Die Standardbehandlung der chronisch-inflammatorisch demyelinisierenden Polyradikuloneuropathie (CIDP) besteht neben i.v. verabreichten Immunglobulinen (IVIG) aus Kortikosteroidgaben und Plasmapherese. Bei unzureichendem Ansprechen ist an CIDP-ähnliche Erkrankungen zu denken, die einer anderen Therapie bedürfen.

Im November 2021 stellte die European Academy of Neurology (EAN) gemeinsam mit der Peripheral Nerve Society (PNS) aktualisierte Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der CIDP [1] vor. Professor Claudia Sommer, Neurologie, Universitätsklinikum Würzburg, rät, sich bei jedem Verdacht auf eine CIDP auf diese Leitlinien zu stützen. Eine wichtige Empfehlung daraus sei beispielsweise, bei unzureichendem Ansprechen auf die Behandlung die Diagnose CIDP zu überdenken und insbesondere folgende Differenzialdiagnosen zu berücksichtigen [1]:

  • Amyloidose

  • Hereditäre PNP (Charcot-Marie-Tooth-Neuropathie)

  • POEMS(Polyneuropathie, Organomegalie, Endokrinopathie, M-Gradient, Skin-lesions)-Syndrom, eine seltene Variante des multiplen Myeloms

  • Immunneuropathie mit Auto-Antikörpern gegen Schnürringbestandteile

  • Anti-MAG(myelinassoziiertes Glykoprotein)-Neuropathie

Anti-MAG-Neuropathie: Antikörpertiter als Prädiktor?

Die durch IgM-Antikörper gegen MAG gekennzeichnete Anti-MAG-Neuropathie geht Sommer zufolge mit einem CIDP-ähnlichen Erscheinungsbild einher, scheine aber schwerer behandelbar zu sein als die CIDP. Bei unzureichendem Ansprechen auf Kortikosteroide, IVIG oder Plasmapherese kommen Off-label-Anwendungen unter anderem von Zytostatika wie Melphalan oder des gegen CD-20 gerichteten Antikörpers Rituximab infrage. Eine kürzlich veröffentlichte Übersichtsarbeit von 40 Studien zeigte, dass die Anti-MAG-Antikörperspiegel mit dem Ansprechen auf die Therapie korrelieren [2]. Im Umkehrschluss könne man, so Sommer, vorsichtig postulieren, dass in Fällen, in denen die Anti-MAG-Antikörper nicht fallen und keine eindeutige klinische Verbesserung eintritt, ein Umstellen der Therapie angezeigt ist.

Bei Paranodopathien Therapieversuch mit Rituximab

"Die (Nodo-)Paranodopathien werden heute nicht mehr als CIDP-Variante betrachtet, sondern als eigene Entität," betonte Sommer. Kennzeichnend sind Antikörper gegen die nodal-paranodalen Zelladhäsionsmoleküle Contactin-1 (CNTN1), verschiedene Neurofascin-Isoformen (NF155/140/186), contactinassoziiertes Protein 1 (Caspr1) und andere paranodale Proteine. An Paranodopathie Erkrankte erfüllen zwar die EAN/PNS-Kriterien für eine CIDP, weisen jedoch zusätzlich spezifische Merkmale auf. Die Erkrankung beginnt - ähnlich wie ein Guillain-Barré-Syndrom - subakut und geht mit Paresen, Ataxie sowie Tremor einher. Sie spricht schlecht auf IVIG und Kortikosteroide an, auch wenn diese wiederholt verabreicht werden. Bei den oft sehr schweren Verläufen gelte es, so Sommer, "durchzuhalten". Ein Therapieversuch mit Rituximab sei häufig erfolgreich.

Proteasomhemmer als künftige Zusatzoption?

Deutsche Forschende berichteten kürzlich über einen 52-Jährigen mit einer anti-pan-Neurofascin-assoziierten Neuropathie und fulminantem beatmungspflichtigem Verlauf, ähnlich einem Locked-in-Syndrom. Die Erkrankung sprach zunächst nicht auf IVIG, Plasmapherese und Rituximab an. Den Durchbruch bewirkte dann die zusätzliche Gabe des Proteasomhemmers Bortezomib [3].

14. Neurologie-Update-Seminar, 4.-5.3.2022, online