Das Absetzen von Antipsychotika erhöht die Rezidivrate der Schizophrenie signifikant. Die S3-Leitlinie der AWMF empfiehlt daher mit der höchsten Empfehlungsstärke die kontinuierliche antipsychotische Behandlung für alle Menschen mit einer Schizophrenie. Wie jedoch soll in der klinischen Praxis mit Nebenwirkungen umgegangen werden? Wie werden Nebenwirkungen erkannt? Soll jede Nebenwirkung durch Dosisreduktion, Absetzen oder Umstellen behandelt werden? Welche Nebenwirkungen gibt es, an die wir in der klinischen Praxis nicht immer denken? Antworten will dieser Artikel geben.

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Die evidenzbasierte Behandlung von Menschen mit einer Schizophrenie ist eine Kernkompetenz für alle klinisch tätigen Kolleginnen und Kollegen. Häufig prägen jedoch Unsicherheiten im Umgang mit Nebenwirkungen und möglichen Komplikationen die klinische Praxis.

Der bekannte Pharmakologe Gustav Kuschinsky prägte die Regel, dass es keine pharmakologische Wirkung ohne eine Nebenwirkung geben kann. Aus Sicht der evidenzbasierten Medizin, aber auch der klinischen Rationalität ist anzunehmen, dass je wirksamer Substanzen in der Medizin sind, desto höher ist die Gefahr für das Auftreten von Nebenwirkungen. Optimale Medikamente haben eine niedrige Number Needed to Treat (NNT), das heißt, es müssen möglichst wenige Menschen behandelt werden, damit eine Person den Endpunkt erreicht. Gleichzeitig sollte die Number Needed to Harm (NNH) möglichst hoch sein, was bedeutet, dass möglichst viele Menschen behandelt werden müssen, bis eine Nebenwirkung auftritt. Dieses optimale Antipsychotikum gibt es allerdings nicht und in einer Situation, in der die meisten Antipsychotika vergleichbar wirksam sind (alle signifikant wirksamer als Placebo für die relevanten Endpunkte wie zum Beispiel Reduktion von psychotischem Erleben, Rezidivprophylaxe) [1, 2], muss sich eine rationale Pharmakotherapie mit Antipsychotika an Nebenwirkungen orientieren. Hier besteht im Kontext des shared-decision-makings auch eine große Chance, die therapeutische Beziehung zu stärken: Eine offene, transparente und abwägende Aufklärung über Nebenwirkungen gegenüber der betroffenen Person, Angehörigen und anderen nahen Vertrauenspersonen schafft insbesondere in einer Zeit, in der man im Internet zahlreiche nicht abwägend formulierte Informationen finden kann, Vertrauen und hilft bei der Früherkennung von Nebenwirkungen. Neben der Aufklärung zu Beginn der Behandlung gehört das konkrete Abfragen von Nebenwirkungen in jede Visite und Vorstellung von Menschen, die mit antipsychotischen Substanzen behandelt werden. Dabei ist es entscheidend, anstelle von allgemeinen Fragen, wie "Haben Sie Nebenwirkungen?" spezifisch nachzufragen, zum Beispiel: "Haben Sie das Gefühl, dass Sie nicht mehr ruhig sitzen können und umherlaufen Sie beruhigt?" sowie Befunde durch Beobachtung oder Messungen zu erhärten (z. B. Gewicht, Herzfrequenz, Laborwerte). Zu beachten ist, dass viele Nebenwirkungen sich erst in der breiten klinischen Anwendung zeigen und nicht immer in den Zulassungsstudien in dem Umfang wie klinisch relevant sichtbar sind. Weiterhin stehen heute andere Nebenwirkungen im Fokus der Aufmerksamkeit. Standen zu Beginn der antipsychotischen Behandlung und bis in die letzten 15 Jahre hinein insbesondere die motorischen Nebenwirkungen sowie kardiale Nebenwirkungen im Sinne einer Verlängerung der QTc-Zeit im Vordergrund der Aufmerksamkeit, hat sich dies nun zugunsten einer Aufmerksamkeit hinsichtlich metabolischer Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Diabetes oder kardiovaskulärer Erkrankungen verändert. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Nebenwirkung wichtiger ist als eine andere, sondern dass sich Häufigkeit und Relevanz verschoben haben. Eine orientierende Übersicht hierzu gibt Abb. 1 [3].

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Häufigkeit und Relevanz der antipsychotischen Nebenwirkungen früher und heute. Zu beachten ist jedoch, dass die getroffene Reihung nicht bedeutet, dass eine UAW wichtiger oder unwichtiger ist als andere (mod. nach [3]).

Vorgehen gemäß der S3-Leitlinie Schizophrenie

Prinzipiell definiert die AWMF-S3-Leitlinie Schizophrenie vier Stufen im Management von Nebenwirkungen im Kontext einer antipsychotischen Behandlung [4]. Hierbei muss beachtet werden, dass es für die ersten drei dieser prinzipiellen Stufen keine studienbasierten Empfehlungen gibt, sondern es sich um klinische Konsenspunkte (KKP) handelt. Diese wurden jedoch alle mit einem hohen Grad des Konsenses in der Leitliniengruppe verabschiedet. Die vier Stufen können wie folgt definiert werden [4]:

  • Stufe 1: Information und Beratung (Empfehlung 52)

  • Stufe 2: Aktives Abfragen und Einordnen (Empfehlung 53)

  • Stufe 3: Prüfen ob, Dosisreduktion, Umstellung oder Absetzen möglich sind (Empfehlung 54)

  • Stufe 4: Spezifische Therapien

Die ersten drei Stufen sind aufgrund ihres allgemeingültigen Charakters prinzipiell für jede pharmakologische Therapie anzuwenden. Erst in der Stufe 4 finden sich spezifische Therapien, die im Folgenden näher besprochen werden. Dennoch ist es uns wichtig herauszustellen, dass aus unserer klinischen Erfahrung die Stufen 1 bis 3 bei Menschen mit einer Schizophrenie häufig nicht ausreichend gewürdigt werden. Viel zu oft wird zu viel über Wirkung und zu wenig über Nebenwirkungen gesprochen. Die S3-Leitlinie Schizophrenie gibt eine Übersicht über den empfohlenen Rhythmus der Untersuchung und des Abfragens von Nebenwirkungen [4]. Vereinfacht kann davon ausgegangen werden, dass in den ersten sechs Monaten alle drei Monate die relevanten Kontrolluntersuchungen (v. a. Labor, EKG) erfolgen, um dann in einen Halbjahresrhythmus zu wechseln. Anpassungen sind jedoch präparatspezifisch (z. B. Clozapin) und bei Änderungen der Dosierung erforderlich. Bei der Neueinstellung auf ein Antipsychotikum ist eine höhere Frequenz der relevanten Kontrolluntersuchungen empfohlen (mindestens vor Einstellung und einmal im ersten Monat [4, 5], in der klinischen Praxis empfiehlt sich eine höhere Frequenz, v. a. bei einer Kombinationsbehandlung).

In vielen nationalen und internationalen Leitlinien (z. B. NICE) findet sich der Hinweis, dass bei der Behandlung mit Antipsychotika insbesondere

  • metabolische,

  • motorische,

  • kardiovaskuläre,

  • hormonelle und

  • andere subjektiv als belastend

erlebte Nebenwirkungen zu beachten sind. Diese sind die häufigsten Nebenwirkungen, aber bereits diese sind im klinischen Alltag mit nicht unerheblichen Unsicherheiten verbunden, sodass im Folgenden eine entsprechende Aufarbeitung erfolgt.

Basierend auf den Empfehlungen der S3-Leitlinie Schizophrenie ist das wesentliche Ziel die individualisierte an Nebenwirkungen orientierte antipsychotische Behandlung mit der niedrigsten möglichen Dosierung [4]. Um dieses Ziel zu erreichen und unsere Patientinnen und Patienten optimal beraten zu können, ist die Kenntnis der wesentlichen Nebenwirkungen entscheidend.

Behandlung von spezifischen Nebenwirkungen

Aus Gründen der Übersicht wird im Folgenden darauf verzichtet, für die einzelnen Nebenwirkungen eine sich wiederholende Darstellung der Stufen 1 bis 3 (siehe Absatz zuvor) vorzunehmen. Zu beachten ist jedoch, dass die Reduktion von Antipsychotika verschiedene Dynamiken haben kann - davon wiederum sind die Gefahr für ein Rezidiv oder Absetzphänomene abhängig. Nehmen wir an, Clozapin muss aufgrund einer kontinuierlichen Zunahme des Gewichts in der Dosierung reduziert werden - dieses wird sicher langsamer und mit weniger zu erwartenden psychopathologischen Komplikationen erfolgen, als wenn beispielsweise Clozapin bei einer Myokarditis oder Agranulozytose akut abgesetzt werden muss. Diese Dynamik ist abhängig von der Schwere, der Komplikationsgefahr und der individuellen Situation.

Kontrolluntersuchungen sind wichtig.

Motorische Nebenwirkungen

Die motorischen Nebenwirkungen sind die am längsten bekannten Nebenwirkungen der antipsychotischen Behandlung, wobei in der Wahrnehmung immer ein Schwerpunkt auf den Spätdyskinesien und weniger auf den deutlich häufigeren Frühdyskinesien liegt. Zu den Frühdyskinesien gehören

  • die akute Dystonie,

  • das Parkinsonoid und

  • die Akathisie.

Frühdyskinesien sind sehr belastend, verunsichern Patienten, Angehörige sowie andere Vertrauenspersonen und werden trotz der Aktivität nicht immer erkannt. Aus diesen Gründen sind vor jeder antipsychotischen Behandlung eine Aufklärung und eine Schulung von Angehörigen und Teams zum Erkennen dieser Nebenwirkungen wichtig. Frühdyskinesien treten prinzipiell unter jedem Antipsychotikum auf, wobei Präparate mit einem starken Antagonismus am D2-Rezeptor ein höheres Risiko aufweisen. Entscheidend ist hier die Prävention durch langsames Eindosieren. Insbesondere für die akute Dystonie und das Parkinsonoid hat sich die Gabe von Biperiden (2,5-5 mg/Tag) oder Trihexyphenidyl (bei Parkinsonoid, 3-4 x 1-4 mg/d) in der Praxis etabliert [5]. Eine langfristige Gabe von Anticholinergika ist aufgrund von systemischen Nebenwirkungen und den Effekten auf die Kognition jedoch nicht empfohlen. Die Akathisie kann ebenfalls prinzipiell unter jedem Antipsychotikum auftreten. Kritisch ist diese Nebenwirkung, da immer wieder diskutiert wird, dass eine Akathisie das Risiko für Suizidalität bei Menschen mit einer Schizophrenie erhöht. Dieser Befund konnte zwar in einer neuen systematischen Übersichtsarbeit nicht bestätigt werden [6], aber daraus sollte nicht gefolgert werden, dass hier eine Entwarnung gegeben werden kann.

Tiefe Hirnstimulation ist eine Therapieoption.

Neben dem expliziten Abfragen der Nebenwirkung steht die Beobachtung der betroffenen Person im Gespräch und im klinischen Alltag im Vordergrund der Diagnostik. Differenzialdiagnostisch müssen eine innere Unruhe und andere Anspannungszustände gegenüber der Akathisie abgegrenzt werden. Für die Akathisie gibt es kaum gute wissenschaftliche Evidenz. Die Umstellung auf Präparate wie Olanzapin, Clozapin oder Quetiapin ist klinisch bewährt, aber nicht immer möglich. Optionen zur Behandlung umfassen die Gabe von Propranolol (30-120 mg/d), Mirtazapin (7,5-15 mg/d; Alternativen: Trazodon, Mianserin) oder auch Lorazepam (1-4 mg/d) [5]. Letzteres ist gut wirksam, aber die Abhängigkeitsproblematik ist hinlänglich bekannt. Anticholinergika sind in dieser Situation eher als Präparate der zweiten Wahl anzusehen.

Gefürchtet ist die Nebenwirkung der Spätdyskinesie, die auch prinzipiell bei jedem Antipsychotikum auftreten kann, jedoch einen Zusammenhang zu langjähriger Behandlung mit Präparaten mit starker Blockade am D2-Rezeptor aufweist. Epidemiologische Risikofaktoren sind unter anderem eine lange Behandlungsdauer, weibliches Geschlecht und ein vorgeschädigtes Gehirn. Problematisch ist, dass die Spätdyskinesie in 30-50 % der Fälle nicht reversibel ist [5]. In der klinischen Praxis hat sich die Umstellung auf Clozapin oder die Ergänzung von Tiaprid bewährt [5]. Entscheidend sind auf jeden Fall die Reduktion und das Absetzen des auslösenden Antipsychotikums. In Lehrbüchern finden sich Hinweise für Therapieversuche mit Piracetam, Levetirazetam oder Vitamin B6 in Ergänzung zur antipsychotischen Behandlung [5]. Prinzipiell ist auch die Durchführung einer Elektrokonvulsionstherapie denkbar, wobei belastbare Evidenz vor allem im Kontext affektiver Erkrankungen verfügbar ist [7].

Als weitere Option ist in Deutschland das Tetrabenazin (12,5-75 mg/d, Höchstdosis 200 mg/d) verfügbar, welches in dieser Indikation eingesetzt werden kann. Hier müssen Nebenwirkungen wie depressive Symptome, Schlafstörungen, Suizidalität und der Off-label-Charakter der Behandlung bedacht werden [5]. Neu durch die FDA in den USA zugelassen ist Valbenazin, ein VMAT-2-Inhibitor, der zur Abnahme von Dopamin im synaptischen Spalt führt [8]. Die Substanz ist ein hepatisch metabolisiertes Prodrug von Alpha-Dihydrotetrabenazin. Die Wirksamkeit von Valbenazin für die Behandlung der Spätdyskinesie bei affektiven und nicht affektiven Psychosen wurde in der Kinect 3-Studie gezeigt [8]. Das Präparat hat sehr hohe Therapiekosten und es bleibt abzuwarten, ob es in Deutschland (Problematik der Bewertung eines Zusatznutzens) verfügbar werden wird. Es bildet aber sicherlich eine Möglichkeit zur Behandlung von Spätdyskinesien (Einzelfallantrag an die Krankenkasse, Import über die internationale Apotheke).

Schließlich können Spätdyskinesien durch tiefe Hirnstimulation behandelt werden (analoges Prinzip wie bei Morbus Parkinson oder Dystonie). Systematische Übersichtsarbeiten von vielen Fallberichten und kleinere Kohortenstudien bestätigen die Wirksamkeit und Verträglichkeit dieser Methode auch im Langzeitverlauf [9, 10].

Metabolische Nebenwirkungen - neue Studien und Stufenschema

Wie in Abb. 1 dargestellt, haben metabolische Nebenwirkungen mittlerweile die größte Bedeutung in der klinischen Praxis [3]. Die wechselseitige Beeinflussung von biologischen Faktoren, psychologischen und sozialen Faktoren der Erkrankung, ungesundem Lebensstil, Stigmatisierung, aber auch Nebenwirkungen von Antipsychotika, resultiert in der hohen Prävalenz von metabolischen Erkrankungen bei Menschen einer Schizophrenie. Zu beachten ist, dass Menschen mit einer Schizophrenie auch schon vor Beginn der antipsychotischen Behandlung und früh im Erkrankungsverlauf höchstwahrscheinlich aufgrund der Folgen des Prodromalstadiums und Lebensstilumständen ein erhöhtes Risiko für Übergewicht haben [11]. Im Verlauf der Erkrankung steigt das Risiko für Übergewicht und konsekutiv für metabolische Erkrankungen - wie hinlänglich bekannt - massiv an. Es handelt sich um ein multifaktorielles Geschehen, wobei bedacht werden muss, dass es innerhalb der Antipsychotika Hochrisikopräparate gibt. Aus pharmakologischer Sicht scheinem insbesondere ein Antagonismus an 5HT2C-Rezeptoren sowie am antihistaminergen (H1) und antimuskarinergen (M3) Rezeptor relevant für eine Gewichtszunahme und metabolische Nebenwirkungen zu sein. Eine neue Metaanalyse erlaubt eine Gruppierung von Antipsychotika in verschiedene "Gewichtsklassen" [12], wobei unter jeder Behandlung mit Antipsychotika Gewichtszunahme oder metabolische Veränderungen auftreten können. In Bezug auf den Endpunkt Gewichtszunahme haben die Substanzen Haloperidol, Ziprasidon, Aripiprazol und Lurasidon am besten abgeschnitten. Die in Deutschland selten verwendeten Präparate Sertindol und Zotepin, aber auch die häufig verwendeten Substanzen Clozapin und Olanzapin am schlechtesten. Alle anderen gängigen Antipsychotika lagen dazwischen, wobei die sehr häufig eingesetzten Antipsychotika Risperidon, Paliperidon und Quetiapin auch in Bezug auf eine Gewichtszunahme eher problematisch waren [12]. Eine weitere neue Metaanalyse hat die Dosis-Nebenwirkungs-Beziehung untersucht und zeigen können, dass vor allem bei Olanzapin, Quetiapin, Clozapin, Paliperidon und Risperidon in den gängigen Dosisbereichen ein Zusammenhang zwischen Dosissteigerung und Gewichtszunahme besteht [13]. Dies verdeutlicht, dass hier zum einen eine Beratung der Patientinnen und Patienten erfolgen muss, aber auch, dass im Falle einer Gewichtszunahme eine Dosisreduktion als Intervention sinnvoll ist. Auch in der Langzeittherapie, welche für die Rezidivprophylaxe wesentliche Bedeutung hat, zeigt sich ein ähnliches Bild mit einer vergleichbaren Verteilung der Substanzen [2].

Prinzipiell sind nach Leitlinien verschiedene Stufen zum Umgang mit der sehr relevanten Problematik der Gewichtszunahme denkbar. Diese Stufen können in der klinischen Praxis sicher nicht immer sequenziell abgearbeitet werden, geben aber einen Leitfaden für die Beratung von Patientinnen und Patienten. Folgender Ablauf ist dabei eine gute Möglichkeit sich an den Empfehlungen der S3-Leitlinie Schizophrenie zu orientieren [4, 14]:

  • Klären Sie die betroffene Person und Angehörige über die Möglichkeit einer Gewichtszunahme (und anderer metabolischer UAW) auf und untersuchen Sie vor allem die Gewichtszunahme bei jedem Kontakt und andere metabolische Parameter regelmäßig.

  • Bei einer Gewichtszunahme > 7 % vom Ausgangsgewicht soll eine Reaktion im Sinne weiterer Diagnostik und der Anpassung der Therapie erfolgen.

  • Klären Sie auf jeden Fall erneut über das Problem auf. Führen Sie eine Ernährungsberatung in verständlicher Sprache mit dem Fokus auf die Lebensrealität der betroffenen Person durch. Prüfen Sie, ob Sport-Interventionen oder andere aktivierende Maßnahmen implementiert werden können. In diesem Kontext sei darauf verwiesen, dass eine Vielzahl an gut gemachten Studien und Meta-Analysen verfügbar sind, die die Wirksamkeit und Durchführbarkeit von Sport- und Ernährungsprogrammen bei Menschen mit einer Schizophrenie zur Reduktion des Gewichts belegen. Die sicherlich bekannteste Studie zur Wirksamkeit dieser Interventionen wurde hier im Jahre 2013 im New England Journal of Medicine veröffentlicht (ACHIVE Studie). Diese Studie nutzte bei Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen (v. a. Schizophrenie) ein Interventionsprogramm mit folgenden Elementen: Gruppentherapeutische Interventionen zur Gewichtsreduktion, Einzelinterventionen zur Gewichtsreduktion und gruppentherapeutische Sportinterventionen vs. Ernährungs- und Sportberatung als Kontrolle [15].

  • Prüfen Sie gemeinsam mit der betroffenen Person und deren Angehörigen, ob die Medikation reduziert, auf ein weniger problematisches Präparat umgestellt oder in Einzelfällen sogar abgesetzt werden kann. Jede Anpassung der Medikation sollte durch eine engmaschige Evaluation der Psychopathologie mit dem Fokus auf Frühwarnzeichen auf ein Rezidiv begleitet werden.

  • Bei fehlender Wirksamkeit oder Nicht-Anwendbarkeit der zuvor genannten Maßnahmen, prüfen Sie die Anwendung der Kombinationsbehandlung mit Metformin (erste Wahl) oder Topiramat (zweite Wahl). Dabei handelt es sich um eine Off-label-Anwendung mit den entsprechenden Regeln für Aufklärung und Dokumentation. Ob eine prophylaktische Gabe bei Risikopräparaten (z. B. Olanzapin) einen Mehrwert hat, wurde nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht und würde auch nicht den Empfehlungen der S3-Leitlinie entsprechen, wobei aus klinisch-pragmatischer Sicht in Einzelfällen ein solches Vorgehen nach entsprechender Aufklärung möglich erscheint.

Metabolische Nebenwirkungen - neue Ansätze

Neben der bisher noch nicht erfolgreichen Entwicklung von neuen Antipsychotika mit optimiertem metabolischen Risikoprofil bei guter Wirksamkeit und reduzierten motorischen Nebenwirkungen gibt es zurzeit Entwicklungen, metabolisch problematische Präparate zu optimieren. Eine aktuelle Entwicklung ist die Kombination Samidorphan und Olanzapin, die kürzlich von der FDA in den USA zugelassen worden ist [16]. Samidorphan ist ein μ-Rezeptor-Antagonist mit partiellen κ- und δ-agonistischen Eigenschaften. Die Kombination der beiden Substanzen kann die Olanzapin-typische Gewichtszunahme signifikant reduzieren [16, 17]. Ob dieses Konzept in Europa (EMA-Zulassung) und dann in Deutschland (AMNOG-Nutzenbewertung) verfügbar sein wird (die Effektstärken in den Studien sind eher gering), bleibt abzuwarten.

Antipsychotika unterscheiden sich relevant in der Gewichtszunahme.

Ein Konzept zum Umgang mit Gewichtszunahme in der Medizin allgemein ist momentan die Applikation von GLP-1-Rezeptoragonisten. Hier hat sich zum Beispiel Semaglutid in einer großen Studie bei Menschen mit einem BMI ≥ 30kg/m2 ohne Diabetes oder BMI ≥ 27 kg/m2 mit mindestens einer weiteren gewichtsassoziierten Komorbidität als signifikant wirksamer als Placebo erwiesen (bis zu 18 % Gewichtsabnahme über die Studiendauer von 68 Wochen in Kombination mit Lifestyle Intervention) [18]. Hochwertige Studien im Kontext einer Antipsychotika-vermittelten Gewichtszunahme bei Menschen mit einer Schizophrenie für dieses Konzept liegen allerdings nicht vor. Es ist jedoch anzunehmen, dass das Prinzip auch hier wirksam ist. Zu beachten sind hier insbesondere die Notwendigkeit einer hohen Compliance der Patientinnen und Patienten (einmal wöchentlich subkutane Gabe) sowie die hohen Therapiekosten. In jedem Fall ist ein solcher Weg vorher mit dem Kostenträger zu klären.

Risikofaktoren für Herzrhythmusstörungen sollen minimiert werden.

Kardiale Nebenwirkungen

Die Definition kardialer Nebenwirkungen von Antipsychotika ist vielfältig. Unter Betrachtung des vorigen Abschnittes sind natürlich kardiovaskuläre Erkrankungen als Folge metabolischer Entwicklungen die häufigsten und damit relevanten kardialen Nebenwirkungen auch wenn dies unter anderem ein sekundärer Effekt ist. Klassischerweise werden als kardiale Nebenwirkungen von Antipsychotika die Verlängerung der QTc-Zeit und der plötzliche Herztod verstanden. Letzteres ist eng mit der Entwicklung einer Myokarditis verknüpft. Regelmäßige EKG-Kontrollen (in der Regel alle 3 Monate, präparatspezifische Besonderheiten sind den Fachinformation zu entnehmen), die Abfrage von Zeichen einer kardialen Belastung (z. B. Belastungsdyspnoe, Probleme beim Treppensteigen, periphere Ödeme) und die Untersuchung der Herzfrequenz sind wesentliche Maßnahmen zur frühzeitigen Erkennung von möglichen kardialen Folgeerscheinungen einer antipsychotischen Therapie.

In Bezug auf die QTc-Zeit ist festzustellen, dass eine Zunahme um 60 ms das Arrhythmierisiko erhöht [5, 14]. Grenzen für die QTc-Zeit müssen immer geschlechtsspezifisch betrachtet werden und unterscheiden sich zwischen den verschiedenen Publikationen. In der Regel finden sich Grenzwerte von 440 ms für Männer und 450 ms für Frauen in der Literatur, wobei die S3-Leitlinie von höheren Grenzwerten ausgeht. Relevanter als absolute Grenzwerte ist auf jeden Fall die Dynamik der Veränderung. Antipsychotika mit einem hohen Risiko für QTc-Zeiten-Veränderungen sind in erster Linie Sertindol (siehe Anwendungshinweise), Amisulprid, Ziprasidon, Iloperidon oder Haloperidol intravenös [5]. In einer neuen Metaanalyse zeigte sich, dass Risperidon, Olanzapin und Quetiapin mehr QTc-Zeit-Verlängerung als Placebo induzieren, während Haloperidol, Paliperidon, Aripiprazol, Cariprazin, Brexpiprazol und Lurasidon keinen Unterschied in der QT-Zeit-Verlängerung zu Placebo zeigen [1]. Dennoch muss bei jeder antipsychotischen Behandlung von einem möglichen Effekt auf die QTc-Zeit ausgegangen werden, sodass auch bei eher unkritischen Präparaten hier eine Aufmerksamkeit zu legen ist.

Folgende Risikofaktoren müssen im Kontext der QTc-Verlängerung beachtet werden (adaptiert nach [19]):

  • Hohes Lebensalter

  • Weibliches Geschlecht

  • Kardiale Vorerkrankungen

  • Elektrolytstörungen (Hypokaliämie; Hypomagnesiämie)

  • Hohe antipsychotische Dosierungen und Plasmakonzentrationen

  • Kombinationsbehandlung (insbesondere von Substanzen mit hohem Potenzial für QTc-Zeit-Verlängerung

  • Anamnese einer QTc-Zeit-Verlängerung

Neben der Aufzeichnung eines EKG vor Therapiebeginn und im Verlauf der Behandlung gelten ein langsames Eindosieren, das Arbeiten mit möglichst geringen Dosierungen (siehe auch S3-Leitlinie), die Kontrolle von Kaliumspiegel (niedrige Kaliumspiegel vermeiden) sowie die Untersuchung von möglichen klinischen Symptomen einer Rhythmusstörung wie Palpitationen, Schwindel oder Synkopen als wichtige Elemente um frühzeitig die Problematik der QTc-Zeit zu adressieren [19]. Zu beachten ist auch, dass wenn zwei die QTc-Zeit erhöhende Präparate kombiniert werden, die Effekte additiv sind.

Der plötzliche Herztod bei Menschen mit einer Schizophrenie ist ein seltenes, aber klinisch immer wieder zu beobachtendes Phänomen. Kardiovaskuläre Erkrankungen zählen zu den häufigsten Todesursachen bei Menschen mit einer Schizophrenie. Der plötzliche Herztod wird insbesondere mit Herzrhythmusstörungen in Verbindung gebracht und im Rahmen des multifaktoriellen Geschehens muss die antipsychotische Behandlung immer als wichtige Variable mit einbezogen werden. Dies gilt insbesondere für Medikamente mit einem relevanten Einfluss auf die QTc-Zeit. Besondere Bedeutung hat hier eine australische Arbeit mit 509 Patienten mit Behandlungsresistenz und Clozapintherapie [20]. Während des mehrjährigen Beobachtungszeitraums verstarben 2 % (n = 10) an einem plötzlichen Herztod und 3 % (n = 14) hatten eine Myokarditis. 70 % der Patienten mit plötzlichem Herztod hatten jedoch auch komorbiden Drogengebrauch, was sicherlich mittlerweile eine der wesentlichen Faktoren in der Betrachtung des plötzlichen Herztodes bei Menschen mit einer Schizophrenie ist [20].

Für die klinische Praxis ist sicherlich das unter anderem aus dieser Studie abgeleitete Myokarditis Screening bei der Behandlung mit Clozapin ein sehr wichtiges Element. Während die wöchentlichen Untersuchungen des Blutbildes in den 18 Wochen beim Clozapin nach Fachinformation Standard sind, erfolgt das Myokarditis Screening noch nicht in dem eigentlich erforderlichen Maß. Es findet sich jedoch mittlerweile in den Fachinformationen ein klarer Warnhinweis zum Thema Myokarditis mit der Betonung der ersten zwei Monate der Clozapin-Behandlung. Die Fachinformation empfiehlt eine Untersuchung von klinischen Zeichen einer Myokarditis, aber mittlerweile werden in Lehrbüchern und Publikationen auch laborchemische Untersuchungen empfohlen [5]. Die Inzidenz der Myokarditis bei Behandlung mit Clozapin ist nicht bekannt, aber es finden sich Zahlen von bis zu 3 % der Fälle (z. B. [21]). Klinische Warnsymptome einer Clozapin-assoziierten Myokarditis sind eine Zunahme der Herzfrequenz, Palpitationen, Herzrhythmusstörungen, Schmerzen in der Brust sowie Zeichen einer Herzinsuffizienz wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Luftnot, Tachypnoe oder auch myokardinfarktähnliche Symptome [5]. Aus diesen Gründen empfiehlt es sich vor allem im ersten Monat der Clozapin-Behandlung wöchentlich C-reaktives Protein (CRP) und Troponin T zu bestimmen sowie ein regelmäßiges EKG-Monitoring durchzuführen. Ein einfach zu adressierender Risikofaktor für eine Myokarditis scheint die schnelle Aufdosierung von Clozapin zu sein, sodass in diesen Fällen besondere Vorsicht geboten ist.

Eine Tachykardie kann bei vielen Antipsychotika auftreten (v. a. bei Clozapin). Diese Antipsychotika-induzierte Sinustachykardie ist immer eine Ausschlussdiagnose und sollte eingeordnet werden. Die Tachykardie kann Stress verursachen, ist belastend (z. B. Schlafstörungen) und kann die Mortalität erhöhen. Generell handelt es sich dabei um eine Ausschlussdiagnose - bei Verdacht erfolgen ein EKG, ein Langzeit-EKG, laborchemische Untersuchungen und gegebenenfalls eine Herzechographie nach Abstimmung mit den Kolleginnen und Kollegen der Kardiologie. Es gibt kein Zeitkriterium, aber zum Beispiel ist die Clozapin-induzierte Tachykardie zum Teil selbstlimitierend, sodass initial ein abwartendes Verhalten möglich ist. Differenzialdiagnostisch sind Angst und Unruhe, eine Anämie eine Hyperthyreose aber auch eine Myokarditis zu beachten. In der Beurteilung wird die frequenzkorrigierte QTc-Zeit verwendet und therapeutisch können neben der Dosisreduktion und Reduktion der Polypharmazie vor allem Betablocker zum Einsatz (z. B. Bisoprolol; CAVE: Metoprolol wegen Interaktionen, da Substrat von CYP2D6).

Neu: Myokarditis-Screening bei Clozapin- Eindosierung.

Prolaktinanstieg

Der Anstieg von Prolaktin mit den bekannten unmittelbar auftretenden Nebenwirkungen sexuelle Dysfunktion (Libido-, Erregungs- und Orgasmusstörungen [5], Amenorrhö oder Milchfluss tritt vor allem bei Antipsychotika mit relevanter dopaminerger Blockade auf. In einer großen Metaanalyse zeigten v. a. Risperidon, Paliperidon, Amisulprid, Haloperidol (stellvertretend für alle First-Generation Antipsychotika), Lurasidon und Sertindol diese Problematik [1]. Zu beachten ist jedoch, dass auch andere Faktoren wie Stress oder andere Substanzklassen (z. B. trizyklische Antidepressiva, bestimmte SSRI) das Prolaktin ansteigen lassen können. Hierauf ist insbesondere bei Kombinationsbehandlungen mit zwei potenziell prolaktinsteigernden Substanzen zu achten. Im Gegenzug haben Antipsychotika mit partialagonistischen Eigenschaften einen prolaktinsenkenden Effekt (v. a. für Aripiprazol gezeigt) [1].

Prolaktin soll vor Beginn der Therapie bestimmt werden.

Da der Prolaktinanstieg häufig auftritt, mit sehr belastenden Nebenwirkungen assoziiert sein kann, langfristig möglicherweise relevante Folgen für die Gesundheit hat, ist eine Bestimmung des Prolaktins vor Beginn der antipsychotischen Behandlung in der S3-Leitlinie Schizophrenie basierend auf der NICE-Leitlinie empfohlen [4]. Um möglichst valide Werte zu erhalten, sollten die in Tab. 1 aufgeführten Punkte beachtet werden [14, 22].

T1 Um möglichst valide Prolaktinwerte zu erhalten, sollten die folgenden Punkte beachtet werden [14, 22].

Die Entstehung von Nebenwirkungen ist sicherlich abhängig von der jeweiligen Höhe des Prolaktinspiegels, wobei es auch Menschen mit höheren Prolaktinspiegeln gibt, die nicht unbedingt Nebenwirkungen entwickeln. Entscheidend ist hier die Betrachtung der Risikofaktoren (v.a. Typ des Antipsychotikums), die Bewertung der Höhe des Prolaktins und die Evaluation kurz- und langfristiger Nebenwirkungen. Abb. 2 zeigt einen Algorithmus für die mögliche Einordnung dieses Sachverhalts in der klinischen Praxis [23] (bitte beachten: der Re-Test nach drei Monaten ist so in der S3-Leitlinie Schizophrenie nicht empfohlen [14]).

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Algorithmus zum Umgang mit erhöhten Prolaktinwerten (mod. nach [23])

Besondere Vorsicht sollte bei Konstellationen eines erhöhten Risikos für eine Osteoporose gelten (z. B. weibliches Geschlecht, postmenopausale Zeit). Auch wenn der Zusammenhang zwischen prolaktinsteigernden Antipsychotika und Osteoporose nicht eindeutig belegt ist [24], kann dieser nicht ausgeschlossen werden. In der Klinik empfiehlt sich bei Risikokonstellation die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen der Endokrinologie und das Angebot einer Vitamin-D-Substitution. Lange Zeit war auch die Situation im Kontext des Risikos für die Entwicklung von Mammakarzinomen unklar. Zwei neue Arbeiten geben jedoch Hinweise für einen möglichen statistischen Zusammenhang zwischen langfristiger (> 5 Jahre) Behandlung mit prolaktinsteigernden Antipsychotika und der Entwicklung von Brustkrebs [25, 26]. Dieser Zusammenhang erscheint vor allem daher besorgniserregend, da neue Arbeiten zeigen, dass Frauen mit einer Schizophrenie trotz des erhöhten Risikos weniger Brustkrebsvorsorge in Anspruch nehmen als die Allgemeinpopulation [27]. In der klinischen Praxis sollten diese Personen daher aktiv dabei unterstützt werden, Vorsorgeuntersuchungen wahrzunehmen.

Die Therapie des erhöhten Prolaktins ist in Abb. 2 dargestellt [23]. Neben der Dosisreduktion oder Umstellung auf ein prolaktinsparendes Antipsychotikum können Partialagonisten (z. B. Aripiprazol, Cariprazin) oder Dopaminagonisten (Carbegolin, Bromocriptin) zur bestehenden Behandlung ergänzt werden [23]. Eine Kombinationsbehandlung ist insbesondere dann zu diskutieren, wenn ein Mensch mit einer Schizophrenie stabil und sonst beschwerdefrei auf eine antipsychotische Behandlung eingestellt ist und das Risiko für ein Rezidiv möglichst effektiv reduziert werden soll.

Pneumonien

Die Behandlung mit Antipsychotika ist mit einem erhöhten Pneumonierisiko assoziiert. Dies gilt insbesondere für die ersten 30 Tage der Behandlung und wurde vor allem für Clozapin (hier v. a. bei höheren Dosierungen) gezeigt [28, 29]. Dieser Befund ist sicherlich multifaktoriell zu erklären. Die hohen Hospitalisierungsraten von Menschen mit einer Schizophrenie, der erhöhte Speichelfluss mit möglicher nächtlicher Aspiration, eine chronische Immunsuppression durch niedrige Werte der neutrophilen Granulozyten, somatische Komorbiditäten (kardiovaskuläre und Lungenerkrankungen) und der erhöhte Tabakkonsum von Menschen mit einer Schizophrenie könnten das erhöhte Pneumonierisiko vor allem bei Behandlung mit Clozapin erklären. In der klinischen Praxis sollte vor allem in der Eindosierungsphase von Clozapin auf Zeichen einer Pneumonie geachtet werden und präventiv die entsprechenden Impfungen (SARS-CoV-2, Pneumokokken, Influenza) angeboten werden. Die Besonderheiten der Impfung bei Menschen mit Clozapinbehandlung (möglicher Dosisanstieg, additiver Effekt für das Risiko einer Myokarditis bei mRNA Impfstoffen) sind abzuwägen.

Hypersalivation

Hypersalivation ist ein häufiges Phänomen in der antipsychotischen Behandlung und tritt vor allem bei Clozapin, aber auch bei Olanzapin auf. Zu bedenken ist, dass über die D2-Blockade vieler Antipsychotika auch eine verringerte Schluckfrequenz eine Hypersalivation bedingen kann [5]. Vor Einleitung einer Therapie ist zu prüfen, was die Ursache der Hypersalivation ist und ob die Dosierung reduziert oder das Präparat umgestellt werden kann. Zur Anwendung kommt in der klinischen Praxis häufig Pirenzepin/Gastrozepin 25-50 mg/d (Anticholinergikum mit relativ selektivem Antagonismus an M1- und M4-Rezeptoren) [5], das wirksam ist, aber die Gefahr der Zunahme der anticholinergen Nebenwirkungen von Clozapin (bis zum Ileus, siehe unten) erhöht. Andere Optionen sind die Gabe von Glycopyrrolat, Metoclopramid oder Sulpirid/Amisulprid [5] - Optionen, die in der klinischen Praxis kaum Anwendung finden. Eine in letzter Zeit immer wieder diskutierte Möglichkeit ist die Anwendung von sublingualem Atropin (z. B. aus Augentropfen), das trotz Fehlen starker Evidenz für diese Indikation wirksam zu sein scheint [30]. Langfristige Behandlungsoptionen, vor allem wenn Clozapin nicht reduziert oder umgestellt werden kann, ist die Applikation von Botulinumtoxin in die Speicheldrüsen wie in der S2k-Leitlinie Hypersalivation vorgeschlagen [31].

Obstipation

Obstipation kommt im Kontext einer antipsychotischen Behandlung häufig vor und vor allem Clozapin hat hier ein sehr hohes Risiko, aber auch andere Substanzen wie zum Beispiel Olanzapin und Quetiapin führen häufig zu Obstipation. Kombinationsbehandlung, hohe Dosierungen von Antipsychotika und die Gabe von Anticholinergika (z. B. Biperiden, Gastrozepin) erhöhen das Risiko für Obstipation. Komplikationen umfassen die Entwicklung eine Subileus oder Ileus (sechsfach erhöhtes Risiko bei Clozapin Behandlung) mit den Folgen einer Septikämie und Peritonitis [5]. Regelmäßiges Abfragen der Stuhlfrequenz und klinisch-abdominelle Untersuchungen helfen, diese Problematik frühzeitig zu erkennen. Tab. 2 zeigt verschiedene Möglichkeit zum Umgang mit dieser Nebenwirkung [5, 32].

T2 Möglichkeit zum Umgang mit Obstipation (mod. nach [5, 32])

Anticholinerge und andere Nebenwirkungen

Je nach Rezeptorprofil zeigen Antipsychotika mehr oder weniger anticholinerge Eigenschaften. Weiterhin werden Anticholinergika (v. a. Biperiden) zur Behandlung motorischer Nebenwirkungen regelmäßig eingesetzt. Eine neuere große US-amerikanische Studie beschreibt die Möglichkeit der Zunahme kognitiver Defizite durch die anticholinerge Belastung bei Menschen mit Schizophrenie [33]. Auch, wenn kognitive Symptome bei Menschen mit Schizophrenie häufig und oft vor Behandlung nachweisbar sowie multifaktoriell zu erklären sind, muss dieser neue Befund aufmerksam beobachtet und in die Risiko-Nutzen-Evaluation mit einbezogen werden.

Botulinumtoxin ist eine Therapieoption.

Dieser CME-Artikel kann nicht alle denkbaren antipsychotischen Nebenwirkungen beschreiben. Wir haben einen Fokus auf die klinisch häufigsten und relevantesten Nebenwirkungen gelegt und geprüft, wo es neue Befunde gibt. Tab. 3 zeigt eine sicherlich weiterhin nicht vollständige Liste weiterer Nebenwirkungen, die es in der Klinik zu beachten gilt (erweitert und adaptiert nach [5, 14]).

T3 In diesem Artikel nicht dargestellte, weitere Nebenwirkungen von Antipsychotika, die es in der Klinik zu beachten gilt (mod. nach [5, 14]).

Fazit für die Praxis

  • Antipsychotika sind hochwirksame Medikamente, die jedoch mit einer relevanten Zahl an Nebenwirkungen vergesellschaftet sind. Eine moderne antipsychotische Therapie orientiert sich mehr an Überlegungen zu den Nebenwirkungen als an Überlegungen zur Wirkung.

  • In der klinischen Praxis ist die Aufklärung der betroffenen Personen und deren Vertrauenspersonen in einem offenen Gespräch mit Elementen der partizipativen Entscheidungsfindung ein wesentliches Prinzip.

  • Das Abfragen, Untersuchen und Einordnen von Nebenwirkungen ist eine wesentliche Aufgabe in der psychiatrischen Praxis und wird auch von der S3-Leitlinie so gefordert.

  • Durch einen offenen und transparenten Umgang mit dem Thema können die Adhärenz der Patientinnen und Patienten gefördert und langfristige Komplikationen vermieden werden.