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Vor dem Hintergrund der anhaltenden COVID-19(Corona-Virus-Disease-19)-Pandemie besteht weiterhin eine Unsicherheit aufseiten von Patienten und Behandlern im Umgang mit Immuntherapien zur Behandlung der Multiplen Sklerose (MS). Dieser Artikel soll die aktuellen Zusammenhänge zwischen der MS-Erkrankung und dem Risiko einer COVID-19-Erkrankung beleuchten sowie praktische Handlungsempfehlungen im Umgang mit Immuntherapien liefern.
Insbesondere zu Beginn der Pandemie bestand die große Sorge, dass MS-Patienten aufgrund der oft bereits bestehenden neurologischen Beeinträchtigung ein höheres Infektionsrisiko haben, welches durch den Einsatz der notwendigen verlaufsmodifizierenden, immunkomprimierenden Therapien noch erhöht wird. Letztlich führte dies auch zu probatorischen Therapieunterbrechungen oder Verzögerungen, vor allem Patienten unter Pulstherapien (Cladribin, Alemtuzumab, Ocrelizumab) waren hiervon betroffen [1, 2]. Im Laufe der vergangenen Monate wurden erste Daten von internationalen MS-Zentren veröffentlicht, die für die meisten Immuntherapien Entwarnung geben konnten [3, 4, 5, 6]. Unter Berücksichtigung der nun anlaufenden flächendeckenden Impfungen stellt sich jedoch die Frage, inwieweit bei Patienten unter der jeweiligen Immuntherapie eine adäquate Impfantwort zu erwarten ist und welcher Impfzeitpunkt gewählt werden sollte.
Multiple Sklerose und COVID-19
Die initiale Sorge vor hohen Infektionszahlen und schweren COVID-19-Krankheitsverläufen bei MS-Patienten hat sich erfreulicherweise nicht bestätigt. Nach aktuellem Kenntnisstand besteht kein MS-bedingtes erhöhtes Infektionsrisiko. So ergaben bereits die ersten Berichte aus MS-Zentren in China, Italien und Chile eine nur geringe Anzahl an COVID-19-Erkrankungen [3, 4, 5]. Schwere Krankheitsverläufe scheinen dabei weniger mit der zugrunde liegenden Immuntherapie assoziiert zu sein, sondern eher mit dem Grad der Behinderung oder mit der Multimorbidität der Patienten [6]. So geht man insbesondere bei älteren, adipösen Patienten von einem entsprechend erhöhten Risiko für schwere Verläufe aus, so wie sich dies auch in der Allgemeinbevölkerung zeigt [6]. Hinsichtlich der MS lag bei schweren Krankheitsverläufen meist ein höherer Punktwert auf der Expanded Disability Status Scale (EDSS) vor. Insbesondere rollstuhlpflichtige oder bettlägerige Patienten scheinen aufgrund der damit meist einhergehenden eingeschränkten Atemfunktion besonders gefährdet zu sein [7]. Wie jede Infektion kann auch die Infektion mit dem Coronavirus-2 (SARS-CoV-2) zu einer infektassoziierten Verschlechterung bestehender Symptome führen, wobei dies bisher nur selten berichtet worden ist. Ein Absetzen der Immuntherapie über mehrere Wochen im Falle einer COVID-19 könnte jedoch zu einem Aufflammen der MS-Erkrankung führen, weshalb der Umgang mit der Vielzahl an verschiedenen Immuntherapien eine große Herausforderung im klinischen Alltag darstellt.
Immuntherapien und COVID-19
Wie erwähnt, scheint für die meisten Immuntherapien zur Behandlung der MS nur ein gering erhöhtes Risiko für eine Infektion oder einen schweren Krankheitsverlauf zu bestehen [7]. Einige Substanzen könnten aufgrund ihres Wirkmechanismus auch protektive Eigenschaften besitzen, wobei es hierfür keine überzeugenden Daten aus der klinischen Praxis gibt [8]. Dennoch wird ein Fortsetzen der Therapie auch im Krankheitsfall für viele der Substanzen empfohlen.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Vielzahl an Präparaten zur Behandlung des schubförmig remittierendes Verlaufs der MS (RRMS) unterteilt man sie in Substanzen für den milden/moderaten Krankheitsverlauf (Interferon beta, Dimethylfumarat, Glatirameracetat und Teriflunomid) sowie in Therapeutika für die (hoch)-aktive RRMS (Cladribin, Fingolimod, Ozanimod, Alemtuzumab, Ocrelizumab, Natalizumab und Mitoxantron).
Für die primär (PPMS) und sekundär chronisch progredienten (SPMS) Verläufe der MS stehen mit Ocrelizumab (PPMS) und Siponimod (SPMS) neue Substanzen zur Verfügung, sodass nun insbesondere auch ältere MS-Patienten immuntherapeutisch behandelt werden [9]. Da die chronisch progredienten Verläufe zusätzlich auch durch einen meist höheren Behinderungsgrad gekennzeichnet sind, besteht hier bezüglich einer COVID-19 ein höheres Risikoprofil, welches sich auch in den bisher publizierten Fallserien widerspiegelt [3, 6]. Entsprechend sollte in diesem Fall die Indikation für den Beginn beziehungsweise die Fortführung der Therapie kritisch gestellt werden.
Aus Übersichtgründen wird im Folgenden die Einteilung der Substanzen nach den Wirkmechanismen gewählt.
Die initiale Sorge vor hohen Infektionszahlen und schweren COVID-19-Krankheitsverläufen bei MS-Patienten hat sich erfreulicherweise nicht bestätigt. Nach aktuellem Kenntnisstand besteht kein MS-bedingtes erhöhtes Infektionsrisiko.
Interferon beta
Interferon beta einschließlich PEG-Interferon wird zur Behandlung der RRMS sowie SPMS eingesetzt [10]. Hierunter ist nur von einem geringen Infektionsrisiko für SARS-CoV-2 auszugehen [11]. Auch das Fortsetzen der Therapie im Falle einer Infektion erscheint vor dem Hintergrund der antiviralen Potenz der Substanz sinnvoll [8, 12], zumindestens ist ein Absetzen nicht notwendig.
Dimethylfumarat
Dimethylfumarat kann zu einer teils ausgeprägten Lymphopenie führen, die mehrere Monate anhält und insbesondere Patienten im Alter über 55 Jahren betrifft [13, 14]. Neben dem Risiko für opportunistische Infektionen könnte diese Konstellation auch zu einem schweren COVID-19-Verlauf führen, wobei die bisherige Datenlage dazu keine eindeutigen Rückschlüsse erlaubt [3, 15]. Bisher sind fast ausschließlich mild verlaufende COVID-19-Fälle unter Dimethylfumarat beschrieben worden, wobei eine schwere Lymphopenie nicht bestand [15]. Entsprechend sollte nur im Falle einer COVID-19 bei gleichzeitig schwerer Lymphopenie die Therapie pausiert werden.
Für die meisten Immuntherapien zur Behandlung der MS scheint nur ein gering erhöhtes Risiko für eine Infektion oder einen schweren Krankheitsverlauf zu bestehen.
Glatirameracetat
Für Glatirameracetat zeigen bisherige Studien, dass von keinem erhöhten Infektionsrisiko auszugehen ist [11]. Insbesondere sind hierunter keine schweren Verläufe zu erwarten, entsprechend sollte die Therapie fortgesetzt werden.
Teriflunomid
Teriflunomid kann zu einer Lymphopenie führen, wobei ein erhöhtes Infektionsrisiko nur selten beobachtet wird. Bisher sind fast ausschließlich milde COVID-19-Verläufe unter der Therapie beschrieben worden [11, 16]. Die antiviralen Eigenschaften der Substanz könnten den Verlauf möglicherweise positiv beeinflussen [8], eine Therapieunterbrechung erscheint zumindest nicht indiziert.
Cladribin
Die bisherigen Daten legen kein erhöhtes SARS-CoV-2-Infektionsrisiko nahe, auch schwere Krankheitsverläufe scheinen nicht gehäuft aufzutreten [17]. Da jedoch Cladribin bis zu vier Monate nach der Einnahme zu einer ausgeprägten Lymphopenie führen kann, besteht hier ein erhöhtes Risiko für Virusinfektionen [18, 19]. Inwieweit dies auch für SARS-CoV-2 gilt, muss weiter untersucht werden. Aufgrund der immunsuppressiven Pulstherapie besteht andererseits außerhalb dieses Zeitraumes ein krankheitsmodifizierender Effekt ohne erhöhtes Infektionsrisiko.
Fingolimod/Siponimod/Ozanimod/Ponesimod
Fingolimod und seit wenigen Monaten auch Ozanimod werden zur Behandlung der RRMS angewendet, während Siponimod für die SPMS zugelassen wurde. Mit Ponesimod wird aller Voraussicht nach eine weiteren Substanz für die RRMS zugelassen. Alle vier Substanzen können aufgrund des Wirkmechanismus zu einer Lymphozytenreduktion führen [20]. Dementsprechend besteht auch ein erhöhtes Infektionsrisiko, insbesondere für Viruserkrankungen [20]. Vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie besteht aktuell kein Anlass zur Sorge vor einem erhöhten Infektions- oder Mortalitätsrisiko [11]. Teils werden protektive Effekte unter diesen Therapien im Falle einer COVID-19 angenommen [8, 21]. Da vor allem ein Absetzen der Therapie zu einer Krankheitsaktivierung beim schubförmigen Verlauf führen kann [22], ist ein Fortsetzen der Therapie zu empfehlen. Falls eine Neueinstellung indiziert ist, so sollte diese auch umgesetzt werden, wobei bei SPMS-Patienten mit entsprechenden Risikofaktoren (hohes Alter, Adipositas, Multimorbidität) die Indikation kritisch gestellt werden sollte.
Eine Hochdosis-Kortisonpulstherapie erhöht im Allgemeinen das Infektionsrisiko. Wenige Wochen nach der Gabe scheint dahingehend auch das Mortalitätsrisiko für COVID-19 erhöht zu sein. Die Indikation zur Schubtherapie sollte nur bei eindeutig manifesten neuen neurologischen Defiziten gestellt werden.
Alemtuzumab
Alemtuzumab führt zu einer raschen und ausgeprägten Lymphopenie in den ersten Monaten nach der Gabe, sodass ein passager erhöhtes Infektionsrisiko vorliegt [18, 23]. Die Repopulationsdynamik der initial depletierten Immunzellen ist dabei unterschiedlich ausgeprägt. Vor allem die Erholung des T-Zellkompartiments ist langsamer als die Repopulation von B-Zellen, was das Auftreten von opportunistischen Infektionen am ehesten erklärt [7, 24]. Auch Infektionen der oberen und unteren Atemwege können auftreten, wobei hier eine ttherapiebedingte Hypogammaglobulinämie als Ursache in Frage kommt [25]. Ähnlich wie unter Cladribin scheint nach der kritischen Phase der therapieinduzierten Lymphopenie sowohl eine ausreichende Immunkompetenz als auch eine entsprechende Krankheitsstabilisierung vorzuliegen [26]. Dahingehend bieten die Pulstherapien unter Umständen die Möglichkeit, weitere Therapiezyklen ohne erkennbare Auswirkungen auf die Wirksamkeit zu verzögern. Eine Neueinstellung sollte wie bei Cladribin kritisch überprüft werden und es sollte gegebenenfalls auf andere Substanzen der Wirksamkeitskategorie zurückgegriffen werden.
Rituximab/Ocrelizumab/Ofatumumab
Die B-Zell-depletierenden Therapien nehmen für die MS-Behandlung eine immer größere Rolle ein. Durch die Zulassung des humanisierten anti-CD20-Antikörpers Ocrelizumab, sowohl für die Behandlung der RRMS als auch der PPMS, eröffnete sich erstmals eine On-label-Therapieoption für letztere Verlaufsform. Da PPMS-Patienten meist in einem höheren Alter als RRMS-Patienten erkranken und darüber hinaus die motorischen Defizite überwiegen, liegt hier eine bedeutende Risikokonstellation vor. Dies zeigt sich auch in den bisherigen Berichten, die nahelegen, dass ein erhöhtes Infektions- und Mortalitätsrisiko unter anti-CD20-Antikörpern vorzuliegen scheint, wobei der Krankheitsverlauf auch mild bis asymptomatisch sein kann [3, 7]. Dennoch sollte bei den genannten Risikofaktoren und speziell bei PPMS-Patienten die Therapieindikation sehr streng gestellt beziehungsweise eine Zyklusgabe verzögert werden. Für Letzteres zeigen retrospektive Daten sogar bei RRMS-Patienten, dass dies nicht zwangsläufig mit einer wieder auftretenden Krankheitsaktivität einhergeht, sodass gegebenenfalls auch hier eine Verzögerung um wenige Wochen im individuellen Fall vertretbar erscheint [Rolfes and Pawlitzki et al. in press]. Das Monitoring der CD19-B-Zellen im Blut könnte hier eine zusätzliche Sicherheit im Falle einer persistierenden Depletion bieten [27].
Natalizumab
Natalizumab ist für die Behandlung der RRMS zugelassen und kann seit wenigen Monaten auch subkutan verabreicht werden [28]. Ein erhöhtes Risiko für Atemwegsinfekte besteht im Allgemeinen nicht. Aufgrund des Wirkmechanismus ist auch nicht von einem erhöhten Infektions- oder Mortalititätsrisiko auszugehen [11]. Hinweise für ein erhöhtes Risiko für eine neurologische Manifestation der COVID-19 in Anlehnung zum Risiko einer JC-Virus-Erkrankung unter Natalizumab-Therapie liegen bis dato nicht vor.
Mitoxantron
Mit Mitoxantron steht ein klassisches Immunsuppressivum zur Behandlung der SPMS und in seltenen Fällen auch der therapierefraktären RRMS zur Verfügung [29]. Aufgrund der Wirkungsweise ist mit einer anhaltenden Lymphopenie unter dieser Therapie zu rechnen, welches mit einem allgemein erhöhten Infektionsrisiko verbunden ist. Entsprechend sollte die Therapie gegebenenfalls pausiert oder gar beendet und eine Neueinstellung bei SPMS-Patienten mit entsprechenden Risikofaktoren verzögert werden.
Schubtherapie
Eine Hochdosis-Kortisonpulstherapie erhöht im Allgemeinen das Infektionsrisiko. Wenige Wochen nach der Gabe scheint dahingehend auch das Mortalitätsrisiko für COVID-19 erhöht zu sein [3]. Die Indikation zur Schubtherapie sollte dahingehend nur bei eindeutig manifesten neuen neurologischen Defiziten erfolgen. Rekurrente Pulstherapien im Rahmen eines individuellen Behandlungsversuchs bei chronisch progredienten Verläufen sollten vermieden werden.
Apharesebehandlungen (Plasmapherese oder Immunadsorption) werden als Eskalationstherapie nach einer auf Hochdosis-Kortisonpulstherapie nicht ausreichend ansprechenden Schubsymptomatik angewandt. Höhere Infektionsraten werden zwar während und nach den Behandlungszyklen beobachtet, umfassen dabei aber meist Katheter-assoziierte Infektionen. Daher ist bei schwerem therapierefraktärem Schub die entsprechende Therapieeskalation weiterhin indiziert.
Tab. 1 fasst Therapiestrategien in Zeiten von COVID-19 und im Falle einer SARS-CoV-2-Infektion zusammen.
SARS-CoV-2-Impfung und Immuntherapien
Seit Ende letzten beziehungsweise Anfang dieses Jahres stehen in Deutschland verschiedene vektorbasierte und mRNA-Impfstoffe, also keine Lebendimpfstoffe, zur Verfügung, die vordergründig ältere Menschen und chronisch Erkrankte vor der schweren Virusinfektion mit SARS-CoV-2 schützen sollen. Hierzu zählen auch MS-Patienten, speziell Patienten mit entsprechender Risikokonstellation. Die MS-Erkrankung stellt dabei keine Kontraindikation für eine Impfung mit den bisher in Deutschland zugelassenen SARS-CoV-2-Impfstoffen dar. Aufgrund der Erfahrungen mit früheren Impfstoffen wie der Grippeschutzimpfung ist nicht zu erwarten, dass die Impfung zu einer Zunahme der Krankheitsaktivität führt [30, 31]. Hierfür sprechen auch erste Daten aus Israel, die bei über 400 SARS-CoV-2 geimpften MS-Patienten kein erhöhtes Schubrisiko detektieren konnten [32]. Im Gegenteil: Infektionen können Krankheitssymptome verschlechtern, sodass das Risiko einer Infektion höher einzuschätzen ist als potenzielle Risiken durch Impfungen. Aufgrund der meist bereits bestehenden Immuntherapie gibt es jedoch einige offene Fragen im Hinblick auf die eingeschränkte Immunkompetenz der Patienten und das damit auch möglicherweise reduzierte Impfansprechen. Während eine ausreichende Impfantwort bei immunmodulatorischen und selektiven Behandlungsstrategien zu erwarten ist, scheinen klassische Immunsuppressiva wie Mitoxantron und insbesondere B-Zell-depletierende Therapien in einer solchen Situation ungünstig zu sein [33]. Hier bedarf es im besten Falle einer strategischen Planung des optimalen Impfzeitraums. Grundsätzlich sollte eine Immuntherapie nicht für eine Impfung unterbrochen werden. Bei chronisch progredienten Verläufen kann jedoch eine Therapiepause oder Verlängerung des Zyklusintervalls mit dem Ziel eines besseren Impfansprechens erwogen werden.
Während eine ausreichende Impfantwort bei immunmodulatorischen und selektiven Behandlungsstrategien zu erwarten ist, scheinen klassische Immunsuppressiva wie Mitoxantron und insbesondere B-Zell-depletierende Therapien in einer solchen Situation ungünstig zu sein.
Interferon beta und Glatirameracetat
Das Impfansprechen scheint laut bisherigen Arbeiten nicht wesentlich eingeschränkt zu sein [34]. Sofern vertretbar, sollten zwischen Impfung und Therapiestart mindestens zwei Wochen liegen. Unter der Therapie ist eine Impfung am Tag zu planen, an denen keine Interferon-beta-Applikation erfolgt, vor allem, um eine Akkumulation von Nebenwirkungen zu vermeiden.
Dimethylfumarat
Unter der Therapie ist mit keiner verminderten Impfantwort zu rechnen [35]. Die Therapie sollte dahingehend nicht unterbrochen werden.
Unter B-Zell-depletierenderen Therapien zeigte sich für die SARS-CoV-2-Schutzimpfung trotz mehrmonatigem Abstand zwischen letzter Gabe und Impfung eine unzureichende Immunantwort. Eine Antikörperbestimmung im Verlauf erscheint vor erneuter Infusionsgabe sinnvoll.
Teriflunomid
Der Impferfolg kann unter Teriflunomid leicht reduziert sein, weshalb eine Antikörperbestimmung im Verlauf zu erwägen ist [36]. Insbesondere, da auch nach Absetzen der Therapie ein über mehrere Monate anhaltender immunsupprimierender Effekt vorliegen kann.
Fingolimod/Siponimod/Ozanimod/Ponesimod
Für Fingolimod liegen Berichte über eine reduzierte Impfantwort nach der Grippeschutzimpfung vor [37, 38, 39]. Für die Impfung gegen SARS-CoV-2 zeigte sich in kleinen Fallserien ein ungenügendes Impfansprechen [40]. Daher kann nach Impfung ein Impfansprechen im Verlauf serologisch kontrolliert werden.
Alemtuzumab/Cladribin
In den ersten sechs Monaten nach einem Therapiezyklus ist von einer abgeschwächten Immunantwort auszugehen, weshalb erst im Anschluss von einem Impfansprechen ausgegangen werden kann. Für Cladribin zeigen jedoch neueste Daten, dass bereits nach 4,5 Monaten eine ausreichende Impfantwort erzielt werden kann [40]. Mindestens vier Wochen vor erneuter Zyklusgabe sollte der Impfzyklus jedoch abgeschlossen sein [41].
Rituximab/Ocrelizumab/Ofatumumab
Die wiederholte Anwendung B-Zell-depletierender Therapien sorgt für eine Veränderung des B-Zellkompartiments, unter anderem mit einer Reduktion von B-Gedächtniszellen im peripheren Blut, weshalb eine Impfantwort reduziert ist [8, 30, 33, 42, 43, 44]. Dennoch konnte in einer aktuellen Studie für Ocrelizumab bei einem Impfabstand von vier Monaten eine ausreichende Impfantwort für Influenza nachgewiesen werden [45]. Für die SARS-CoV-2-Schutzimpfung zeigt sich trotz mehrmonatigem Abstand zwischen letzter Gabe und Impfung eine unzureichende Immunantwort [40]. Eine Antikörperbestimmung im Verlauf erscheint vor erneuter Infusionsgabe sinnvoll. Auch hier sollte mindestens vier Wochen vor erneuter Gabe der Impfzyklus abgeschlossen werden. Da eine Verzögerung des erneuten Zyklus um wenige Wochen in vielen Fällen vertretbar scheint, sollte deshalb nicht zugunsten der strengen Intervallgrenzen auf eine Impfung verzichtet werden.
Natalizumab
Eine reduzierte, aber ausreichende Impfantwort ist unter Natalizumabtherapie zu erwarten, weshalb die Therapie nicht pausiert werden muss [46, 47].
Mitoxantron
Aufgrund der langanhaltenden Lymphopenie, auch nach Beendigung der Therapie, ist eine reduzierte Impfantwort wahrscheinlich [48]. Daher sollte insbesondere vor geplanter Therapie der Impfstatus einschließlich SARS-CoV-2-Impfung aktualisiert werden.
Schubtherapie
Impfungen sollten am ehesten im Abstand von vier Wochen nach der letzten Kortisongabe beziehungsweise Apharesebehandlung erfolgen.
Tab. 1 fasst Strategien hinsichtlich einer SARS-CoV-2-Impfung bei MS-Patienten zusammen.
Fazit für die Praxis
Die Erfahrungen der COVID-19-Pandemie zeigen, welche Unsicherheiten bei der Behandlung mit Immuntherapeutika bestehen. So kam es insbesondere am Anfang der Pandemie zu teils deutlichen Therapieverzögerungen, die in Einzelfällen auch zu einem erneuten Aufflammen der Krankheitsaktivität führten (Kasuistik). Die rückblickende Sammlung der Erfahrungen im klinischen Alltag während der Pandemie könnten jedoch dabei helfen, für zukünftige Infektionswellen gewappnet zu sein.
Nach den bisherigen Erfahrungen kann zusammenfassend festgehalten werden, dass das Risiko eines Behandlungsabbruchs vor allem bei schubförmigem Krankheitsverlauf höher zu bewerten ist als das Risiko eines schweren COVID-19-Krankheitsverlaufs unter einer laufenden Immuntherapie.
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Pawlitzki, M., Meuth, S. Immunmodulatorische Therapien bei Multipler Sklerose in der Pandemie. InFo Neurologie 23, 38–47 (2021). https://doi.org/10.1007/s15005-021-2009-2
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