Fragestellung: Soll die mechanische Thrombektomie bei Patienten mit ischämischem Insult und Verschluss der großen hirnversorgenden Arterien mit einer systemischen Thrombolyse kombiniert werden?

Hintergrund: Therapie der Wahl bei Patienten mit ischämischem Insult und Verschlüssen der großen hirnversorgenden Arterien ist die mechanische Thrombektomie [1]. Bei den initialen Studien zur Thrombektomie erfolgte diese in Kombination mit der intravenösen Gabe von Alteplase [2]. Bisher lagen randomisierte Studien zu dieser Fragestellung nur aus Asien vor [3, 4, 5].

Patienten und Methodik: Es handelt sich um eine offene, multizentrische, randomisierte Studie in Europa. Eingeschlossen wurden Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall, die in einem Krankenhaus aufgenommen wurden, das in der Lage war, eine systemische Lyse und eine mechanische Thrombektomie durchzuführen. Die Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip im Verhältnis 1:1 entweder einer mechanischen Thrombektomie allein oder einer intravenösen Therapie mit Alteplase, gefolgt von einer mechanischen Thrombektomie, zugeteilt. Der primäre Endpunkt der Studie war das funktionelle Ergebnis auf der modifizierten Rankin-Skala (mRS, 0 = keine Behinderung, 6 = Tod) nach 90 Tagen. Die statistische Auswertung erfolgte bezüglich der Überlegenheit der mechanischen Thrombektomie allein gegenüber Alteplase plus mechanischer Thrombektomie, sowie bezüglich der Nichtunterlegenheit mit einer Marge von 0,8 für die untere Grenze des 95 %-Konfidenzintervalls (KI) für die Odds-Ratio (OR) der beiden Studiengruppen.

Ergebnisse: Die Analyse bezog 539 Patienten ein (mittleres Alter: 71 Jahre, 56 % Männer). Die Schwere des Schlaganfalls gemessen mit der NIHSS betrug im Mittel 16. Etwa 60 % der Studienteilnehmer hatten einen M1-Verschluss, 17 % einen Tandemverschluss. Das mittlere Zeitintervall vom Eintreffen in der Klinik bis zum Beginn der Thrombektomie betrug 63 Minuten. Nach 90 Tagen betrug der mediane mRS-Wert 3 bei alleiniger mechanischer Thrombektomie und 2 in der Kombinationsgruppe. Die OR betrug 0,84 (95 %-KI 0,62-1,15; p = 0,28). Dies belegt weder eine Überlegenheit, noch eine Nichtunterlegenheit der mechanischen Thrombektomie als Monotherapie.

Die Sterblichkeit betrug 20,5 % bei mechanischer Thrombektomie allein und 15,8 % bei Alteplase plus mechanischer Thrombektomie (OR 1,39; 95 %-KI 0,84-2,30). Symptomatische intrazerebrale Blutungen traten bei 5,9 % und 5,3 % der Patienten in den jeweiligen Gruppen auf (OR 1,30; 95 %-KI 0,60-2,81).

Schlussfolgerungen: In einer randomisierten Studie mit europäischen Patienten war die mechanische Thrombektomie allein einer Thrombolyse mit intravenöser Alteplase gefolgt von einer mechanischen Thrombektomie in Bezug auf die Behinderung 90 Tage nach dem Schlaganfall nicht unterlegen. Die Inzidenz von symptomatischen intrazerebralen Blutungen und die Sterblichkeit waren in beiden Gruppen ähnlich.

LeCouffe NE, Kappelhof M, Treurniet KM et al. A Randomized trial of intravenous Alteplase before endovascular treatment for stroke. N Engl J Med 2021; 385: 1833-44