Migräne häufigste neurologische Erkrankung

Fragestellung: Wie häufig sind Spannungskopfschmerzen und Migräne in Deutschland und wie werden sie behandelt?

Hintergrund: Kopfschmerzen sind die häufigsten neurologischen Erkrankungen. Die letzten größeren epidemiologischen Untersuchungen zur Häufigkeit von Spannungskopfschmerzen und Migräne in Deutschland liegen mehr als zehn Jahre zurück.

Patienten und Methodik: Zwischen Oktober 2019 und März 2020 wurden 5.009 Erwachsene in Deutschland am Telefon zu Kopfschmerzen befragt. Die Verteilung der Stichprobe nach Alter, Geschlecht und Bildung war nach Abgleich mit den Daten des statistischen Bundesamtes repräsentativ.

Ergebnisse: Insgesamt berichteten 57,5 % der Frauen und 40,4 % der Männer über Kopfschmerzen in den vergangenen zwölf Monaten. 14,8 % der Frauen und 6,0% der Männer litten unter einer Migräne, 1,2 % hatten eine chronische Migräne. Wurden Migräne und mögliche Migräne kombiniert, betrug die 1-Jahres-Prävalenz 28,4 % für Frauen und 18 % für Männer. 32 % der Frauen und und 43 % der Männer litten unter einer Migräne mit Aura. Die Prävalenz war bei Frauen zwischen 18 und 29 Jahren am höchsten, bei den Männern zwischen 30 und 39 Jahren. Spannungskopfschmerzen berichteten 10,3 % der Frauen und 6,5 % der Männer. Ein chronischer Spannungskopfschmerz lag bei 3,4 % vor. Im Mittel litten die Betroffenen unter vier Kopfschmerztagen im Monat (Median 1,5 Tage). Die häufigsten Begleiterkrankungen der Migräne waren Rückenschmerzen (30 %), Nackenschmerzen (31,4 %), depressive Symptome (25 %) und Angststörungen (20 %). Die häufigste angegebene Akuttherapie war Ibuprofen (46,2 %), gefolgt von Paracetamol (17,1 %), Acetylsalicylsäure (10,2 %) und Triptanen (7,3 %). Bei 1,9 % der Patienten mit Migräne und 0,9 % derjenigen mit Spannungskopfschmerz wurden die diagnostischen Kriterien eines Dauerkopfschmerzes durch Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln erfüllt. Angaben zur Migräneprophylaxe wurden nicht erhoben.

Schlussfolgerungen: Die Migräne ist mit Abstand die häufigste neurologische Erkrankung in Deutschland. Frauen sind mehr betroffen als Männer. Nur ein kleiner Anteil der Patienten behandelt die Migräneattacken mit Triptanen.

Porst M, Wengler A, Leddin J et al. Migraine and tension-type headache in Germany. Prevalence and disease severity from the BURDEN 2020 Burden of Disease Study. J Health Monitoring 2020; 5: 2-24

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Ernüchternde Ergebnisse zur Akutbehandlung der Migräne

Die 2019 und 2020 erhobenen Daten zur 1-Jahres-Häufigkeit von Migräne und Spannungskopfschmerzen stimmen relativ gut mit den Daten überein, die vor mehr als zehn Jahren erfasst wurden [1, 2]. Bemerkenswert ist die hohe Komorbidität der Migräne mit Rückenschmerzen, Depressionen und Angsterkrankungen. Ernüchternd sind die Ergebnisse zur Behandlung akuter Migräneattacken. Nur 7,2 % der Betroffenen behandeln ihre Migräneattacke mit der Substanzgruppe die am besten wirksam ist, nämlich Triptanen. Gründe hierfür wurden leider nicht untersucht. Ein weiteres Problem ist, dass die Studie leider keine Angaben zur Migräneprophylaxe erhoben hat. Die Daten sind von großer Bedeutung für die Organisation der Krankenversorgung von Patientinnen und Patienten mit Migräne und Spannungskopfschmerzen.