"Nur wer schreibt, bleibt" - "publish or perish". Jenseits solch lockerer Sprüche sind Publikationen tatsächlich essenziell für die Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse, gerade in schnelllebigen Zeiten exponentieller Wissensexplosion. Auch wenn der Impact-Faktor einer Zeitschrift nur ein bibliometrisches Maß unter vielen ist - im derzeitigen Wissenschaftssystem ist es besonders erstrebenswert, in einer Zeitschrift mit hohem Impact-Faktor wie dem New England Journal of Medicine, JAMA, BMJ oder Lancet zu publizieren. Die Hürden sind extrem hoch: Nur etwa 5 % der eingereichten Arbeiten schaffen es in den Review-Prozess, von denen danach weniger als 10 % akzeptiert werden. Dabei ist klar, dass der Zugang zu diesen Journalen nicht nur von Qualität und Originalität der Arbeit, sondern auch von der Bekanntheit der Verfassenden oder dem "hotness"-Faktor der Arbeit abhängt, also bereits der Auswahlprozess davon beeinflusst wird, wie oft die Arbeit wohl zitiert werden könnte. Zu Recht werden Herausforderungen und Handlungsfelder zur Bewertung wissenschaftlichen Publizierens diskutiert [1].

Ein anderes Geschäftsmodell verfolgen "Megajournals", die darauf setzen, gegen Gebühr möglichst viele "Open-Access"-Publikationen zu ermöglichen. Wie eine Übersichtsarbeit in der Zeitschrift JAMA zeigt, gab es im Jahr 2022 über 55 dieser Zeitschriften, die mehr als 2.000 Artikel im Jahr publizierten [2]. Zusammengenommen waren dies über 300.000 Publikationen. Zeitschriften mit besonders hohen Publikationszahlen zeigt Tab. 1 [2]. Die meisten von ihnen haben interessanterweise trotz der Masse an Artikeln einen Impact-Faktor, der es attraktiv erscheinen lässt, dort zu publizieren. Es stellt sich natürlich die Frage, wie ein solcher Wert zustande kommt und wie es eine Zeitschrift schafft, die über 20.000 Artikel im Jahr veröffentlicht, kompetente Reviewer für das Peer-Review-System zu finden. Einige der Zeitschriften sind in der Zwischenzeit dazu übergegangen, Reviewer zu bezahlen. Andere bieten einen Discount an, wenn Reviewer in derselben Zeitschrift eine Arbeit publizieren. Die Akzeptanzquoten dieser Zeitschriften liegen im Mittel bei 60 %, was die Frage aufwirft, wie es um die Qualität des Review-Prozesse und damit dieser Publikationen bestellt ist.

T1 Die produktivsten Megajournals in der Biomedizin (mod. nach [2])

Fast unmöglich, einen Überblick zu behalten

Insgesamt ist die Zahl der Publikationen in der Medizin in der Zwischenzeit so hoch, dass es unmöglich geworden scheint, einen Überblick zu behalten. Hier helfen auch die zahlreichen Übersichtsarbeiten und Metaanalysen nicht weiter. So führte zum Beispiel die COVID-19-Pandemie zu einer "Explosion" von Publikationen, mit derzeit über 352.000 bei PubMed zum Stichwort COVID-19 gelisteten Arbeiten!

Hinzu kommt das Problem mit "Beute"-Zeitschriften (predatory journals), die eine rasche Publikation sowie ein Peer-Review versprechen und eine hohe Gebühr verlangen, oft aber keinen Impact-Faktor haben und ausschließlich darauf ausgelegt sind, Geld zu verdienen. Bei vielen dieser Zeitschriften sind die Reviews, wenn überhaupt vorgelegt, von fraglicher Qualität.

An den medizinischen Fakultäten in Deutschland ist es mittlerweile notwendig, für eine Habilitation eine minimale Zahl von Publikationen in Peer-Review-Zeitschriften als Erst- oder Letztautor vorzulegen. Dieser Anspruch kann oft nicht erfüllt werden, wenn Autorinnen und Autoren ausschließlich in besonders hoch angesehenen wissenschaftlichen Zeitschriften publizieren wollen. Nicht nur, aber auch durch diesem Druck erklärt sich der Erfolg der hier diskutierten Megajournals. Allen jüngeren Autorinnen und Autoren kann nur der dringenden Rat geben gegeben werden, sich zu der Zeitschrift, bei der ein Artikel eingereicht wird, von erfahrenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beraten zu lassen.,

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Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener

Leiter der Abteilung für Neuroepidemiologie, IMIBE Universität Duisburg-Essen, Essen hans.diener@uk-essen.de

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Prof. Dr. med. Gereon R. Fink

Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie

Universitätsklinik Köln

Köln Kerpener Straße 62, 50937 Köln

neurologie-direktor@uk-koeln.de