Fragestellung: Ist die mechanische Thrombektomie auch bei Patientinnen und Patienten mit ischämischen Schlaganfällen und großem Infarktvolumen wirksam?

Hintergrund: Der Nutzen der mechanischen Thrombektomie ist bei Patientinnen und Patienten mit mittelschweren ischämischen Schlaganfällen in einem Zeitfenster von bis zu 24 Stunden gut belegt. Bisher wurde die Thrombektomie allerdings bei Personen mit schwerem Schlaganfall und großem Infarktvolumen zurückhaltend eingesetzt, da der Nutzen in den randomisierten Studien nicht belegt war und ein erhöhtes Blutungsrisiko befürchtet wurde. Daher sollten jetzt Studien zum Nutzen und Risiko der Thrombektomie bei ischämischen Schlaganfällen und großem Infarktvolumen durchgeführt werden.

Patienten und Methodik: Die prospektive, randomisierte, offene, adaptive, internationale Studie untersuchte bei Patientinnen und Patienten mit Schlaganfall aufgrund eines Verschlusses der A. carotis interna oder der A. cerebri media den Nutzen und das Risiko der endovaskulären Thrombektomie innerhalb von 24 Stunden nach dem Ereignis. Die Teilnehmenden hatten ein großes ischämisches Kernvolumen, definiert als einen Alberta Stroke Program Early Computed Tomography Score (ASPECTS) von 3-5 oder einem Kernvolumen von mindestens 50 ml in der CT-Perfusionstomografie oder der diffusionsgewichteten Magnetresonanztomografie. Die Patienten wurden zwischen einer endovaskulären Thrombektomie plus medizinischer Versorgung oder einer alleinigen medizinischen Versorgung randomisiert. Der primäre Studienendpunkt war der Wert auf der modifizierten Rankin-Skala (mRS) nach 90 Tagen, die funktionelle Unabhängigkeit ein sekundärer Endpunkt.

Ergebnisse: Die Studie wurde wegen der Überlegenheit der Thrombektomie vorzeitig beendet; 178 Teilnehmende wurden der Thrombektomiegruppe und 174 der Gruppe mit alleiniger medizinischer Versorgung zugeordnet (mittleres Alter 66,5 Jahre, 40 % Frauen). Der mediane Wert auf der National Institutes of Health Stroke Scale (NIHSS) betrug 19. Eine zusätzliche intravenöse Thrombolyse erhielten 19 % der Teilnehmenden. Die Größe des initialen Infarktvolumens wurde auf durchschnittlich 80 ml geschätzt. Die Odds Ratio (OR) für eine mRS-Veränderung zugunsten der Thrombektomie betrug 1,51 (95 %-Konfidenzintervall [KI] 1,20-1,89; p < 0,001). Insgesamt 20 % der Patientinnen und Patienten in der Thrombektomiegruppe und 7 % in der Gruppe mit alleiniger medizinischer Versorgung waren nach 90 Tagen funktionell unabhängig (relatives Risiko 2,97; 95 %-KI 1,60 -5,51). Die Sterblichkeit war in beiden Gruppen ähnlich. In der Thrombektomiegruppe traten bei fünf Teilnehmenden Komplikationen am arteriellen Zugang auf, bei zehn kam es zu einer Dissektion, bei sieben zur Perforation eines Hirngefäßes und bei elf zu einem vorübergehenden Vasospasmus. Eine symptomatische intrakranielle Blutung trat bei einem Teilnehmenden der Thrombektomiegruppe und bei zwei in der medizinisch betreuten Gruppe auf.

Schlussfolgerungen: Bei Patientinnen und Patienten mit großen ischämischen Schlaganfällen führte die endovaskuläre Thrombektomie zu besseren funktionellen Ergebnissen als die alleinige medizinische Versorgung, war jedoch mit vaskulären Komplikationen verbunden. Zerebrale Blutungen traten in beiden Gruppen nur selten auf.

Sarraj A, Hassan AE, Abraham MG et al. Trial of endovascular thrombectomy for large ischemic strokes. N Engl J Med. 2023; 388: 1259-71