Zwei Registerstudien aus Skandinavien widmeten sich der Frage, welchen Einfluss die Behandlung Schizophreniekranker mit Antipsychotika längerfristig auf das Rezidivrisiko und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat. Die Ergebnisse sind eher ernüchternd.

In einer Studie wurden anhand finnischer Registerdaten die Krankheitsverläufe von 5.367 Personen analysiert, bei denen vor dem 55. Lebensjahr die Erstdiagnose einer Schizophrenie gestellt worden war [Taipale H et al. Lancet Psychiatry. 2022;9:271-79]. Besonderes Augenmerk galt dabei der Dosierung der antipsychotischen Medikation, deren Dosierung nach jedem psychotischen Rezidiv erhöht worden war. Vor dem ersten Rezidiv lag sie bei 1,22 definierten Tagesdosen (defined daily doses, DDD) (95 %-Konfidenzintervall [KI] 1,18-1,26), vor dem fünften bei 1,56 DDD (95 %-KI 1,48-1,64). Das Risiko, das heißt die adjustierte Hazard Ratio (aHR), für eine Rehospitalisierung wegen eines Rezidivs unter antipsychotischer Medikation im Vergleich zu keiner Medikation stieg von 0,42 (95 %-KI 0,35-0,51) vor dem zweiten Rezidiv auf 0,78 (95 %-KI 0,62-0,99) nach dem zweiten Rezidiv. Dieser Vorher-Nachher-Unterschied war statistisch signifikant (p < 0,0001). Die Forschenden deuteten ihn als Hinweis auf eine erheblich nachlassende Wirksamkeit der Antipsychotika. Vor dem zweiten Rezidiv war eine Dosierung unter 0,6 DDD mit einem signifikant höheren Rezidivrisiko assoziiert als die Standarddosierung (aHR 1,54; 95 %-KI 1,06-2,24). Nach dem zweiten Rezidiv zeigte sich jedoch im Vergleich zwischen Niedrig- und Standarddosierung kein signifikanter Unterschied mehr (aHR 1,11; 95 %-KI: 0,76-1,62) (Abb. 1).

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Rezidivrate bei Schizophreniekranken unter Antipsychotika-Standarddosierung versus niedriger Dosierung (mod. n. [Taipale H et al. Lancet Psychiatry. 2022;9:271-79])

Wirkverlust durch Adaptation des Gehirns?

Laut Prof. Dr. Gerhard Gründer, Molekulares Neuroimaging, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim, zeigt die Studie, dass die rezidivprophylaktische Wirkung der Antipsychotika mit jedem Rezidiv abnimmt, trotz schrittweiser Dosissteigerung. Gründer geht davon aus, dass dies zumindest teilweise auf einer Adaptation des Gehirns an die Medikamente beruht. Das bedeute einerseits, dass jedes Rezidiv verhindert werden müsse. Ein bislang ungelöstes Dilemma ergebe sich aber daraus, dass die medikamentöse Therapie die Anpassungsvorgänge, die Rezidive begünstigen, letztlich sogar vorantreibe. "Man kann dieses Dilemma nur vermindern, indem man die Indikation zur medikamentösen Behandlung streng stellt und indem man mit den niedrigsten effektiven Dosierungen behandelt," betonte Gründer.

Unter Antipsychotika weniger Krankschreibungen, aber mehr Arbeitslosigkeit?

Die Arbeitsgruppe, die die erwähnte finnische Registerstudie durchgeführt hatte, untersuchte in einer schwedischen Kohorte den Einfluss der antipsychotischen Behandlung auf Arbeitsunfähigkeit und Invaliditätsrente [Solmi M et al. Am J Psychiatry. 2022;179:938-46]. Die Kohorte umfasste 21.551 Personen im Alter von 16 bis 45 Jahren, bei denen die Erstdiagnose einer nicht affektiven Psychose gestellt worden war. 46 % davon waren über den gesamten Erhebungszeitraum von 4,8 Monaten krankgeschrieben. Am Ende des Beobachtungszeitraums waren 52 % langzeitarbeitslos oder berentet.

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde, war unter der Anwendung von Antipsychotika signifikant niedriger als bei Nichtanwendung (aHR 0,65; 95 %-KI 0,59-0,72). Am niedrigsten war die Wahrscheinlichkeit bei Depotinjektionen (aHR 0,46; 95 %-KI 0,34-0,62). Die Erkrankungsdauer hatte keinen signifikanten Einfluss auf die Häufigkeit der Krankschreibungen.

Gründer kritisierte an der Studie, dass darin kaum auf die "ernüchternde Tatsache" eingegangen werde, dass mehr als 70 % der Betroffenen fünf Jahre nach der Erstdiagnose keine Anstellung hatten. "Die Effektivität der verfügbaren Therapien hinsichtlich der Funktionalität ist also mehr als bescheiden," schlussfolgerte Gründer. Gar nicht diskutiert werde der Befund, dass Personen, die nicht medikamentös behandelt wurden, signifikant häufiger in einem Arbeitsverhältnis standen als antipsychotisch Behandelte. Nur im Supplement finde sich eine Grafik dazu, aus der beispielsweise hervorgehe, dass fünf Jahre nach Diagnosestellung 24 % der mit Antipsychotika Behandelten und 29 % derer, die keine Antipsychotika einnahmen, eine Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt hatten. Gerade diese Gruppe von Schizophreniekranken bedürfe, so Gründer, der weiteren Analyse, um Faktoren zu identifizieren, die eine echte Genesung ("Recovery") fördern.

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