Kommen Thrombolyse und Thrombektomie als rekanalisierende Schlaganfallbehandlungsverfahren auch bei Menschen mit demenziellen Erkrankungen infrage? Grundsätzlich ja, denn die Demenz allein sagt nichts über den zu erhoffenden Nutzen der Behandlung aus.

"Das Alter ist ein Prädiktor für ein schlechteres Behandlungsergebnis", erklärte Prof. Dr. Joachim Röther, Neurologie, Asklepios Klinik Altona, Hamburg. Eine gepoolte Analyse individueller fallbezogener Daten aus sieben randomisiert kontrollierten Studien zur intravenösen Thrombolyse zeigte in der Gruppe der über 80-Jährigen eine höhere 90-Tage-Mortalität als bei Jüngeren. Die Chancen auf einen positiven Einfluss der rekanalisierenden Behandlung auf den Krankheitsverlauf erwiesen sich jedoch in der Gesamtpopulation dieser Studie als altersunabhängig. Bei den über 80-Jährigen hatte die Thrombolysebehandlung im Vergleich zu Placebo einen signifikanten positiven Einfluss auf das funktionelle Ergebnis, nicht aber auf die Mortalität [1].

Demenz sollte nicht über die Therapie entscheiden

Eine Demenz habe sich, so Röther, nicht als unabhängiger Prädiktor für ein ungünstiges Behandlungsergebnis erwiesen. In den entsprechenden Studien sei immer die Komorbidität der Treiber für Mortalität und schlechtes funktionelles Outcome gewesen. Demenzbetroffen waren dabei häufig ältere Frauen mit ausgeprägter Komorbidität. "Das Vorliegen einer Demenz alleine sollte nicht über die Therapie entscheiden", betont Röther.

In einer australischen Studie wurden die Krankheitsverläufe von 7.000 Schlaganfallbetroffenen analysiert, davon hatten etwa 10 % eine Demenz. Die Demenzkranken wurden seltener auf Stroke Units behandelt, erhielten seltener intravenösen Thrombolyse, Physio- oder Ergotherapie und eine Rehabilitationsbehandlung. Demenzkranke mit Schlaganfall wurden nicht nur schlechter versorgt als nicht von Demenz Betroffene, sondern zeigten auch ungünstigere Krankheitsverläufe [2].

Prämorbide funktionelle Beeinträchtigung ist stark prädiktiv

Eine Studie auf Basis des Baden-Württembergischen Schlaganfallregisters zeigte, dass die Mortalität nach Thrombolyse erheblich vom prämorbiden Funktionsstatus abhängt [3]. Eine italienische Studie schloss 35 thrombolysebehandelte Schlaganfallbetroffene mit einem prämorbiden Modified Rankin Scale(mRS)-Wert von mindestens 2 ein, das heißt mit mindestens leichten funktionellen Beeinträchtigungen vor dem Schlaganfallereignis. Die Mortalität lag in der Gruppe mit prämorbiden mRS-Wert von 4-5 bei 44 % und damit deutlich höher als bei prämorbidem mRS von 3 (21 %) und 2 (17 %). Auch die NIHSS-Skala zeigte bei einem prämorbiden mRS-Wert von 4-5 nur sehr geringe Verbesserungen gegenüber dem Ausgangswert vor rekanalisierender Behandlung an. Die Differenz betrug in dieser Gruppe nur 9 %, bei mRS 3 92 % und bei mRS 2 63 % [4].

Berücksichtigt man die verfügbaren Daten, dann ist, so Röther, eine Behandlung mit Thrombolyse oder Thrombektomie bei einem prämorbiden mRS ≤ 3 in aller Regel angezeigt. Ein prämorbider mRS von 4 erfordere eine sorgfältige individuelle Abwägung, in der Regel sei aber dann eine Behandlung nicht erfolgversprechend. Bei einem mRS von 5 solle keine rekanalisierende Behandlung erfolgen.

Arbeitstagung Neurointensivmedizin (ANIM) digital, 38. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurointensiv- und Notfallmedizin (DGNI) und der Deutschen Schlaganfallgesellschaft (DSG), Symposium WS 8 "Grenzindikationen der Schlaganfallmedizin", 21.1.2021