Fragestellung: Untersucht wird, ob die Gabe von Riluzol bei Patienten mit Spinozerebellärer Ataxie Typ 2 (SCA2) therapeutisch wirksam ist.

Hintergrund: Riluzol ist zur Behandlung der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) zugelassen. Es wirkt unter anderen antiglutamaterg und wahrscheinlich neuroprotektiv. Zwei Studien, die 2010 und 2015 von der gleichen Arbeitsgruppe veröffentlicht wurden, zeigten positive Effekte bei Ataxien [1, 2]. In der ersten Studie wurden 40 Patienten für acht Wochen mit 2 × täglich 50 mg Riluzol oder Placebo behandelt [1]. Bereits nach vier Wochen zeigte die Hälfte der behandelten Patienten eine deutliche Besserung und nach acht Wochen die Mehrzahl. In die Studie wurden Patienten mit sehr unterschiedlichen Krankheitsbildern aufgenommen, neben genetisch gesicherten Heredoataxien auch viele Patienten ohne gesicherte Ursache der Ataxie, Patienten mit Multisystematrophie vom zerebellären Typ (MSA-C), immunvermittelten Ataxien und Multipler Sklerose. In der zweiten Studie wurde Riluzol gegen Placebo für den Zeitraum von einem Jahr in einer Gruppe von 55 Patienten untersucht [2]. Die Erkrankungen waren besser definiert als in der ersten Studie und auf Heredoataxien beschränkt. Es wurden nur Patienten mit molekulargenetisch gesicherter SCA oder Friedreich-Ataxie eingeschlossen. Im Gegensatz zur ersten Studie waren nach drei Monaten keine signifikanten Therapieeffekte nachweisbar. Studien von anderen Arbeitsgruppen, die versucht haben, die Effekte von Riluzol bei Patienten mit Ataxien zu replizieren, standen bisher aus.

Patienten und Methodik: In die multizentrische, randomisierte, doppelblinde und placebokontrollierte Studie wurden ausschließlich Patienten mit SCA2 eingeschlossen. Die Rationale war, dass (1) Patienten mit einer SCA2 vergleichsweise häufig in den beiden italienischen Studien eingeschlossen worden waren, (2) bei SCA2-Patienten eine Beteiligung des ersten und zweiten Motoneurons nicht selten ist (wie bei der ALS), und (3) eine intermediäre (noch nicht krankheitsauslösende) CAG-Repeat-Verlängerung im ATXN2-Gen, das heißt, dem SCA2-Gen, ein Risikofaktor bei der ALS ist und mit einem schwerwiegenderen Krankheitsverlauf einhergeht. In die Auswertung gingen 45 SCA2-Patienten ein, von denen 22 Patienten Riluzol und 23 Placebo erhielten. Die Behandlung erfolgte mit 2 × täglich 50 mg Riluzol für ein Jahr. Der primäre Outcome-Parameter war die Anzahl von Patienten, die nach einem Jahr eine Verbesserung von mindestens einem Punkt im klinischen SARA-Score hatten.

Ergebnisse: Riluzol wurde gut vertragen. Nebenwirkungen waren nicht häufiger als bei Placebo. Schwerwiegende Nebenwirkungen traten nur unter Placebo auf. Riluzol zeigte weder im primären Endpunkt noch in den sekundären Endpunkten signifikante Verbesserungen.

Schlussfolgerung: Riluzol ist in der Behandlung von SCA2-Patienten nicht wirksam.

Coarelli G, Heinzmann A, Ewenczyk C et al. Safety and efficacy of riluzole in spinocerebellar ataxia type 2 in France (ATRIL): a multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet Neurol 2022; 21: 225-33