Fragestellung: Wie soll die Schlaganfallprävention bei Patienten mit Vorhofflimmern nach transitorischer ischämischer Attacke (TIA), ischämischem Insult oder intrazerebraler Blutung erfolgen? Wie werden Blutungskomplikationen unter einer Antikoagulation bei Patienten mit Vorhofflimmern behandelt?

Hintergrund: Bei Vorhofflimmern muss zur Schlaganfallprävention eine orale Antikoagulation erfolgen. Die europäische Gesellschaft für Kardiologie hat im vergangenen Jahr evidenzbasierte Leitlinien zum Management von Patienten mit Vorhofflimmern publiziert [1]. Die European Heart Rhythm Association (EHRA) ergänzt diese Leitlinien durch Praxisempfehlungen (Practical Guide), die auch medizinische Probleme abdecken, die in kontrollierten Studien nicht untersucht wurden und bei denen es nicht notwendigerweise eine wissenschaftliche Evidenz gibt.

Patienten und Methodik: Es handelt sich um Therapieempfehlungen, die von 14 Kardiologen und einem Neurologen verfasst wurden.

Ergebnisse: Für die Frage einer Initiierung einer oralen Antikoagulation bei Patienten mit Vorhofflimmern, die eine TIA oder einen ischämischen Insult erlitten haben, entscheidet sich der Zeitpunkt der erneuten Antikoagulation nach der Durchführung einer Computertomografie mit der Frage, ob eine hämorrhagische Transformation stattgefunden hat. Nach einer TIA kann die orale Antikoagulation sofort erfolgen. Bei einem leichten neurologischen Defizit sollte die Antikoagulation nach drei Tagen, bei einem mittelschweren neurologischen Defizit nach sechs bis acht Tagen und bei einem ausgeprägten neurologischen Defizit nach zwölf bis 14 Tagen erfolgen. Das Bridging erfolgt mit Acetylsalicylsäure. Bei Nachweis einer hämorrhagischen Transformation kann die Antikoagulation erst dann begonnen werden, wenn das Blut resorbiert ist. Eine erneute orale Antikoagulation wird nicht empfohlen bei einer hohen Zahl von Mikroblutungen, unkontrollierter arterieller Hypertonie, chronischem Alkoholmissbrauch und der Notwendigkeit einer dualen Plättchenhemmung aus kardiologischer Indikation.

Für die Schlaganfallprophylaxe bei Patienten mit Vorhofflimmern werden nicht Vitamin-K-abhängige orale Antikoagulanzien (NOAK) empfohlen, da sie im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten (VKA) ein deutlich geringeres Risiko für intrakranielle Blutungen haben. Kommt es unter einer oralen Antikoagulation zu einer intrakraniellen Blutung, müssen der Zeitpunkt der letzten NOAK-Einnahme und die eingenommene Dosis erfasst werden. Für weitere Therapieentscheidungen muss die Nierenfunktion bekannt sein und ob gleichzeitig Thrombozytenfunktionshemmer eingenommen wurden. Wenn keine Angaben zur Anamnese möglich sind, muss bei Dabigatran die Thrombinzeit und bei Einnahme von Faktor-Xa-Antagonisten die Anti-Xa-Aktivität bestimmt werden. Kommt es unter Dabigatran zu einer intrakraniellen Blutung, wird als Antidot Idarucizumab eingesetzt. Bei Patienten die Apixaban, Edoxaban oder Rivaroxaban einnehmen, wird Andexanet Alfa empfohlen. Prothrombinkomplex ist bei Patienten, die unter Einnahme eines NOAK eine intrakranielle Blutung erleiden, nur wenig wirksam. Wenn eine erneute Antikoagulation nach einer intrakraniellen Blutung erwogen wird, kann diese nach vier bis acht Wochen initiiert werden. Bei Patienten, bei denen eine langfristige Kontraindikation für eine orale Antikoagulation besteht, sollte der interventionelle Verschluss des linken Vorhofohres erwogen werden. Bei Patienten, die eine subdurale Blutung erlitten haben, kann die orale Antikoagulation erneut in einem Zeitraum von vier bis acht Wochen nach dem operativen Eingriff initiiert werden.

Schlussfolgerung: Die EHRA unterbreitet Empfehlungen zur Initiierung oder Wiederaufnahme einer oralen Antikoagulation nach TIA, ischämischem Schlaganfall oder intrakranieller Blutung.

Steffel J, Collins R, Antz M et al. 2021 European heart rhythm association practical guide on the use of non-vitamin K antagonist oral anticoagulants in patients with atrial fibrillation. Europace 2021;23:1612-76