In dieser Ausgabe der Info Neurologie + Psychiatrie können wir ein Jubiläum feiern, sie enthält das dreitausendste Referat aus dem Gebiet der Neurologie. Im Januar des Jahres 1997 kontaktierte mich Dr. Georg Ralle vom Springer Medizin Verlag mit der Idee eine neue Zeitschrift herauszugeben, die wichtige Publikation in den Gebieten der Neurologie und Psychiatrie referiert und mit kritischen Kommentaren einordnet. Im Jahr 1998 erschien die erste Ausgabe der Info Neurologie + Psychiatrie mit Referaten zu wichtigen Publikationen und jeweils einer Übersichtsarbeit aus den Gebieten Neurologie und Psychiatrie. Als Mitherausgeber der Zeitschrift habe ich in diesen 25 Jahren extrem viel gelernt. Die Referate haben nicht nur den Inhalt der Studien kurz zusammengefasst, sondern - viel wichtiger - eine kritische Einordnung vorgenommen und dargestellt, was die Ergebnisse für die klinische Praxis bedeuten. Mein Dank gilt daher den Autorinnen und Autoren, die in diesen 25 Jahren Referate erstellt haben. Mein Dank gilt aber auch meinen Mitherausgebern, Dr. Peter Dommes im Büro sowie dem Team beim Springer Medizin Verlag in München. Ich kann nur hoffen, dass die Info Neurologie + Psychiatrie noch weitere 25 Jahre bestehen bleibt.

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Dramatischer Paradigmenwechsel

Mein zweites Thema ist der Blick über den Tellerrand. Die Info Neurologie + Psychiatrie konzentriert sich aus guten Gründen auf Themen aus der Neurologie und Psychiatrie. Dabei sollten wir aber die Primärprävention von vaskulären Erkrankungen nicht außer Acht lassen. Zwei wichtige Risikofaktoren für Schlaganfälle sind Diabetes mellitus und Adipositas. Bis vor einigen Jahren waren die Ergebnisse von Therapiestudien sehr frustrierend. Eine aggressive Therapie des Diabetes mellitus mit den damals gängigen Medikamenten reduzierte zwar das HbA1c, aber nicht die Häufigkeit von Schlaganfall, Herzinfarkt und vaskulärem Tod. In ähnlicher Weise waren die Ergebnisse von klinischen Studien zur Reduktion des Körpergewichts bei Adipositas sehr ernüchternd. Die Medikamente waren entweder nicht oder nur wenig wirksam oder hatten eine Vielzahl von unerwünschten Arzneimittelwirkungen.

Hier findet im Moment ein dramatischer Paradigmenwechsel statt [1]. Die ersten Studien zu den GLP-1-Rezeptoragonisten zeigten beim Diabetes mellitus neben einer Verbesserung der metabolischen Parameter und einer Senkung des HbA1c zwei weitere unerwartete Wirkungen, nämlich eine positive Wirkung bei Herzinsuffizienz und eine Gewichtsabnahme. Die Substanzgruppe wurde weiterentwickelt und zeigt jetzt sowohl für die subkutane als auch für die orale Anwendung erhebliche Effekte auf das Körpergewicht bei Patienten mit Adipositas. Dies gilt unerwarteterweise nicht nur für Patienten mit Diabetes mellitus, sondern auch für diejenigen, die nicht zuckerkrank sind. Eine weitere Entwicklung sind neue Substanzen, die nicht nur als GLP-1-Rezeptoragonisten, sondern auch als glukoseabhängige insulinotrope Polypeptidagonisten (GIP) wirksam sind und bezüglich des Körpergewichts noch wirksamer sind als die reinen GLP-1-Agonisten. Neurologen müssen mit diesen neuen Substanzen vertraut sein. Wegen der limitierten Verfügbarkeit dieser Substanzen besteht im Moment natürlich noch eine erhebliche Einschränkung in der klinischen Anwendung. In Deutschland sollten diese neuen Medikamente zur Behandlung des Diabetes mellitus und/oder der Adipositas Patienten mit Diabetes mellitus vorbehalten bleiben, bis alle neuen Medikament in ausreichender Menge zur Verfügung stehen.

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Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener

Leiter der Abteilung für Neuroepidemiologie, IMIBE Universität Duisburg-Essen, Essen hans.diener@uk-essen.de