch Katzen zu einer Existenz als trainierte Diabetiker-Warnkatze herbeilassen würden, muss einstweilen offen bleiben.