Eine SARS-CoV-2-Infektion zieht häufig neurologische oder psychische Symptome nach sich. Einer aktuellen Bildgebungsstudie zufolge geht die Infektion mit messbaren Veränderungen der Hirnstruktur einher, und zwar überwiegend im limbischen System. Die insgesamt eher seltenen schweren Verläufe mit Hospitalisierung scheinen dabei nicht ausschlaggebend zu sein.

"Etwa 30 % der Personen mit SARS-CoV-2-Infektion entwickeln neurologische und psychische Symptome," weiß Prof. Dr. Dieter F. Braus, Psychiatrie, Vitos Klinik Eichberg, Eltville. Das Virus könne über drei verschiedene Wege ins Hirn gelangen und sich dort ausbreiten: transsynaptisch aus dem Riechkolben, hämatogen durch die Blut-Hirn-Schranke oder retrograd über periphere Nerven, die sich von Lunge oder Darm bis in den Hirnstamm erstrecken.

SARS-CoV-2 scheine zerebrale Neuronen nicht direkt zu infizieren, sondern erleichtere die Thrombozytenaggregation oder induziere eine Entzündungskaskade. Endstrecke sei dann die Störung der Mikroglia- und Neurotransmitterfunktion, die sich in einer Vielzahl von Symptomen äußern könne, unter anderem Aufmerksamkeitsdefizite und andere kognitive Störungen, Depressivität, Angst, bis hin zu psychotischen Symptomen, Suizidalität oder epileptischen Anfällen.

Infektion auch bei Nichthospitalisierten schädlich

Für besonders bemerkenswert hält Braus eine kürzlich in Nature erschienene Arbeit [1], die zu bestätigen scheint, dass es im Zuge einer SARS-CoV-2-Infektion zu relevanten strukturellen Veränderungen im Gehirn kommen kann. Grundlage der Studie bildeten Personen, die in der britischen Datenbank "UK Biobank" registriert waren und von denen zwei kranielle MRT-Aufnahmen vorlagen, eine davon bevor und eine nachdem diese Personen positiv für SARS-CoV-2 getestet worden waren. Zwischen den beiden MRT-Untersuchungen lagen durchschnittlich 141 Tage. 384 dieser Personen erfüllten die Einschlusskriterien und wurden mit ebenso vielen Personen gematcht, die ebenfalls zwei MRT durchlaufen hatten, aber über den gesamten Zeitraum SARS-CoV-2-negativ geblieben waren.

Im Vorher-Nachher-Vergleich der MRT-Untersuchungen nahmen Dicke und Gewebskontrast des orbitofrontalen Kortex (Abb. 1) und des parahippokampalen Gyrus in der Gruppe mit SARS-CoV-2-Infektion stärker ab als bei den Kontrollpersonen. Zudem zeigten sich bei den SARS-CoV-2-Betroffenen in Regionen mit funktioneller Konnektivität zum primären olfaktorischen Kortex stärkere Veränderungen von Markern, die Gewebeschäden anzeigen. Auch das Gehirnvolumen und kognitive Funktionen nahmen bei den SARS-CoV-2-Infizierten stärker ab als bei den Kontrollen.

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SARS-CoV-2 Infizierte zeigen eine reduzierte Dicke des linken orbitofrontalen Kortex (mod. nach [1]).

Diese Auffälligkeiten bestanden auch nach Herausnahme der 15 hospitalisierten COVID-Fälle. In der Veröffentlichung heißt es, diese überwiegend limbischen Veränderungen könnten möglicherweise das Fortschreiten der Neurodegeneration über olfaktorische Fasern, neuroinflammatorische Ereignisse oder auch den Verlust sensorischen Inputs durch Anosmie markieren. Braus zufolge ist allerdings noch unklar, ob die beobachteten Effekte für COVID-bedingte Neurodegeneration spezifisch sind und ob sie reversibel sind.

Hospitalisierung als eigenständiger Risikofaktor

Eine dänische Fallkontrollstudie [2] zeigte nun, dass die Gesamtlast an neurologischen und psychischen Symptomen einschließlich neu aufgetretener psychischer Störungen unter den Überlebenden eines COVID-bedingten Krankenhausaufenthalts mit der Symptomlast bei gematchten aus anderen Gründen Hospitalisierten vergleichbar ist. Braus resümierte, ein Krankenhausaufenthalt habe einen erheblichen Nachhängeeffekt, der offenbar weitgehend unabhängig von der Erkrankung sei.

12. Psychiatrie-Update-Seminar, 25.-26.3.2022, Frankfurt und online