Fragestellung: Wie häufig sind neurologische Symptome ein Jahr nach einer COVID-19-Infektion?

Hintergrund: Während die neurologischen Symptome des Post-COVID-Syndroms (drei Monate nach der Akutinfektion) vielfach beschrieben wurden, fehlen Zahlen zur Häufigkeit von Langzeitbeschwerden ein Jahr nach COVID-19-Infektion.

Patienten und Methodik: Basierend auf den Datenbanken des US Department of Veterans Affairs wurden drei Kohorten gebildet: 154.068 Personen, die eine COVID-19-Infektion mindestens 30 Tage überlebten, 5.638.795 Kontrollen ohne SARS-CoV-2-Infektion während der Pandemie, und 5.859.621 historische Kontrollen vor der Pandemie. Ermittelt wurden die Risiken und die Krankheitslast durch neurologische Erkrankungen ein Jahr nach akuter SARS-CoV-2-Infektion und die Häufigkeit definierter neurologischer Krankheitsbilder pro 1.000 Personen nach zwölf Monaten, verglichen mit der Inzidenzrate bei den Kontrollkohorten.

Ergebnisse: Nach COVID-19 fand sich ein erhöhtes Ein-Jahres-Risiko für zerebrovaskuläre Ereignisse, psychische und neurokognitive Störungen, episodische Erkrankungen wie Migräne und Epilepsie, Bewegungsstörungen, neuromuskuläre Erkrankungen sowie Enzephalitis oder Enzephalopathie. Die Hazard Ratio (HR) für irgendeine neurologische Folge betrug 1,42 mit einer Krankheitslast von 70,69 pro 1.000 Personen nach zwölf Monaten. Die Risiken waren auch nach nicht stationär behandlungsbedürftiger COVID-19-Infektion erhöht.

Die HR für zerebrale Ischämie, TIA, intrakranielle Blutungen sowie Sinus- und Hirnvenenthrombose lagen bei 1,50, 1,62, 2,19 und 2,69. Die HR für Depression betrug 1,44, für Stress und Anpassungsstörung 1,39, für Angststörung 1,38 und für psychotische Symptome 1,51. Für Gedächtnisstörungen errechnete sich eine HR von 1,77, für Demenz von 2,03. Die HR für Enzephalitis oder Enzephalopathie betrug 1,82. Für Anosmie ergab sich eine HR von 4,05, für Ageusie von 2,26. Weiterhin wurden die HR für das Guillain-Barré-Syndrom (2,16), periphere Neuropathie (1,34), Parästhesien (1,32), Dysautonomie (1,30) und Fazialisparese (1,48) berechnet, außerdem für Myalgien (1,83) und Myopathie (2,76) sowie für Migräne (1,21) und Epilepsie (1,80). Für Bewegungsstörungen ergab sich eine HR von 1,42.

Auch in Subgruppenanalysen bestätigten sich die erhöhten Risiken, wobei psychiatrische Erkrankungen und episodische Störungen mit zunehmendem Alter zunahmen, neurokognitive Störungen und entzündliche Erkrankungen wie Enzephalitis oder Guillain-Barré-Syndrom dagegen abnahmen.

Insgesamt hing die Häufigkeit neurologischer Manifestationen vom Schweregrad der Akuterkrankung ab, das Risiko war aber auch nach ambulant behandelter SARS-CoV-2-Infektion erhöht.

Schlussfolgerungen: In allen Altersgruppen bestand ein Jahr nach COVID-19-Infektion ein erhöhtes Risiko neurologischer Manifestationen. Neurokognition, Guillain-Barré-Syndrom und Enzephalitis waren bei jüngeren Erwachsenen häufiger. Psychische Manifestationen und Schmerzen bei Älteren.

Xu E, Xie Y, Al-Aly Z. Long-term neurologic outcomes of COVID-19. Nat Med 2022; https://doi.org/10.1038/s41591-022-02001-z