Die Behandlung der Schizophrenie mit Clozapin eröffnet Chancen durch die besondere antipsychotische Wirkung, birgt aber auch durch die speziellen Risiken der Substanz Gefahren. Im vorliegenden Artikel werden die Chancen für die Behandlung, auf der anderen Seite aber auch relevante Risiken und Empfehlungen zum Umgang damit auf Grundlage des Projekts "Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie" (ASMP) herausgearbeitet.

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Nach seiner initialen Entwicklung in den 1950er-Jahren machte Clozapin erst im Jahr 1972 sein Debüt auf dem deutschen Arzneimittelmarkt. Clozapin stellte den ersten Wirkstoff dar, der trotz nahezu fehlendem Dopamin-D2-Rezeptorantagonismus und ohne unerwünschte extrapyramidalmotorische Störungen (EPMS) antipsychotisch wirksam war. Aufgrund dieser neuen Eigenschaft galt Clozapin als erstes "atypisches" Antipsychotikum ("Antipsychotikum der zweiten Generation", engl.: "second-generation antipsychotic drug", SGA). Neben der einzigartig niedrigen Affinität für Dopamin-D2-Rezeptoren zugunsten einer hohen D1- und D4-Rezeptor-Affinität fiel ein potenter Agonismus an serotonergen und a-adrenergen Rezeptoren auf. In den Jahren nach seiner initialen Markteinführung wurde Clozapin zunehmend verordnet, da es im Vergleich zu anderen damals verfügbaren Antipsychotika eine extrem niedrige Rate an EPMS aufwies [1]. Wenige Jahre später meldete zunächst Finnland ein gehäuftes Auftreten tödlich verlaufender Agranulozytosen bei mit Clozapin behandelten Patienten. Nach vorübergehender Marktrücknahme erfolgte die Wiederzulassung wegen der unverzichtbaren besonderen Wirkung von Clozapin nur unter der Auflage strenger Blutbildkontrollen (wöchentlich in den ersten sechs Monaten nach Behandlungsbeginn, danach monatlich). Neben dem Auftreten von Agranulozytosen ist Clozapin mit einer Reihe anderer, seltener, jedoch schwerwiegender, potenziell lebensbedrohlicher unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) wie Pneumonie, Myokarditis, Kardiomyopathie und paralytischer Ileus assoziiert [2]. Deshalb bedarf die Anwendung von Clozapin trotz seiner guten Wirksamkeit und vorteilhaften Eigenschaften hinsichtlich des seltenen Auftretens von EPMS einer strengen Indikationsstellung und ist bei den verordnenden Ärzten oftmals mit vielen Unsicherheiten vergesellschaftet [3]. Clozapin ist somit ein Arzneimittel, bei dem die Pharmakovigilanz einen besonders hohen Stellenwert einnimmt.

Das Projekt "Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie" (AMSP) wurde 1993 gegründet und erfasst seitdem das Auftreten schwerwiegender, neuer und/oder seltener UAW unter Psychopharmakotherapie im klinischen Alltag im deutschsprachigen Raum. Im AMSP-Projekt werden nur schwerwiegende, klinisch bedeutsame UAW erfasst, welche projektintern in einem umfangreichen Manual eingehend definiert wurden. Schwerpunkt der auf AMSP-Daten beruhenden Auswertungen besteht unter anderem in der Risikoabschätzung von UAW unter Psychopharmakotherapie bei "Real-life"-Bedingungen. AMSP stellt somit ein Qualitätssicherungsprogramm dar, erhöht die Patientensicherheit und dient gleichzeitig der Schulung und Fortbildung von Klinikern sowie dem kollegialen Austausch über die Psychopharmakotherapie [4]. Bislang verzeichnet AMSP 603 schwerwiegende UAW-Fälle unter Clozapin. Somit war Clozapin bisher an 16,1 % aller Antipsychotika-assoziierten UAW beteiligt, die im Rahmen des AMSP-Projektes erhoben worden sind.

Chancen/Wirkung

Clozapin in der Behandlung der therapieresistenten Schizophrenie

Clozapin ist das einzige Antipsychotikum mit nachgewiesener Wirksamkeit bei therapieresistenter Schizophrenie und gilt hier als Goldstandard [5, 6, 7]; es ist ausschließlich dafür zugelassen. Eine Schizophrenie wird dann als therapieresistent bezeichnet, wenn eine Behandlung mit mindestens zwei verschiedenen Antipsychotika in ausreichend hoher Dosis (bzw. mit ausreichend hohen Blutspiegeln) über jeweils mehr als sechs Wochen erfolglos verblieb. Ein Behandlungserfolg ist erreicht, wenn sich die Symptomatik der Schizophrenie um mindestens 20 % verbessert und der Schweregrad der Symptome maximal "mild" ist [3]. Schätzungen zufolge erfüllen etwa 20-33 % aller an einer Schizophrenie erkrankten Personen die Kriterien der Therapieresistenz [8]. 40 % der mit Clozapin behandelten Patienten mit einer therapieresistenten Schizophrenie können erfolgreich therapiert werden [8]. In dieser Patientengruppe zeigt Clozapin im Vergleich zu anderen SGA eine signifikante Verbesserung der Symptome [9, 10, 11]. Zusätzlich verfügt Clozapin über antiaggressive Eigenschaften [12] und ist im Vergleich zu anderen Antipsychotika mit einer niedrigeren Rate von stationären Wiederaufnahmen assoziiert [13]. Zudem zeigt die Anwendung von Clozapin eine antisuizidale Wirkung [14, 15], was sonst nur noch bei der Einnahme von Lithium beobachtet werden konnte [16]. Die AMSP-Daten aus den Jahren 2000 bis 2015 zeigen, dass Clozapin mit 21,3 % das meistverwendete Antipsychotikum im stationären Setting darstellt [17]. Es wird jedoch seltener angewendet, als es indiziert ist [5, 6, 7].

Clozapin ist ein Reserveantipsychotikum mit überlegener Wirksamkeit.

Betroffenen Patienten sollte Clozapin leitliniengerecht zum frühestmöglichen Zeitpunkt angeboten werden [18], allerdings wird die Initiierung einer Behandlung mit Clozapin im klinischen Alltag oft verzögert [19]. Im Mittel vergehen mehr als fünf Jahre, in denen durchschnittlich fast sechs verschiedene Antipsychotika verordnet werden, ehe die Therapie mit Clozapin eingeleitet wird [20]. Häufig werden schwer behandelbare Patienten mit einer Kombination mehrerer Antipsychotika therapiert [17], obwohl diese Strategie insgesamt umstritten und wenig evidenzbasiert ist [21].

Clozapin als Antipsychotikum der ersten oder zweiten Wahl

Die Vielzahl an Studien und Metaanalysen, welche die bessere Wirksamkeit und höhere Responseraten von Clozapin darstellten, führte bereits vor vielen Jahren zu der Überlegung, ob Clozapin trotz seiner zahlreichen UAW auch als Antipsychotikum der ersten Wahl geeignet sein könnte [22]. Eine Metaanalyse untersuchte die Wirkung von Clozapin in der Anwendung als Antipsychotikum der ersten oder zweiten Wahl. Die insgesamt heterogenen Arbeiten, welche in dieser Metaanalyse betrachtet wurden, nutzten unterschiedliche Variablen/Messwerte, um die Effektivität der Clozapinbehandlung zu bestimmen: Verbesserte Punktwerte in der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS), Brief Psychiatric Rating Scale (BPRS) oder Clinical Global Impression (CGI), oder die antiaggressive und antisuizidale Wirkung sowie Reduktion des Substanzgebrauches. Die Autoren bestätigten die bessere Wirksamkeit von Clozapin im Vergleich zu anderen Antipsychotika, wenn es nicht erst als drittes, sondern auch als Antipsychotikum der ersten oder zweiten Wahl eingesetzt wird. Diesbezüglich besteht insbesondere eine Überlegenheit gegenüber der Anwendung von Risperidon, was nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen ist, dass der Vergleich von Risperidon mit Clozapin am häufigsten in der verfügbaren Literatur beschrieben wird [23].

Beginn einer Clozapinbehandlung

Aufgrund der sedierenden und atemdepressiven Wirkung von Clozapin kann zu Therapiebeginn die Dosierung nur langsam gesteigert werden, in Schritten von 6,25-50 mg täglich, je nach Alter und Vorerkrankungen des Patienten. Damit wird eine langsame Gewöhnung des Atemzentrums an die Clozapintherapie ermöglicht, denn der atemdepressive Effekt des Clozapins unterliegt einer solchen Gewöhnung, so dass bei etablierter Clozapintherapie erheblich höhere Dosierungen vertragen werden als bei einem Neubeginn. Diese Gewöhnung geht nach einigen Tagen der Einnahmepause verloren. Daher muss nach einer Pause von länger als zwei Tagen wieder neu auftitriert werden [24], beginnend mit der Anfangsdosis.

Abbruch einer Clozapinbehandlung

Eine große Metaanalyse aus dem Jahr 2013 ergab, dass Clozapin mit einer Odds-Ratio (OR) von 0,46 (95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,32-0,65) im Vergleich zu Placebo und anderen Antipsychotika (Risperidon, Paliperidon, Zotepin, Haloperidol, Quetiapin, Aripiprazol, Sertindol, Ziprasidon, Chlorpromazin, Asenapin, Lurasidon und Iloperidon) zusammen mit Olanzapin (OR 0,46; 95 %-KI 0,41-0,52) die zweitniedrigste Behandlungsabbruchrate aufwies. Nur Amisulprid hatte eine noch etwas geringere Behandlungsabbruchrate (OR 0,43; 95 %-KI 0,32-0,57). Dagegen hatte Haloperidol mit einer OR von 0,8 (95 %-KI 0,71-0,90) die höchste Abbruchrate. Clozapin war das Antipsychotikum, das am seltensten aufgrund von EPMS abgesetzt wurde (OR 0,3; 95 %-KI 0,12-0,62), jedoch deutlich häufiger als andere Antipsychotika aufgrund einer übermäßigen Sedierung (OR 8,82; 95 %-KI 4,72-15,06) und Gewichtszunahme (OR 0,65; 95 %-KI 0,31-0,99) [25].

Ein abruptes Absetzen von Clozapin kann zu erheblichen unerwünschten Effekten führen.

Die Entscheidung zur Beendigung einer Behandlung mit Clozapin - insbesondere bei darauf stabil eingestellten Patienten - sollte ebenso vorsichtig getroffen werden, wie die Entscheidung zur Behandlung mit dem Arzneimittel. Ein abruptes Absetzen der Therapie führt häufig zu einer raschen psychotischen Dekompensation des Betroffenen sowie einer deutlichen Erhöhung des Suizidrisikos [2]. Das Suizidrisiko ist im ersten Jahr nach dem Absetzen von Clozapin besonders erhöht [15]. Zudem besteht das Risiko eines cholinergen Rebounds, welches mit zentralnervösen Symptomen wie Agitiertheit, Verwirrtheit, Schlafstörungen, EPMS und Psychose und peripheren Symptomen wie Diarrhoe, Schwitzen, Übelkeit und Dysregulation der autonomen Funktionen [26] bis hin zur Intensivpflichtigkeit einhergehen kann. Am häufigsten wird Clozapin noch während des ersten Behandlungsjahres abgesetzt. Während die Nonadhärenz der häufigste Grund für das Beenden der Einnahme von Clozapin ist, erfolgt in knapp einem Viertel der Fälle das Absetzen ärztlicherseits aufgrund medizinischer Gründe, wie zum Beispiel UAW [27]. Im Falle einiger UAW wie Agranulozytose, Myokarditis, Kardiomyopathie und einer Verlängerung der QTc-Zeit auf > 500 ms (unter der Voraussetzung einer korrekten Messung und idealerweise kardiologischen Mitbeurteilung) ist die sofortige Beendigung der weiteren Therapie mit Clozapin indiziert [2].

Wichtige unerwünschte Wirkungen von Clozapin

Die wichtigsten Aspekte zu den nachfolgend aufgeführten UAW-Arten wie Zeitpunkt des Auftretens, Risikofaktoren, geeignete Überwachungs- und Gegenmaßnahmen sowie die Möglichkeit eines Wiedereinsetzens von Clozapin nach Abklingen der UAW sind in den Tab. 1, 2 und 3 aufgeführt.

T1 Überblick über klinische Aspekte, Risikofaktoren, Monitoring und Gegenmaßnahmen bei Clozapin-induzierter Hämato- und Pneumotoxizität
T2 Überblick über klinische Aspekte, Risikofaktoren, Monitoring und Gegenmaßnahmen bei Clozapin-induzierten kardialen und neurologischen unerwünschten Arzneimittelwirkungen
T3 Überblick über klinische Aspekte, Risikofaktoren, Monitoring und Gegenmaßnahmen bei Clozapin-induzierten kardiometabolischen und antimuskarinergen unerwünschten Arzneimittelwirkungen

Hämatologische UAW

Clozapin ist mit einer Reihe hämatologischer UAW vergesellschaftet, die am häufigsten die neutrophilen Granulozyten (nG) betreffen. Neben der potenziell lebensbedrohlichen und daher prominenten UAW der Agranulozytose kann Clozapin zu Blutbildveränderungen wie Eosinophilien, Thrombozytopenien, Thrombozytosen und Leukozytosen führen, die nur in sehr seltenen Fällen schwerwiegende Ausmaße annehmen und dann eine Therapiebeendigung zur Folge haben [2]. Eine Agranulozytose ist definiert als Abfall der absoluten Anzahl der nG auf < 500/µl [2]. Dies betrifft in etwa 0,5 % (95 %-KI 0,3-0,6) aller Patienten, die mit Clozapin behandelt werden, und verläuft in 10 % der Fälle (0,05 %; 95 %-KI 0,03-0,09) tödlich [28]. Eine Neutropenie (nG 500-1.500/µl) hingegen wird bei circa 3 % aller Patienten beobachtet. Bei rechtzeitigem Ergreifen von zusätzlichem Monitoring und gegebenenfalls Absetzen kann eine Agranulozytose vermieden werden [2]. Im Falle einer Agranulozytose besteht eine erhöhte Infektanfälligkeit und ein erhöhtes Risiko eines schweren Verlaufes der Infektion mit Sepsis und septischem Schock bis zum Exitus [29]. Daher muss bei der Verordnung von Clozapin in den ersten 18 Wochen wöchentlich, danach monatlich, eine verlässliche Blutbildkontrolle erfolgen, insbesondere der nG. Sollte eine Behandlung mit Clozapin wegen einer Agranulozytose abgebrochen worden sein, ist eine Reexposition nicht möglich, wohingegen ein Wiederansetzen nach Auftreten einer Neutropenie erwogen werden kann [2] (Tab. 1).

Kardiale UAW

Aufgrund seiner starken anticholinergen Wirkung kann Clozapin vor allem zu Beginn der Behandlung Sinustachykardien auslösen (in etwa bei 33 % der Clozapinanwender [30]), die in der Regel harmlos sind, bei langer Dauer aber eine kardiale Belastung bedeuten können. Es sollte jedoch bedacht werden, dass eine Tachykardie auch ein Symptom einer deutlich ernster zu nehmenden UAW ist, nämlich der Myokarditis. Das absolute Risiko hierfür beträgt 0,015-0,018 % und ist am höchsten während der ersten Behandlungsmonate [2], insbesondere während der ersten drei Wochen nach Behandlungsbeginn [31]. Eine Clozapin-induzierte Kardiomyopathie tritt mit einer circa achtmonatigen Latenz in der Regel deutlich später auf als eine Myokarditis und stellt möglicherweise eine Folge einer unbehandelten akuten Myokarditis dar. Am häufigsten kann eine Dilatation des Herzens nachgewiesen werden [32]. Eine weitere gefürchtete kardiale UAW von Clozapin ist die QTc-Zeit-Verlängerung, vor allem, wenn diese 500 ms überschreitet. Diese kann das Auftreten potenziell lebensbedrohlicher Torsades-de-pointes-Tachyarrhythmien begünstigen. Insgesamt kommt es jedoch nur in sehr seltenen Fällen zu einer relevanten Verlängerung der QTc-Zeit [33] (Tab. 2).

Atemwege: Atemdepression und Pneumonie als Clozapin-induzierte UAW

Aufgrund der potenziell erheblichen Folgen verdient in der Clozapinanwendung das Risiko einer Atemdepression besondere Beachtung. Dieses führt auch zu einer Einschränkung in der Kombinierbarkeit mit Arzneimitteln, die ebenfalls eine atemdepressive Wirkung haben, insbesondere mit Benzodiazepinen. Da mit Clozapin behandelte Patienten häufig eine erhebliche Krankheitsbelastung haben, ist jedoch insbesondere in akuten Krankheitsphasen diese Kombinationstherapie klinisch indiziert. Dabei gibt es Hinweise darauf, dass die Kombination mit Lorazepam angesichts der Steuerbarkeit am sinnvollsten ist und das Risiko einer Atemdepression gering ist [34]. Diese darf nur unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen (Testdosis) erfolgen: Eine morgens verabreichte Lorazepamgabe mit nachfolgender engmaschiger Überwachung belegt die Sicherheit der Kombination. In dieser Dosis kann die Gabe dann weiterhin erfolgen, am besten ein bis zwei Stunden versetzt zur Clozapineinnahme.

Das Agranulozytoserisiko von Clozapin erfordert ein verlässliches Monitoring.

Zwar ist der Mechanismus der Genese aktuell noch ungeklärt, dennoch belegen einige Studien ein erhöhtes Risiko für Pneumonien bei mit Antipsychotika, auch mit Clozapin, behandelten Patienten insbesondere höheren Lebensalters [35, 36, 37, 38]. Zu den möglichen Pathomechanismen gehören Sialorrhoe und Schluckstörungen mit daraus resultierendem Risiko einer Aspirationspneumonie, Sedierung, Unterdrückung des Hustenreflexes, Störungen der Zwerchfellmotilität, aber auch direkte und indirekte immunmodulatorische Effekte [35]. Eine retrospektive US-amerikanische Studie legte dar, dass mit Clozapin behandelte Patienten während des 25-monatigen Beobachtungszeitraums ein vierfach erhöhtes Risiko für eine Pneumonie gegenüber der Normalbevölkerung aufwiesen [39] (Tab. 1).

(Kardio-)Metabolische UAW

Insgesamt haben mit Antipsychotika behandelte Patienten ein höheres Risiko für ein metabolisches Syndrom als unbehandelte Patienten. So ist die Prävalenz des metabolischen Syndroms bei Patienten mit einer medikamentös behandelten Schizophrenie mit 35,3 % mehr als dreifach so hoch wie die Prävalenz bei unbehandelten Patienten (9,8 %) und Patienten mit Erstmanifestation einer Schizophrenie (9,9 %) [40]. SGA sind im Allgemeinen mit einem erhöhten Risiko metabolischer UAW wie Gewichtszunahme mit Adipositas und Typ-2-Diabetes, arterieller Hypertonie und Hyperlipidämie/-cholesterinämie assoziiert. Clozapin birgt ein besonders hohes Risiko eines metabolischen Syndroms, das eine gewisse Dosisabhängigkeit aufweist [2]. Eine Studie aus dem Jahr 2016 zeigte, dass knapp 80 % der Clozapinanwender übergewichtig sind und 58 % die Kriterien eines metabolischen Syndroms erfüllen. Gleichzeitig waren die Risikofaktoren des metabolischen Syndroms bei der Mehrzahl der Patienten nur unzureichend oder gar nicht behandelt [41]. Kardiovaskuläre Erkrankungen, ein mögliches Resultat eines metabolischen Syndroms, stellen die häufigste Todesursache bei Personen, die an einer Schizophrenie leiden, dar [42]. Nichtsdestotrotz wird in einer Studie aus dem Jahr 2001 gezeigt, dass die antisuizidale Wirkung von Clozapin gegenüber den Todesfällen, die auf eine Clozapin-induzierte Gewichtszunahme zurückzuführen sind, überwiegt [43]. Trotz des besonders hohen Risikos eines metabolischen Syndroms unter Clozapintherapie hat eine große dänische Kohortenstudie dargelegt, dass es keinen Unterschied zwischen der kardiovaskulären Mortalität von mit Clozapin behandelten Patienten im Vergleich zu mit anderen Antipsychotika behandelten Patienten gibt [15]. Eine kontinuierliche Therapie mit Clozapin ist sogar mit einer signifikant niedrigeren Gesamtmortalität im Vergleich zur Behandlung mit anderen Antipsychotika [44] assoziiert (Tab. 3).

Antimuskarinerge UAW, Sialorrhoe und Inkontinenz

Clozapin gehört zu den Antipsychotika mit der stärksten anticholinergen - oder genauer antimuskarinergen - Wirkung. Diese wird zentralnervös über den muskarinischen Acetylcholinrezeptor Typ 1 (M1-Rezeptor) vermittelt [45]. Hierüber können entsprechend neuropsychiatrische UAW auftreten, wie Sedierung, Müdigkeit und Verwirrtheit bis hin zum Delir. Letzteres tritt häufiger bei älteren Personen auf [46]. Obgleich eine Sedierung nicht unmittelbar lebensbedrohlich ist, kann diese UAW sehr belastend für den Betroffenen sein und gehört zu den häufigsten Absetzgründen [47].

Relevante Risiken betreffen auch weitere Organsysteme.

Zu den möglichen peripheren antimuskarinergen UAW von Clozapin gehören Obstipation, Harnverhalt und Mundtrockenheit, die über M2- und M3-Rezeptoren, die sich an der glatten Muskulatur befinden, ausgelöst werden [48]. Obstipation ist eine Antipsychotika-induzierte UAW, die tendenziell insgesamt wenig Aufmerksamkeit erhält, trotz ihrer Häufigkeit. Dies stellt besonders deshalb ein Problem dar, da bei ausbleibender Behandlung einer Obstipation im schlimmsten Fall ein paralytischer Ileus mit potenziell lebensbedrohlichen Folgen droht [49]. Insgesamt führt ein Clozapin-induzierter paralytischer Ileus mit einer Mortalität von 15,0-27,5 % der Betroffenen sogar häufiger zum Tod als eine Clozapin-induzierte Agranulozytose mit einer Mortalität von 2,2-4,2 % [50].

Interessanterweise kann Clozapin nicht nur über seine antimuskarinerge Wirkung eine Mundtrockenheit bedingen, sondern andererseits auch zu einer oft ausgeprägten Sialorrhoe führen. Insgesamt werden die dahinterstehenden pathophysiologischen Hintergründe nur unzureichend verstanden. Eine Sialorrhoe betrifft bis zu 92 % der mit Clozapin behandelten Patienten und ist häufig nachts ausgeprägter [51]. Da es eine besonders stigmatisierende UAW ist, kann sie mit einer reduzierten Lebensqualität assoziiert sein und mit Schamgefühl und vermindertem Selbstwertgefühl einhergehen. Zugleich kann eine Sialorrhoe somatische Komplikationen wie Aspirationspneumonie, Schlafstörungen, schmerzhafte Entzündung der Speicheldrüsen, Mundgeruch und (Schleim-)Hautirritationen und -infektionen bedingen [51].

Auch bezüglich der Blasenentleerung kann es aufgrund des einzigartigen Rezeptorprofils von Clozapin eher zu Inkontinenz als zu Harnverhalt kommen (Tab. 3) [52, 53].

Epileptische Anfälle

Die Senkung der Krampfschwelle und somit Erhöhung des Risikos für epileptische Anfälle ist eine UAW, die unter der Behandlung mit den meisten Antipsychotika auftreten kann [54]. Clozapin birgt jedoch im Vergleich zu anderen Antipsychotika wie Quetiapin, Risperidon und Haloperidol ein besonders erhöhtes Risiko [55]. Das kumulative 1-Jahres-Risiko eines epileptischen Anfalls unter Clozapintherapie beträgt 5 % und zeigt eine Dosisabhängigkeit insbesondere bei Dosen > 600 mg/Tag [54]. Auffälligkeiten im EEG treten insgesamt häufig unter Behandlung mit Clozapin auf und betreffen bis zu 60 % der hiermit behandelten Patienten [56]. EEG-Veränderungen können Vorboten eines epileptischen Anfalls sein, die sich als klonisch-tonische, einfach und komplex fokale und myoklonische Anfälle oder Absencen ohne pathologischen Wert darstellen können, aber auch Allgemeinveränderungen [54]. Am häufigsten werden generalisierte tonisch-klonische Anfälle beobachtet [54]. Das Vorliegen einer bekannten Epilepsie stellt keine absolute Kontraindikation einer Clozapinbehandlung dar [2], jedoch ist hier besondere Vorsicht und eine Zusammenarbeit mit dem behandelnden Neurologen erforderlich (Tab. 2).

Interaktionen: Schwerpunkt Inflammation und Tabakrauch

Clozapin kann an einer Vielzahl von Wechselwirkungen beteiligt sein, daher kann in diesem Rahmen nur für einige unerwünschte Wirkungen eine ausführlichere Darstellung erfolgen.

Beispiel für pharmakodynamische Interaktionen

Zur symptomatischen Behandlung einer Sialorrhoe unter Clozapin werden im klinischen Alltag gelegentlich Behandlungsversuche mit Pirenzepin unternommen. Die Sialorrhoe kann durch Pirenzepin antagonisiert werden [57]. Diese Kombination kann jedoch eine Summation anticholinerger Effekte, insbesondere gastrointestinal, mit sich bringen, die bis zum paralytischen Ileus führen kann. Unter dieser Kombination wurden im Rahmen des AMSP-Projektes letale Ausgänge erfasst. Daher ist dieses Vorgehen nur bei zwingender Indikation, aktiv nachgehender Beobachtung und Untersuchung auf anticholinerge Summationseffekte vertretbar. Absetzversuche des Pirenzepins sollten wiederholt erfolgen, um eine eventuell langzeitige, nicht mehr erforderliche Kombinationstherapie zu vermeiden.

Tabakrauch und Infektsituationen können den Clozapinspiegel erheblich beeinflussen.

Beispiel für pharmakokinetische Interaktionen

Die Metabolisierung von Clozapin erfolgt in der Phase I über mehrere Isoenzyme des Cytochrom-P-450-(CYP-)Systems: Primär über CYP1A2, weitere relevante CYP-Isoenzyme sind 2D6 und 2C19. Der Metabolit Desmethylclozapin ist ebenfalls pharmakologisch wirksam. Das quantitative Verhältnis zwischen Clozapin und Desmethylclozapin kann Hinweise auf Veränderungen in der Metabolisierungssituation geben. Die geringe therapeutische Breite und das umfassende UAW-Spektrum von Clozapin können bei Induktionen der Metabolisierung zur Wirkungsabschwächung bis hin zum Wirkungsverlust und bei Inhibitionen der Metabolisierung zur Intoxikation führen.

Sowohl inflammatorische Prozesse als auch das Rauchverhalten eines Patienten können die Pharma-kokinetik eines Medikamentes wesentlich beeinflussen. Während die im Tabak enthaltenen Inhaltsstoffe, vor allem die (poly)zyklischen Kohlenwasserstoffe, nicht aber Nikotin, einen induzierenden Effekt auf CYP-Enzyme (vornehmlich auf 1A1, 1A2, CYP1B1, 2S1 und 2E1) ausüben, wurde inflammatorischen Mediatoren wie IL-1, IL-6 und TNF-α eine inhibierende Wirkung zugeschrieben [58]. Die Auswirkungen akuter und chronischer entzündlicher Erkrankungen auf die Pharmakokinetik wurden noch nicht vollumfänglich charakterisiert; eine Involvierung von CYP1A2 oder CYP2C19, das heißt der für den Metabolismus von zum Beispiel Clozapin-relevanten Isoformen, konnte aber bereits durch zahlreiche präklinische Studien belegt werden [59, 60, 61, 62, 63, 64]. Im Falle des Rauchens wird die maximale Induktion von CYP1A2 nach dem Konsum von zehn Zigaretten täglich erreicht. Eine Änderung des Konsumverhaltens von zehn auf beispielsweise 30 Zigaretten pro Tag hat deshalb keinerlei Auswirkungen auf den CYP1A2-Metabolismus - ein Anstieg von fünf auf zehn Zigaretten hingegen schon [65, 66]. Im Vergleich zu Nichtrauchern ist bei Rauchern eine Reduktion von 20-40 % des Clozapinserumspiegels zu erwarten [67]. Um Intoxikationen zu vermeiden, wird bei einer vollständigen Rauchentwöhnung empfohlen, die Clozapindosis um 30-50 % zu reduzieren [68, 69]. Die De-Induktion der entsprechenden CYP-Enzyme erfolgt mit einer Latenzzeit von circa drei bis zu sieben Tagen [70, 71]. Aufgrund der fehlenden (poly)zyklischen Kohlenwasserstoffe, welche im Tabakteer enthalten sind, ist auch bei einem Wechsel von gewöhnlichen zu elektronischen Zigaretten oder Nikotinpflastern mit einem Anstieg des Clozapinserumspiegels zu rechnen [70, 72].

Eine Halbierung der Clozapindosis ist auch während einer Infektion angeraten [73]. Studien belegen, dass bei einigen Patienten sogar eine Reduktion auf ein Drittel der ursprünglichen Dosis sinnvoll sei [74]. Um schwerwiegende UAW wie epileptische Anfälle, Delirien oder eine respiratorische Insuffizienz zu vermeiden, erfordert insbesondere der von COVID-19 verursachte "Zytokinsturm" laut einem Fallbericht eine signifikante Verringerung der Dosis oder die Unterbrechung der Einnahme [75]. Als Richtwert für die jeweilige Dosierung könnte der Serumspiegel des C-reaktiven Proteins (CRP) dienen: Laut einer Studie ist ein 100 %iger Anstieg des ursprünglichen Clozapinserumspiegels ab einem CRP-Wert von 25,5 mg/l zu erwarten [76]. Da eine Halbierung der Clozapindosis bereits zu psychischer Exazerbation führen kann [75], ist eine vorsichtige Risiko-Nutzen-Abwägung unerlässlich. Diese ist auch insbesondere deshalb erforderlich, weil nicht bei allen Patienten mit erhöhten Clozapinserumspiegeln Intoxikationserscheinungen auftreten [77, 78]. Das Fehlen von Symptomen wird auf das Protein Orosomucoid (saures Alpha1-Glykoprotein) zurückgeführt, welches während einer Inflammation im Rahmen der Akute-Phase-Reaktion ansteigt [79, 80]. Da Clozapin eine hohe Plasmaproteinbindung von circa 95 % aufweist, wird vermutet, dass der Anstieg an Orosomucoid zur Reduzierung der ungebundenen Clozapinfraktion führt und Intoxikationen trotz erhöhter Clozapinspiegel dadurch verhindert werden [77]. Neben CYP1A2-Enzymen sind auch Enzyme des Phase-II-Metabolismus von der Inhibition betroffen [61, 81, 82, 83, 84]. Da die Auswirkungen inflammatorischer Prozesse auf die Pharmakokinetik von Clozapin noch nicht gänzlich geklärt sind, ist bei einer Infektion (und bei Änderungen im Rauchverhalten des Patienten, d. h. vor allem während und nach einer stationären Aufnahme [67, 85]) die Messung beziehungsweise der Vergleich intraindividueller Clozapinserumspiegel zu empfehlen. Da Clozapinwirkspiegel ohnehin einer starken interindividuellen Variabilität unterliegen (bedingt durch z. B. Pharmakogenetik, Geschlecht und Herkunft) und die von der Arbeitsgruppe "Therapeutisches Drug-Monitoring" der Arbeitsgemeinschaft für Neuropsychopharmakologie und Pharmakopsychiatrie e. V. (AGNP) empfohlenen therapeutischen Referenzbereiche (Clozapin: 350-600 ng/ml) und Warnwerte (> 1.000 ng/ml) nicht auf alle Patienten zutreffen, wird eine Messung der individuellen Clozapinspiegel (Therapeutisches Drug-Monitoring, TDM) sowohl vor, während und nach einer entzündlichen Erkrankung als auch bei Veränderungen des Zigarettenkonsums dringend angeraten [86, 87].

Viele unerwünschte Wirkungen von Clozapin sind dosisabhängig, treten also bei hohen Plasmaspiegeln auf. Die höchste Plasmakonzentration nach der oralen Einnahme ist nach zwei bis vier Stunden erreicht. Unerwünschte Effekte, die zeitlich dazu passend auftreten, können mittels einer Pharmakoenhancerstrategie, also der gezielten Kombination mit einer den Clozapinabbau hemmenden Komedikation vermindert werden. Diese sollte jedoch nur stationär mit der Möglichkeit engmaschiger Überwachung und Spiegelkontrollen nach genauer Abwägung der Risiken durch einen erfahrenen Facharzt bei sehr adhärenten Patienten erfolgen, da der Clozapinspiegel erheblich (bis zum Zehnfachen) erhöht werden kann und zudem pharmakodynamische Summationseffekte auftreten können. Die gleichzeitige Gabe von Clozapin und Fluvoxamin [88] kann durch die Fluvoxamin-vermittelte Inhibition der für die Metabolisierung von Clozapin in der Phase I relevanten CYP-450-Isoenzyme durch niedrigere Clozapindosierungen und damit geringerer Cmax zu gleichen Serumspiegeln führen. Der Anteil des unmetabolisierten Clozapins wird damit im Vergleich zu seinem Metaboliten Norclozapin erhöht. Damit können Gewichtszunahme und metabolische Veränderungen ohne antipsychotischen Wirkungsverlust vermindert werden [89, 90]. Das Agranulozytoserisiko bleibt unverändert [91].

Fazit für die Praxis

Clozapin stellt mit seinen antipsychotischen Wirkungen ein unverzichtbares Mittel zur Behandlung therapieresistenter Schizophrenie dar, mit dem oft bei schwierigen Patienten gute Effekte erreicht werden können. Aufgrund des relevanten Risikos erheblicher UAW sind jedoch regelmäßige Kontrolluntersuchungen, Wachsamkeit sowie Kenntnis der möglichen unerwünschten Wirkungen unerlässlich.

Literatur als Zusatzmaterial unter www.springermedizin.de/info-np