Fragestellung: Wie gut wirkt die Gleichstromstimulation (tDCS) beim Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS)?

Hintergrund: Die tDCS stellt eine nicht invasive und kostengünstige Möglichkeit zur Hirnstimulation dar. Ihr therapeutisches Potenzial in der Psychiatrie wird vor allem bei Depression, aber auch bei Zwang, Sucht und anderen Störungsbildern untersucht. Zum ADHS gibt es viele funktionelle Befunde, die auf eine Fehlfunktion im Bereich des präfrontalen Kortex hinweisen, eine Region, die gut durch tDCS stimuliert werden kann.

Patienten und Methodik: Die Autoren identifizierten Studien zum therapeutischen Effekt von tDCS bei ADHS gemäß der PRISMA-Richtlinien. In der vorliegenden Arbeit berichten sie über die Ergebnisse von zehn klinischen monozentrischen Studien in elf Artikeln.

Ergebnisse: Die identifizierten Studien waren sehr heterogen, sowohl hinsichtlich des Designs als auch der Zielgrößen. Es wurden die folgenden kognitiven Aufgaben untersucht: Modulation von Aufmerksamkeit (fünf Studien), Arbeitsgedächtnis (vier Studien), Impulsivität und Inhibitionskontrolle (acht Studien) sowie neurophysiologische Parameter (zwei Studien). Die Untersuchung der Zielgrößen während der Stimulation (online) erfolgte in sechs Studien, nach der Stimulation (offline) in vier Studien. Studienteilnehmer waren Erwachsene (fünf Studien), Heranwachsende (vier Studien, plus eine zusammen mit Erwachsenen) und Kinder (eine Studie). In sechs Studien wurde nur einmalig stimuliert, in vier Studien mehrfach mit bis zu fünf Sitzungen an aufeinanderfolgenden Tagen. Die Dauer der Stimulationen variierte zwischen 15 und 30 Minuten. In neun Studien befand sich mindestens eine Elektrode über dem dorsolateralen präfrontalen Kortex, in einer Studie über dem inferioren frontalen Gyrus. Drei Studien konnten keinen Effekt der Stimulation nachweisen, in den sieben weiteren Studien wurden Verbesserungen bei einigen der jeweils untersuchten kognitiven Aufgaben beschrieben.

Schlussfolgerungen: Die Autoren räumen ein, ursprünglich eine Metaanalyse geplant zu haben, die bei der vorhandenen Datenlage aber nicht möglich gewesen sei. Sie klassifizieren die "vielversprechenden" Befunde als vorläufig und fordern weitere klinische Studien.

Cosmo C, DiBiasi M, Lima V et al. A systematic review of transcranial direct current stimulation effects in attention-deficit/hyperactivity disorder. J Affect Disord 2020; 276: 1-13