Nichtmedikamentösen Verfahren sollte ein größerer Stellenwert in der Versorgung Demenzkranker eingeräumt werden. Kognitive und verhaltensfokussierte Verfahren zeigen in jüngsten Forschungsarbeiten deutlich höhere Effektstärken, als jemals in Studien mit Antidementiva erzielt wurden.

Nichtmedikamentöse Ansätze sind Prof. Dr. Dr. Michael Rapp, Sozial- und Präventivmedizin, Universität Potsdam, zufolge in der Demenzbehandlung unerlässlich. Kognitive Verfahren wie die Reminiszenztherapie, körperliche Aktivierung, Ergo- und Musiktherapie, sensorische Verfahren und Angehörigenberatung rücken angesichts des begrenzten Nutzens bislang verfügbarer Medikamente umso mehr ins Zentrum: Niedrige Effektstärken bei den Antidementiva, hohes Nebenwirkungspotenzial bei den Neuroleptika und die bislang noch fehlende Zulassungsreife der gegen β-Amyloid gerichteten Antikörper, bei denen sich die Euphorie insbesondere durch die hohe Rate an "amyloid-related imaging abnormalities" und durch die hohen Behandlungskosten bislang in Grenzen hält.

Kognitives und körperliches Training kombinieren

Was fundierte Nachweise der Wirksamkeit nicht-medikamentöser Antidemenztherapien angeht, hat sich die Datenlage laut Rapp in jüngster Zeit deutlich verbessert. So zeige eine aktuelle Metaanalyse [1], dass die Kombination von körperlichem und kognitivem Training sich sowohl bei gesunden als auch bei kognitiv leicht beeinträchtigten älteren Menschen positiv auf kognitive und körperliche Fitness auswirkt. Die höchsten Effektstärken wurden dabei mit Interventionen erzielt, bei denen kognitive und körperliche Übungen simultan angewandt wurden. Damit konnten durchschnittliche Effektstärken (Hedges' g) von 0,43 (95 %-KI: 0,27-0,60) auf kognitive und von 0,44 (95 %-KI: 0,23-0,66) auf physische Funktionen erreicht werden. Rapp betont, die Effektstärken seien etwa zwei- bis dreimal so hoch wie in bisherigen Studien zu Antidementiva.

Welche Rolle spielt die Ernährung?

Die Effekte von körperlicher Aktivität und Diät auf die Kognition im Alter wurden Rapp zufolge auch eindrucksvoll in einer finnischen Studie [2] demonstriert. 1.401 Betroffene zwischen 57 und 78 Jahren nahmen an der randomisiert-kontrollierten Studie teil. Über den vierjährigen Beobachtungszeitraum zeigte sich unter der Kombination aus gesunder Ernährung und aerobem Training ein statistisch knapp nicht-signifikanter Trend zur Verbesserung der mithilfe des neuropsychologischen CERAD-Tests (Consortium to Establish a Registry for Alzheimer's Disease) ermittelten kognitiven Funktionen (Anstieg Gesamtscore CERAD-TS: 1,4 Punkte; 95 %-KI: 0,1-2,7; p = 0,06). Weder die jeweilige Monotherapie, noch Krafttraining mit oder ohne Ernährungsanpassung zeigte einen Effekt auf die Kognition.

Ebenfalls positive, wenn auch vorläufige Signale kommen aus einer randomisierten Crossover-Studie [3] zur ketogenen Diät. 26 Alzheimer-Kranke nahmen an der Studie teil. Alltagsfunktionen und lebensqualitätsbezogene Parameter besserten sich unter der ketogenen Diät signifikant im Vergleich zur Kontrollintervention, die sich auf allgemeine Ernährungsempfehlungen beschränkte.

Beachtliche Effektstärken bleiben ungenutzt

Vor dem Hintergrund der beachtlichen Effektstärken verhaltensbezogener Interventionen empfindet es Rapp als besonders bedauerlich, wie wenig diese bislang in der Versorgung von Demenzkranken genutzt werden. Die Rate der Demenzbetroffenen, bei denen solche Verfahren zur Anwendung kommen, liege nur bei etwa 15 %. Rapp hielte 75-80 % für erstrebenswert.

12. Psychiatrie-Update-Seminar, 25.-26.3.2022, Frankfurt und online