Nur wenig wurde zuletzt in der Gesundheitspolitik so umfangreich und kontrovers diskutiert wie Stellungnahmen und Empfehlungen der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung. Es wurde bereits genug zu dem Thema geschrieben, aber am 29. September 2023 hat das Bundesgesundheitsministerium die achte Stellungnahme der Regierungskommission für die „Psych-Fächer“ veröffentlicht“ [1]. Auf dieses Papier haben wir alle gespannt gewartet, da die bisherige Diskussion auf die somatischen Krankenhäuser fokussierte, wobei diejenigen, die mich kennen, wissen, dass ich die Trennung von Somatik und Psyche weder klinisch noch wissenschaftlich gutheiße. Anyway, was sind die wesentlichen Inhalte der achten Stellungnahme?

figure 1

© Armin Weigel / dpa / picture alliance

Vernünftiges Maß zur Weiterentwicklung der PPP-RL

Die Integration der psychiatrischen Versorgung in somatische Häuser, die Förderung von § 64b-Modellprojekten oder die Überwindung der starren Trennung von stationären und teilstationären Plätzen sind neben anderen sinnvolle Vorschläge. Auch der empfohlene Abbau der Bürokratie ist wichtig, aber der Aufbau eines „umfassendes Kapazitätsregisters“ kann auch mehr Bürokratie bedeuten. Entscheidend sind die Empfehlungen für die Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik (PPP-RL) - hier empfiehlt die Regierungskommission ein Aussetzen der Sanktionen und eine Überarbeitung mit einer Reduktion der übertriebenen Sanktionsmechanismen. Jetzt bleibt zu hoffen, dass ein vernünftiges Maß für die Weiterentwicklung der PPP-RL gefunden wird. Interessant ist, dass die Regierungskommission bei dem Thema auf ein wesentliches Element der Psychiatrie-Enquête hinweist, ohne dies explizit zu betonen: „Die Regierungskommission empfiehlt daher und mit dem Ziel der Gleichbehandlung psychisch und somatisch kranker Patientinnen und Patienten, die Sanktionen nach der PPP-RL den Prinzipien und der Höhe der Sanktionen bei Verletzung der Pflegepersonaluntergrenzen in der somatischen Medizin […] anzugleichen.“ Die Psychiatrie-Enquête wird an einer anderen Stelle der Stellungnahme explizit erwähnt: „Die Regierungskommission empfiehlt daher, zu prüfen, inwieweit die Fachkrankenhäuser langfristig baulich und inhaltlich in Allgemeinkrankenhäuser zu integrieren sind.“ Die Umstrukturierung der großen psychiatrischen Krankenhäuser seit Mitte der 1970er-Jahre und die Förderung der gemeindenahen Versorgung waren und sind für die Verbesserung des Hilfesystems sehr wichtig. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass wir beides benötigen - die genannte, aber gleichzeitig auch die Weiterentwicklung von spezialisierten Zentren im Sinne der Maximalversorgung.

Entwicklung zertifizierter Zentren

Seit der Psychiatrie-Enquête gab es viele Entwicklungen, die damals nicht absehbar waren - exemplarische Beispiele sind die Entwicklung neuer Medikamente und Psychotherapien, die nun mögliche und wichtige pathophysiologische Differenzierung von Demenzen, die stetige Weiterentwicklung bildgebender Verfahren, die Verfügbarkeit von Drogen, die man sich nie hat vorstellen können, die Entwicklung von Mobile-Sensing-Konzepten oder die weiter steigende Bedeutung von Stimulationsbehandlungen. Hier wird es kontinuierliche Entwicklungen geben und die Alterspyramide wird den Druck auf komplexe Behandlungsangebote in spezialisierten Zentren erhöhen. All diese Dinge können nicht überall verfügbar sein - ein Beispiel ist die Onkologie. Das Projekt WiZen hat die Krebsbehandlung in zertifizierten und nicht zertifizierten Krankenhäusern in Deutschland untersucht und zeigen können, dass die Behandlung in zertifizierten Kliniken das Gesamtüberleben deutlich verbessert [2]. Analog hierzu brauchen wir die Entwicklung von zertifizierten Zentren in der Psychiatrie und Psychotherapie auch vor dem Hintergrund der neuen Weiterbildungscurricula. Es ist mir wichtig zu betonen, dass keiner von uns für oder gegen eine Reform sein sollte, sondern dass wir alle die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung der psychiatrisch-psychotherapeutischen Hilfesysteme vor allem für schwersterkrankte Menschen bei steigender Inanspruchnahme und Personalknappheit erkennen.

figure 2

© Universität Augsburg

Prof. Dr. med. Alkomiet Hasan

Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Universität Augsburg Medizinische Fakultät, BKH Augsburg Alkomiet.Hasan@med.uni-augsburg.de